Fritz Schuppisser: "Die Solarthermie ist aufgrund von Fukushima in den Hintergrund geraten. Alles spricht von Solarstrom. Das merken wir auch auftragsseitig: Betrafen früher fünf Prozent der Kundenanfragen die Photovoltaik, sind es heute 30 Prozent."

Andreas Haller: "Die Solarthermie ist nur eine von verschiedenen Effizienzmassnahmen. Es ist weitaus sinnvoller, zuerst den Heizwärmeverbrauch eines 20-Liter-Hauses herunterzuholen, bevor man die solare Heizungsunterstützung ins Auge fasst."

Thermiegespräche: Pulsmesser der Schweizer Solarthermie

(©AN) ee-news.ch hat sich mit Andreas Haller, Leiter Sonnenenergiesysteme bei Ernst Schweizer AG, Metallbau in Hedingen, und Fritz Schuppisser, Geschäftsführer und Inhaber der Soltop AG in Elgg, unterhalten. Die Unternehmen sind die grössten Kollektorenhersteller der Schweiz.

Herr Haller und Herr Schuppisser, Ihre beiden Unternehmen sind die grössten Kollektorenhersteller der Schweiz. Wie viele Quadratmeter produzieren Sie jährlich, und was unterscheidet Ihre Betriebe?

Andreas Haller: Wir produzieren, was der Markt verlangt, das sind zwischen 60‘000 und 100‘000 Quadratmeter Kollektoren jährlich. Wir sind in erster Linie exportorientiert, in der Schweiz haben wir einen geringeren Marktanteil als Soltop.

Fritz Schuppisser: Wir produzieren aktuell 30‘000 Quadratmeter im Jahr und verkaufen 95 Prozent der Kollektoren in der Schweiz. Neu suchen wir auch den Export und haben seit einem Jahr einen Partner in Deutschland. Soltop ist ein Systemanbieter, wir liefern komplette Anlagen inklusive Boiler, Leitungen usw. und gewähren Funktionsgarantie für das gesamte System. Seit fünf Jahren bieten wir, wie vor 20 Jahren, wieder Photovoltaik an. Unser Energiedach ist eine Kombianlage aus Thermie und Photovoltaik. Der Kunde bestimmt, auf welche Technologie er den Fokus legen möchte.

Andreas Haller: Wir verkaufen in der Schweiz auch Kombianlagen Thermie-Photovoltaik. Dabei handelt es sich aber ausschliesslich um Indachanlagen, die mit unserem PV-Montagesystem Solrif gebaut werden. Auch hier kann der Kunde wählen, ob er mehr Strom oder mehr Wärme produzieren will.

Eine Studie des BFE hat gezeigt, dass bis zu 50 Prozent des Wärmebedarfs des heutigen Häuserbestandes solar gedeckt werden könnten. Warum tut sich die Solarthermie im Heizbereich so schwer?

Andreas Haller: Die Solarthermie ist nur eine von verschiedenen Effizienzmassnahmen. Es ist weitaus sinnvoller, zuerst den Heizwärmeverbrauch eines 20-Liter-Hauses herunterzuholen, indem die Fenster ersetzt und die Gebäudehülle gedämmt werden, bevor man die solare Heizungsunterstützung ins Auge fasst. Wir kommen also bei den Sanierungsmassnahmen immer erst an dritter oder vierter Stelle, was aber so auch Sinn macht.

Sind Sie derselben Meinung, Herr Schuppisser?

Fritz Schuppisser: In der Tendenz, ja. Die Solarthermie sollte von Anfang an bei allen Effizienzmassnahmen miteinbezogen werden. Bei jeder Heizungssanierung oder einem Boilerwechsel sollte die Nutzung der Solarthermie zwingend vorbereitet werden. Das kostet praktisch nichts. Die Kosten für Solaranlagen werden leider oft verzerrt dargestellt. Jedes Haus benötigt eine Heizung und einen Boiler. Ist dank "Weitsicht" im Boiler ein Solarregister integriert, kann die Solaranlage in einem zweiten Investitionsschritt angeschlossen werden. Das kostet ca. 5500 Franken, was den solaren Mehrkosten entspricht, und nicht 14‘000 bis 15‘000 Franken, wie oft fälschlicherweise gerechnet wird. Dies, weil ein Boiler sowieso fester Bestandteil jeder Brauchwasseraufbereitung ist.

Andreas Haller: Wir haben hier in der Tat ein Problem der Gleichzeitigkeit. Einerseits entscheiden die Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer oft aus dem Bauch heraus, dass sie jetzt eine Kollektorenanlage auf dem Dach möchten. Wenn sie dann einen vielleicht acht- bis zehnjährigen Boiler rausreissen, weil darin ein Solarregister fehlt, dann ergibt sich eine Vollkostenrechnung. Andererseits werden zum Beispiel im Rahmen einer Heizungssanierung die Fenster und die Kellerdecke saniert. Da macht es keinen Sinn, zum Beispiel nur die Hälfte der Fenster zu ersetzen, damit das Geld noch für die Solaranlage reicht. Also müssen oft aufgrund der Kosten im letzten Moment der Solarboiler und die Solaranlage über die Klinge springen. In solchen Fällen wäre es sinnvoll, auf eine Etappierung hinzuarbeiten, dann wären die Kosten geringer.

