“In Graz wird ein 2.1 MW-Nahwärmenetz dieses Jahr um 1.4 MW erweitert. Im Endausbau wird es 7 Megawatt Leistung verzeichnen“, freut sich Roger Hackstock. Bild: Anita Niederhäusern

Verglichen mit 2007 hat die Solarthermiebranche 75 % des Marktvolumens verloren. ©Grafik: Austria Solar

David Stickelberger hofft, dass das Teilmodul 7 der MuKEn, die beim Heizungsersatz 10 % erneuerbare Wärme vorschreibe, dem Solarthermiemarkt Impulse geben könnte. Bild: Anita Niederhäusern

Der Schweizer Solarthermiemarkt hat letztes Jahr leicht zugelegt. Ist das das erste Zeichen eines Aufschwungs? Grafik: Swissolar

Harald Drück: „Thermochemische Speicher sind quasi verlustfrei, brauchen keine Isolation und weisen eine im Vergleich mit Warmwasserspeichern um Faktor 3 höhere Energiespeicherdichte auf.“ Bild: Anita Niederhäusern

Andreas Haller: „Fassadenanlagen liefern im Winter höhere Erträge als Dachanlagen.“ Bild: Anita Niederhäusern

Bei diesem Mehrfamilienhaus in Bennau wurden die Kollektoren von Grab Architekten in die Fassade eingeplant. Bild: Ernst Schweizer / Grab Architekten

„Technisch gesehen sind sie PVT-Module eine gute Idee“, erklärte Daniel Zenhäusern. Bild: Anita Niederhäusern

Siedlung ‚Im Heugarten‘: Die Umweltbilanz konnte deutlich verbessert werden. Grafik Planar

Solarwärmetagung 2018: Die Branche hat das Heu noch nicht im Trocknen – „Wir wollen den schlafenden Riesen wecken!“

(©AN) Der Solarthermie-Zubau wies 2017 ein leichtes Plus auf, im Gegensatz zur Photovoltaik, die einen deutlichen Einbruch verzeichnete (siehe ee-news.ch vom 13.9.18 >>). Nicht nur die geringe Teilnehmerzahl an der Nationalen Solarwärmetagung zeigt aber, dass die Branche gegenüber dem Alleskönner Solarstrom das Heu noch nicht im Trocknen hat.


„Unsere nationale Solarthermie-Tagung findet zum ersten Mal überhaupt im Rahmen einer anderen Tagung statt“, erklärte David Stickelberger, Geschäftsleiter von Swissolar. „Ich persönlich finde es toll, dass wir die Tagung im Rahmen der Eurosun 2018 hier am SPF in Rapperswil durchführen dürfen. Einige potenzielle Teilnehmer hat das vielleicht abgeschreckt, was ich nicht ganz verstehe“, erklärte David Stickelberger einführend.

Wirtschaftsallianz für die Wärmewende
„Wir haben analog zur Wirtschaftsallianz für die Energiestrategie 2050 eine Wirtschaftsallianz für die Wärmewende ins Leben gerufen“, erklärte Stefan Batzli, Geschäftsführer der AEE Suisse. „Das ist insbesondere deshalb notwendig, weil der Wärmebereich 50 % des Gesamtenergieverbrauchs der Schweiz ausmacht. Derzeit werden 50 % der Wärme mit Heizöl bereitgestellt, 25 % mit Gas und nur 20 % mit erneuerbaren Energien!“, erinnerte Stefan Batzli. „Wir wollen den schlafenden Riesen Solarthermie wecken! Unser Ziel ist es, dass 2050 100 % der Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien stammen.“ Dies bei einer Reduktion des gesamten Wärmebedarfs von 40 %. Nur mit einer CO2-neutralen Wärme- und Kälteversorgung könnten die 2-Grad-Ziele von Paris, die die Schweiz mitunterzeichnet hat, erreicht werden. „Dafür brauchen wir eine nationale und kantonale Wärmestrategie!“, appelliert Batzli an die Politik. Die nächste Hürde seien die kantonalen Abstimmungen zu den «Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich» (MuKEn), insbesondere im Kanton Bern sei hier die Branche gefragt.

Auf dem Niveau von vor 10 Jahren
„Obwohl wir 2017 im Vergleich zum Vorjahr einen leichten Anstieg um 5 % der zugebauten Quadratmeter hatten, befinden wir uns mit etwas über 60‘000 Quadratmetern beim Zubau auf dem Niveau von 2007“, erklärte David Stickelberger. Zwischen 2008 und 2013 wurden jährlich um die 120‘000 Quadratmeter zugebaut. Im Einfamilienhausbereich hätte die Solarthermie gegen Photovoltaik in Kombination mit einer Wärmepumpe einen schweren Stand. Aktuell werden 80 % der neuen Einfamilienhäuser mit einer Wärmepumpe ausgerüstet. „Zugelegt hat indes das Segment der Solarthermie-Anlagen auf Mehrfamilienhäusern, hier besteht weiteres Wachstumspotenzial.“ Die Statistik zeige indes, dass der Mehrverkauf fast ausschliesslich auf das Konto der Importeure gehe.

