Die Studie der EMPA/EPFL zeigt sehr deutlich auf, wie die Energiewende nicht angegangen werden darf. Das riesige Einsparpotenzial im Gebäudebereich darf nicht ignoriert werden, und es darf nicht auf eine Insellösung gesetzt werden. Bild: Helion

Helion: Neue EMPA/EPFL-Studie besteht den Praxistest nicht

Andreas Züttel, Leiter des gemeinsamen Energieforschungslabors der Empa und der EPFL auf dem EPFL-Campus Valais in Sion, hat mit seinem Team verschiedene Pfade der Schweiz auf ihrem Weg zu einer CO₂-neutralen Energieversorgung untersucht und eine Vergleichsrechnung aufgestellt. Dabei interessierten ihn vor allem die Frage nach dem richtigen Energiespeicher und den Kosten dafür. Als Branchenleader der Solarwirtschaft haben wir die Studienergebnisse mit unseren Erfahrungen im Markt verglichen und stellen fest: die Ergebnisse fussen auf unrealistischen Annahmen und überzeugen deshalb nicht. Die Praxis zeigt uns ein anderes Bild.

 


Anmerkung der ee-news.ch Redaktion: Wir haben diese Studie nicht veröffentlich. Hier geht es zur Mitteilung darüber auf der Newsplattform des Bundesrats „Wieviel kostet eine CO2-neutrale Schweiz?“ >>


Zusammen mit dem PV-Labor der Berner Fachhochschule hat Helion die EMPA/EPFL-Studie, die unlängst veröffentlicht wurde, detailliert analysiert. Als Branchenleader der Solarwirtschaft, der bis heute mehr als 10’000 Photovoltaikanlagen installiert hat, kritisieren wir im Wesentlichen drei Punkte, die die aktuelle Situation ungenügend und teilweise falsch reflektieren.

Potenzial der Photovoltaik ist dreifach zu tief angesetzt
Die EMPA/EPFL-Studie beziffert das Photovoltaik-Potenzial auf Schweizer Dächern mit 24 TWh / Jahr, was rund zwei- bis dreimal tiefer liegt als dies andere Studien aufzeigen. Grundlage für diese überraschend tiefe Annahme liefert eine im Vergleich zu anderen Methoden vereinfachte und von der EPFL selbst erstellte Studie1. Das Bundesamt für Energie BFE hingegen liess zur Potenzialberechnung jedes Dach der Schweiz einzeln auf sein PV-Potenzial untersuchen und bildet demnach die Summe aller Dächer ab. Unter Vernachlässigung von Randflächen, geschützten Objekten und weniger geeigneten Dächern und Fassaden weist das BFE deshalb ein Potenzial von 50 TWh auf Dächern und 17 TWh auf Fassaden aus, also rund zwei- bis dreimal höher als die Annahme der EMPA. Dazu kommt, dass auch die Potenzialberechnung des BFE von einem nicht mehr zeitgemässen Wirkungsgrad von 17 % ausgeht. Würde ein Wirkungsgrad von 20 % verwendet, der heute Standard ist, so läge das Potenzial sogar bei 79 TWh. Alleine das Potenzial der Dach- und Fassadenflächen der Schweiz reicht somit aus, um selbst das pessimistische Szenario der EMPA/EPFL-Studie zu erfüllen.

Isolierter Blickwinkel
In einem Punkt sind sich wohl fast alle Energieexperten der Schweiz einig: Die Energiewende ist ein Kraftakt und nur mit einer breiten Palette an Massnahmen zu schaffen. Von daher ist es nicht erstaunlich, dass eine einzelne, isoliert betrachtete Massnahme zu absurden Resultaten führt. Mag sein, dass die in der Studie abgeschätzte Winterstromlücke das 25-fache Volumen des Gotthard-Basistunnels an Wasserstoffspeicher benötigen würde. Oder dass die gleiche Energiemenge an synthetischen Treibstoffen eine Unmenge an zusätzlichen PV-Anlagen erfordern würde. Doch niemand plant ein solches System zu bauen. Denn gleichzeitig werden die Gebäude saniert und damit die Winterstromlücke reduziert. Zudem lässt sich mit Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen die verfügbare Energie wesentlich effizienter einsetzen, auch weil immer dann Strom produziert wird, wenn er am dringendsten benötigt wird. Man kann davon ausgehen, dass auf Formen von erneuerbaren Gasspeichern nicht verzichtet werden kann. Sicher aber ist, dass der Umbau unseres Energiesystems nicht abgestützt auf einer einzigen Technologie realisiert werden wird. Hier fokussiert die Studie auf unrealistische Szenarien, die niemand in dieser Form umzusetzen gedenkt.

Grosse Effizienzpotenziale bleiben aussen vor
Gerade im Gebäudebereich bestehen grösste Effizienzgewinne, die die Studie unerklärlicherweise ignoriert und in ihren Berechnungen nicht berücksichtigt. Es wird angenommen, dass alle heute im Einsatz stehenden Erdölheizungen eins zu eins mit Wärmepumpen ersetzt werden. Die Studie der Wärmeinitiative Schweiz, welche die Dekarbonisierung des Gebäudeparks bis 2050 analysiert hat, wies bereits 2020 im Detail darauf hin, dass erstens der Ersatz der fossilen Heizkörper nur über den Einsatz aller erneuerbaren Ressourcen bewältigt werden kann und zweitens die Sanierung der Gebäudehülle und die damit einhergehenden Effizienzgewinne einen gewaltigen Hebel für die Dekarbonisierung des Gebäudeparks darstellen.

Die Studie der EMPA/EPFL ist ein willkommener Beitrag zur Lösungsfindung für die Energiewende. Sie zeigt aber insbesondere sehr deutlich auf, wie die Energiewende nicht angegangen werden darf. Das riesige Einsparpotenzial im Gebäudebereich darf nicht ignoriert werden, und es darf nicht auf eine Insellösung gesetzt werden. Wird dies berücksichtigt und mit dem heute bekannten Gebäudepotenzial für Photovoltaik verknüpft, so zeigt die Studie auf, dass die Energiewende mit Photovoltaik sowohl möglich wie auch finanzierbar ist.

Text: Helion

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