Fritz Schuppisser: Das heisst auf den Punkt gebracht: Immer wenn ein Boiler ersetzt wird, müsste zwingend ein Solarregister eingebaut werden, das kostet kaum mehr.

Könnte einer der Gründe für die Schwierigkeiten auch das fehlende Lobbying sein, oder andersrum gesagt, bräuchte es neben einer nationalen Photovoltaiktagung auch eine Solarthermie-Tagung?

Andreas Haller: Die Frage ist, wen wir mit einer solchen Tagung ansprechen möchten. In der Photovoltaik gibt es immer noch relativ viele Pioniere und viel Neues aus der Entwicklung zu erzählen. Somit ist Photovoltaik auch mehr entwicklungsgesteuert. Daraus ergibt sich natürlich eher das Potenzial für eine Tagung. Solarthermie ist etablierter und erprobter. Meiner Ansicht nach wäre eine gezielte Arbeit von Swissolar zusammen mit anderen Verbänden der Gebäudeeffizienzbranche zur Förderung der Solarthermie genauso sinnvoll.

Fritz Schuppisser: Die Solarthermie ist aufgrund von Fukushima in den Hintergrund geraten. Alles spricht von Solarstrom. Das merken wir auch auftragsseitig: Betrafen früher fünf Prozent der Kundenanfragen die Photovoltaik, sind es heute 30 Prozent. Wichtig scheint mir, dass wir mit Swissolar jetzt dafür sorgen, dass beide Technologien gleich lange Spiesse erhalten. Aus diesem Grund könnte ich mir eine Solarthermietagung gut vorstellen. Es müsste aber eine Fachtagung für die Installateure und Techniker sein und weniger für die Endverbraucher. Damit könnte der Wert der Solarthermie auch besser dargestellt werden.

Andreas Haller: Ich sehe im Bereich Kommunikation schon ein sehr grosses Problem. Auf der einen Seite sind die Endkunden, die mit Sonne etwas machen wollen. Und dabei sind Strom und die AKW-Frage starke Treiber. Und da ist es sehr schwierig, die Solarthermie auch zu positionieren. Es gibt ja den Solarthermie-Industrie-Tag vom SPF. Aber gegen die mediale Vormacht des Stroms ist es sehr schwierig, mit Effizienzmassnahmen zu punkten.

Fritz Schuppisser: Ich sehe auch, dass der Deckel für die Photovoltaik in der kostendeckenden Einspeisevergütung keinen Sinn macht. Um ihn aufheben zu können, bräuchte es parallel die Forderung oder sogar die Verpflichtung, in Gebäuden die Hälfte des Warmwassers solarthermisch aufzubereiten.

Andreas Haller: Aber dann kommt wieder die Effizienz ins Spiel. Und das ist nicht falsch, sondern einfach eine andere Reihenfolge. Aber wir dürfen nicht vergessen, auch wenn wir alle AKW abgestellt haben, haben wir immer noch ein CO2-Problem, und da kann der Sonnenkollektor viel zur Verminderung der Emissionen beitragen.

Blicken wir ein wenig zurück: Was hat die Solarthermie trotz der erwähnten Schwierigkeiten in den letzten Jahren erreicht?

Fritz Schuppisser: Als Branche? Für mich ist die Aufnahme von Solartechnik in die Lieferprogramme aller grossen Heizungslieferanten ein wichtiger Punkt. Alle bieten heute Solaranlagen als Standard an, ohne darüber zu lächeln. Das ist ein grosser Schritt. Für die Solarthermie bedeutet dies der Übergang vom Pionierdasein zum Standard. Bravo! Angefangen hatte es, als die Pionierfirma Solardiamant von Buderus gekauft wurde. Viessmann, Vaillant, Bosch usw. alle haben heute eigene Produktion. Was die Unternehmen früher zugekauft haben, machen sie heute selbst.

Andreas Haller: Das ist sicher ein Punkt: Alle Heizungshersteller bieten Kollektoren in Kombination mit ihren übrigen Wärmeerzeugern an. Für uns als Spezialist war der Vollflächenabsorber eine wichtige Errungenschaft. Und dass wir als Metallbauer einen Weg gefunden haben, Kollektoren industriell zu produzieren.

