Die Empa untersucht die Direkteinblasung bei Gasmotoren untersucht. Illustration: Empa

Die Empa untersucht die Direkteinblasung bei Gasmotoren untersucht. Illustration: Empa

ETH-Forscher können dank dem Simulationswerkzeug DNS die Hitzeverteilung im Zylinder eines Verbrennungsmotors mit einer bisher nicht bekannten Genauigkeit darstellen. Foto: ETHZ

Versuchsanlage für gestufte Verbrennung an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Windisch. Foto: FHNW

Schematische Darstellung der gestuften Verbrennung. Illustration: FHNW

Prototyp eines Gasqualitätssensors der MEMS AG (Birmenstorf). 
Quelle: MEMS AG

Die MEMS AG hat mit der Empa den Einfluss der Gasqualität auf Verbrennungsprozesse untersucht. Foto: Der MEMS-gasQS-Sensor auf dem Prüfstand der Empa. Quelle: Empa

Zweistufiges Aufladesystem Power2 von ABB für Diesel- und Gasmotoren mit höchster Leistungsfähigkeit. Foto: ABB Turbo Systems AG

Vergleich der Spraymorphologie ca. 1.6 ms nach Einspritzbeginn (bei konstanter Gasdichte ρgas = 33 kg/m3). LFO steht für Light Fuel Oil (Heizöl extra leicht), HFO für Heavy Fuel Oil (Schweröl). Illustration: WinG&D

Dual-Fuel-2-Takt-Versuchsmotor bei Winterthur Gas & Diesel in Winterthur. Foto: WinG&D

Verbrennungstagung: Brennstoff ist nicht gleich Brennstoff

(©BV) Die Energieumwandlung in Verbrennungsprozessen ist aussergewöhnlich gut erforscht – und hält doch immer wieder neue, faszinierende Fragestellungen bereit. Motorenforscher richten aktuell einen Fokus auf die Brennstoffvielfalt. Grund ist die wachsende Bedeutung von Gasen aus erneuerbaren Quellen. Hinzu kommen Fragen der – stark schwankenden – Brennstoffqualität.


Erdgas ist kein erneuerbarer Energieträger, aber Erdgas verbrennt mit weniger schädlichen Rückständen als Kohle oder Schweröl. Erdgas steht dank dieser Eigenschaften als Brennstoff für Verbrennungsmotoren hoch im Kurs. Doch Erdgas ist nicht gleich Erdgas. Es kommt vielmehr in unterschiedlichen Qualitäten vor. So besteht Erdgas neben dem Hauptbestandteil Methan noch aus anderen Komponenten. In Schweizer Erdgas russischen Ursprungs sind rund 6 % Ethan, Propan und Butan enthalten: Bei Erdgas aus anderen Förderstätten kann dieser Anteil auf 20 und mehr Prozent ansteigen. Neben der Herkunft spielt auch der Herstellungsprozess für die Zusammensetzung eines Gases eine grosse Rolle. Das zeigen die biogenen Gase, die durch die Vergärung von Biomasse (Biogas) oder aus Holz (Holzgas) gewonnen werden, aber auch Gase, denen Wasserstoff oder Methan beigemischt wird, die zuvor unter Verwendung von erneuerbarem Strom gewonnen wurden.

Brückenschlag zur Indu
strie
Die unterschiedlichen Gasqualitäten, die auf den weltweiten Märkten angeboten werden, beschäftigen nicht nur die direkten Verbraucher, sondern auch die Wissenschaft. So war es auch an der Tagung zur Schweizer Verbrennungsforschung, die das Bundesamt für Energie, die ETH Zürich und das Paul Scherrer Institut im September 2015 in Zürich durchführten. Die Verbrennungstagung macht jeweils den Brückenschlag von der akademischen Forschung zu den industriellen Anwendungen. Das wurde an der Zürcher Tagung zum Beispiel anschaulich beim Thema Gasturbinen. Diplomchemieingenieur Dieter Winkler berichtete von einem Projekt zur gestuften Verbrennung in Gasturbinen, das die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Zusammenarbeit mit dem Industriekonzern Alstom durchgeführt hat. Die Versuchsanlage wurde konstruiert für den Betrieb mit Erdgas, das zur Veränderung der Reaktivität mit Propan, nicht reaktivem CO2 oder hochreaktivem Wasserstoff versetzt wurde (jeweils mit einem Anteil von bis zu 20 %). Die Versuchsreihen mit der gestuften Verbrennung bestätigten die Vermutung, dass die neuartige Brennertechnik mit solch ungewöhnlichen Brennstoffen gut zurecht kommt und auch im Teillastbetrieb vergleichsweise 'sauber' arbeitet. “Wir konnten experimentell zeigen, dass bei Teillast weniger Emissionen resultieren als bei Vollastbetrieb von herkömmlichen Gasturbinen ohne neuartige Brennertechnik“, fasst Winkler ein zentrales Ergebnis zusammen.