Erfreuliches ergebe die Analyse der Solarwärmeproduktion: „Im Bereich Warmwasseraufbereitung beträgt der Anteil doch 2.9 %, das lässt sich sehen“, freut sich David Stickelberger. Damit seien für CHF 55 Mio. Energiekosten eingespart worden. Auch bei der Förderung gab es dank dem Engagement von Swissolar eine Nivellierung zwischen den Kantonen: „Mit einer Förderrate von 18-22 % (Anteil an den Mehrkosten) pro Anlage sind wir nicht mehr so weit von der Photovoltaik entfernt.“ Die lange Warteliste bei der Einmalvergütung, mutmasste Stickelberger, habe eventuell 2017 auch den Zuwachs der Solarthermie unterstützt. Hoffnung für die Zukunft schöpft er im Teilmodul 7 der MuKEn, die beim Heizungsersatz 10 % erneuerbare Wärme vorschreibe.

Schicken wir die Fossilen heim!
„Beim Marktvolumen musste die Solarthermie auch in Österreich Federn lassen müssen“, wusste Roger Hackstock, Geschäftsführer Verband Austria Solar, zu berichten. Verglichen mit 2007 habe die Branche 75 % des Marktvolumens verloren (siehe Grafik links oben). Es gelte jedoch die Fossilen heimzuschicken, dazu brauche es auch die Solarthermie. Die Schlacht im Einfamilienhausbereich hat die Solarthermie auch in Österreich gegen die Wärmepumpen verloren. Bei Grossanlagen und Wärmenetzen ist indes ein richtiger Boom zu verzeichnen: So gibt es in Österreich inzwischen zwei Betonwerke, die ihren Wärmebedarf fast zu 100 % mit Solarthermie decken würden.

Im Grosskraftwerk Kosten von unter 3.5 Eurcents die Kilowattstunde
Auch solare Wärmenetze sind sehr gefragt, so dass die Obergrenze für Förderbeiträge von 2000 m2 auf 100‘000 m2 angehoben wurde. In Graz wird ein 2.1 MW-Nahwärmenetz dieses Jahr um 1.4 MW erweitert. „Im Endausbau wird es 7 Megawatt Leistung verzeichnen. Bezüglich der Kostensind die Solarthermie-Grosskraftwerke unschlagbar“, freut sich Roger Hackstock. „In der Branche gilt die Faustregel, dass schlüsselfertige solare Grossanlagen über 5000 m2, das entspricht 7 MW Wärmeleistung - um 5 Eurocent die Kilowattstunde Wärme liefern, über 20 Jahre gerechnet. Die Grossanlagen wie Graz mit 250‘000 m2, das entspricht 175 Megawatt-Wärmeleistung, liefern schlüsselfertig unter 3.5 Eurocent die Kilowattstunde über 20 Jahre.

Auch 100-%-Solarhäuser erfreuten sich in Österreich einer grossen Nachfrage. „Zudem liegen Sektorenkopplung und Systemlösungen im Trend.“ So schliesse die Photovoltaik in Kombination mit Wärmepumpen die Solarthermie nicht per se aus. Immer mehr grössere Bauten würden die drei Technologien kombinieren. „Und vergessen wir nicht die Digitalisierung! Von Smart Home bis Systemlösungen, sie wird den Markt zunehmend bestimmen …“, ist Roger Hackstock überzeugt. „Solarwärme 2.0 erfordert aber einen anderen Zugang zur Problemlösung!“ warnt er.

80 % Solarwärme
68 Quadratmeter Kollektoren sorgen in Kombination mit einer Wärmepumpe, 16 Erdwärmesonden, die 250 Meter tief sind, und Wasserstrom in der Wohnsiedlung ‚Im Heugarten‘ in Mönchaltdorf dafür, dass der erneuerbare Wärmeanteil von knapp 20 % auf 80 % angehoben werden konnte. Maximal 20 % des Wärmebedarfs werden immer noch mit Heizöl bereitgestellt. Die 1982 erbaute Siedlung umfasst 46 Reihenhäuser, 10 Wohnungen sowie einen Gemeinschaftraum. „Wir hatten eine Heizzentrale, die eine Heizölheizung und eine Luft-Wasser-Wärmepumpe umfasste. Da die Anlagen jedoch in die Jahre gekommen waren, betrug der fossile Anteil bis zu 85 %“, erklärte Bruno Hoesli, Bewohner der Siedlung und Bauingenieur.

Als erste Grundlage für die Erneuerung der Heizung diente eine Studie von Kämpfen für Architektur. „Ein Schlüssel für den Erfolg war indes der Entscheid, für die Anlage eine Ausschreibung durchzuführen, um einen Contractor zu finden. Im Vertrag, der über 30 Jahre abgeschlossen wurde, wurde festgehalten, dass der fossile Wärmeanteil maximal 20 % betragen darf“, führte Bruno Hoesli aus. Warum ein Contracting? „Einerseits brachte uns das bei der Planung und der Erneuerung der Energiezentrale eine hohe Fachkompetenz. Zudem haben wir jetzt eine professionelle Fernüberwachung, die Störungen kurzfristig behebt. Und ein Contractor ist auch an einer laufenden Betriebsoptimierung interessiert!“

Die Solarwärme wird übrigens auch für die Regeneration der Erdwärmesonden genutzt. Mit rund CHF 540 Franken Wärmekosten pro Haus liegen die Kosten sehr tief. Grund dafür ist auch die Tatsache, dass dass die Genossenschaft der Siedlung die Investitionen des Contractors finanziert haben: „Wir sind nicht auf einen Zins von 4 % angewiesen!“ berichtete Bruno Hoesli.