Fritz Schuppisser: Ich habe noch eine Ergänzung zu dem, was wir erreicht haben: Früher lieferte Soltop einzelne Puzzle-Teile auf die Baustelle, der Installateur musste diese zusammenbauen. Heute werden die Systeme, vom Dach bis zur Heizzentrale, soweit möglich bei uns im Werk getestet und zusammengebaut. Da wird Solartechnik einfach. Der Installateur montiert und verbindet die Geräte, dazu gibt es unsere Funktionsgarantie. Und das vom Einfamilienhaus bis zur Wohnsiedlung.

Und welches sind die grossen Herausforderungen, die die Branche in den letzten Jahren bewältigen musste? Mal abgesehen davon, dass die Kollektoranlage nur eine der möglichen Effizienzmassnahmen ist.

Fritz Schuppisser: Mit der zwischen 2007 und 2009 jährlich um bis 50% angestiegenen Nachfrage mit Produktion und Lieferung mitzuhalten, war eine echte Herausforderung für das ganze Team.

Andreas Haller: Für uns sind es die saisonalen Schwankungen, kombiniert mit den Absatzschwankungen, und der gleichzeitige Versuch, industriell zu produzieren. Das fordert und sehr stark. Zudem sind die Anforderungen punkto Qualitätssicherung und Qualitätsstandard sowie die ästhetischen Anforderungen enorm gestiegen.

Fritz Schuppisser: Eine grosse Herausforderung, auf die wir nur begrenzten Einfluss haben, ist der Wissenstransfer, die gezielte Ausbildung und das Fachinteresse der Installateure. Wir stellen gute, einfach zu montierende Systeme her, und der Heizungsfachmann ist unser Partner auf dem Bau, er muss mitziehen. Schlechte Ausbildung, geringes Berufsinteresse, nicht Berücksichtigen der Installationsanleitungen usw. haben negative Folgen. Das echte Berufsinteresse und der Wunsch, eine Toparbeit abzugeben, sind leider oft nicht vorhanden.

Andreas Haller: Ich kann das unterstützen. Wir stellen zudem fest, dass es auch in der Produktion zum Teil schwierig ist, gute Fachleute zu finden. Das Handwerk hat heute einen sehr tiefen Stellenwert…

Fritz Schuppisser: … und wir bräuchten in der Ausbildung nicht die besten Schulabgänger, aber doch die guten.

Wenn wir einen Blick in die Zukunft werfen: Welche Herausforderungen werden Sie meistern müssen?

Fritz Schuppisser: Für uns ist nicht entscheidend, ob Thermie oder PV besser läuft, wichtig ist, dass wir effizient produzieren, den Qualitätsstandard halten können und unsere Verkaufspreise trotz den schwankenden Rohstoffpreisen stimmen. Zusätzlich haben wir viele Innovationen, die wir in unseren Systemen, ob PV oder Thermie, umsetzen wollen.

Andreas Haller: Ich sehe die grosse Herausforderung auch in der Dynamik des Marktes, die es schwierig macht, einigermassen verlässlich zu planen und uns strategisch gut zu positionieren.

Was sind Ihre Unternehmenszeile? Wünschen Sie sich ein konstantes Wachstum?

Fritz Schuppisser: Soltop hat das Ziel, der Ansprechpartner für Sonnenenergie zu sein, sei es für Solarthermie oder Solarstrom. Das ist auch eine Herausforderung an unser gesamtes Team, das wir laufend aus- und weiterbilden. Zudem wollen wir weitere Solarfachleute mit Grundlagenausbildung in unser Team integrieren.

Andreas Haller: Wir sind nicht ganz unabhängig vom ganzen Unternehmen Ernst Schweizer AG, Metallbau. Wir von den Sonnenenergiesystemen sind seit drei Jahren der grösste Geschäftsbereich des Unternehmens. Von daher haben wir auch gegenüber dem Unternehmen eine grosse Verantwortung. Das ist eine Rolle, die neu ist. Wenn wir den Schnupfen haben, niest das ganze Unternehmen. Wir brauchen also auch eine Stabilisierung und nicht nur ein Wachstum.

Was wünschen Sie sich von den Architekten, von der Politik und von Swissolar?
Fritz
Schuppisser: Von der Politik wünsche ich mir gleich lange Spiesse für Solarthermie und Photovoltaik. Von den Architekten, dass die gesamte Solarnutzung selbstverständlich integriert wird. Von Swissolar wünsche ich mir die pointierte Vertretung der Sonnenenergie innerhalb der erneuerbaren Energien.

Andreas Haller: Ich kann mich dem allem anschliessen. Und ich finde, Swissolar sollte noch mehr Verantwortung in der Verbandslandschaft wahrnehmen. Damit meine ich alle Verbände, die mit dem Gebäude etwas zu tun haben, von Dach und Wand, Swisstec bis hin zu den Dachdeckern. Ich denke, das würde der Sonnenenergie auch sehr stark nützen. Ob es von den Ressourcen her möglich ist, ist eine andere Frage, aber eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Verbänden, mehr Koordination und ein initiatives Auftreten, könnten hilfreich sein.

©Interview: Anita Niederhäusern

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