Solarthermie gehört auch in die Fassade
„Wenn zum Beispiel das Dach mit Photovoltaik besetzt ist, können Kollektoren auch in die Fassade integriert werden“, erklärte Andreas Haller, Geschäftsbereich Sonnenenergie-Systeme von Ernst Schweizer. Er stellte das Mehrfamilienhaus in Bennau vor, das von Grab Architekten gebaut wurde (siehe Bild links oben). Es zeige exemplarisch, dass grossflächige Kollektoren schön ins Gebäude integriert werden können. Ernst Schweizer hat zwei Produkte im Angebot, die in verschiedenen Grössen bis zu 21 Quadratmetern Fläche erhältlich sind. „Zudem können auch bei Kollektoren farbige Gläser eingesetzt werden“, führte Haller aus. Dazu greift Ernst Schweizer für seine Kollektoren auf das Solarglas Kromatix zurück, das auch farbige Fassaden möglich macht. Wie auch bei der Photovoltaik erbringen Fassadenkollektoren einen über den Tag gleichmässigeren Ertrag: „Zudem sind die Erträge im Winter höher als bei Dachanlagen“, erklärte der Solarfachmann.

Frage der Ressourcen
Harald Drück, Leiter Forschungs- und Testzentrum für Solaranlagen am Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik ITW in Stuttgart, gab einen Einblick in die verschiedenen, saisonalen Thermie-Speicherforschungen. Diese reichen vom Grosswasserspeicher über Aquifere bis hin zu thermochemischen Speichern unter Nutzung der Adsorption. In letzterer sieht Harald Drück ein sehr grosses Potenzial. Als Speichermaterial kommen Zeolith oder Silikagel zum Einsatz: „Die Vorteile dieser Materialien liegen darin, dass die Speicherung quasi verlustfrei ist, keine Isolation braucht und eine im Vergleich mit Warmwasserspeichern um Faktor 3 höhere Energiespeicherdichte aufweist. Zudem sind die Speichermaterialien preiswert und umweltverträglichund für einen grossen Temperaturbereich einsetzbar.“ Natürlich koste heute ein thermo-chemischer Speicher noch viel. Da es sich aber nicht um standardisierte Produkte handle, bestehe ein grosses Kostensenkungspotenzial. Auf die Frage von David Stickelberger, in welcher Zeitspanne es denn möglich wäre, standardisierte Produkte für Erneuerungen von Mehrfamilienhäusern zu entwickeln, erklärte der Speicherspezialist: „Das ist eine Frage der Ressourcen! Wenn ich sehe, wie viele Ingenieure zum Beispiel in der Autoindustrie an einer einzigen Fragestellung herumtüfteln … Mit genügend Ressourcen wäre im Speicherbereich sehr viel zu machen! Natürlich kosten Speicher immer, aber sie erhöhen auch immer die Effizienz eines Gesamtsystems!“

PVT-Wrap-up
Es gibt sie seit langem, immer wieder kommen auch neue Systeme auf den Markt, und trotzdem schaffen sie den Durchbruch nicht ganz: PVT-Module, die Kombination von Solarthermie und Photovoltaik in einem Modul. „Technisch gesehen sind sie eine gute Idee“, erklärte Daniel Zenhäusern, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am SPF Institut für Solartechnik in Rapperswil. „Sendet doch die Sonne rund 74 % Wärme auf ein Modul, und nur so um die 20 % kann als Strom geerntet werden.“ In einem PVT-Wrap-up hat das SPF die Produktevielfalt erhoben (siehe auch ee-news.ch vom 9.3.18 >>). 56 Produkte, davon fünf aus der Schweiz, sind zurzeit erhältlich. Ein Quadratmeter kostet durchschnittlich CHF 200. Mit rund 300 Anlagen bleibt die PVT-Technologie jedoch ein sehr zartes Pflänzchen.

Die Solarwärmetagung hat einmal mehr gezeigt, dass die Branche – sicher auch aufgrund der sehr tiefen Heizölpreise, aber auch aufgrund der immer günstigeren Photovoltaik – nicht auf Rosen gebettet ist. Die aktuell steigenden Heizöl-, Gas- und Strompreise könnten, wenn die Preise hoch bleiben, den schlafenden Riesen Solarthermie trotzdem zu wecken vermögen. Ohne sie wird es schwierig werden, die 75 % Wärme, die in der Schweiz derzeit noch fossil gedeckt werden, erneuerbar bereitzustellen.

Präsentationen der Solarwärme-Tagung 2018 >>

©Text: Anita Niederhäusern, Herausgeberin und leitende Redaktorin ee-news.ch

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