Diese Forschungsergebnisse sind von erheblicher praktischer Bedeutung. Das machte das Referat von Dr. Khawar Syed, Entwicklungsingenieur bei Alstom Schweiz, deutlich. „Gestufte Verbrennung ist der aktuelle Trend in der Industrie“, sagte Syed und illustrierte die Feststellung mit den Alstom-Gasturbinen GT24 und GT26. Diese Turbinen verfügen jeweils über zwei in Serie angeordnete Brennkammern. Anders als bei der Versuchsanlage der FHNW erfolgt die Luftbeimischung nicht separat für jede der beiden Brennkammern, sondern in der zweiten Brennkammer wird dem noch sauerstoffhaltigen Abgas der ersten Brennkammer – das die Hochdruckturbine angetrieben hat - nochmals Brennstoff beigemischt, wodurch das Gemisch wiederum zündet und über die Niederdruckturbine expandiert. Moderne Gasturbinen will Alstom so auslegen, dass sie mit einem breiten Spektrum von Brennstoffen/Reaktivitäten zurecht kommen ('fuel flex'), aber auch so betreiben werden können, dass Gaskraftwerke die Produktionsschwankungen etwa von Wind- und Solarstrom ausgleichen können ('load flex'). Die Entwickler arbeiten auf sehr tiefe Stickoxid (NOx)-Emissionen hin, gleichzeitig aber auch auf eine weitere Erhöhung des Wirkungsgrads von kombinierten Gas- und Dampfturbinen über die heute erreichbaren 61 % hinaus, wie Syed sagt: „Wir und unsere Wettbewerber arbeiten auf einen Wirkungsgrad von 65 und mehr Prozent hin.“

Ein Motor, zwei Treibstoffe

Während die Industrie ihre Gasturbinen auf „Multi Fuel-Fähigkeit“ trimmt, arbeiten Entwickler von Schiffsmotoren an der Markteinführung und Optimierung von sogenannten „Dual Fuel“-Brennverfahren. Heutige 2-Takt-Schiffsmotoren werden in der Regel mit Schweröl oder Marinediesel (MDO) betrieben. „Dual Fuel“-Motoren, wie sie in der Schifffahrt zunehmend zum Einsatz gelangen, werden mit Gas betrieben, das durch eine Kleinstmenge Dieselkraftstoff gezündet wird. „Zweitakt-Dual Fuel-Motoren von Winterthur Gas & Diesel zeichnen sich aufgrund der ottomotorischen Prozessführung im Gasbetrieb dadurch aus, dass sie ohne innermotorische Massnahmen oder Abgasnachbehandlung die Erfüllung der künftigen Emissionsgrenzwerte sowohl hinsichtlich Stickoxid-Ausstoss, als auch in Bezug auf Schwefeldioxid- und Partikelemissionen ermöglichen“, sagt Dr. Sebastian Hensel von der Winterthur Gas & Diesel Ltd. Hensels Unternehmen ist ein Forschungs- und Entwicklungszentrum für Schiffsmotoren, das das Schiffsbauunternehmen CSSC (China) und der Motorenhersteller Wärtsilä (Finnland) gemeinsam in Winterthur betreiben.

Dafür nutzt die Firma mit ihren 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter anderem eine optisch zugängliche Brennkammer, in der die physikalisch-chemischen Abläufe der Dieselverbrennung in Zweitaktmotoren exakt nachgebildet werden können. Beat von Rotz hat an diesem einmaligen Prüfstand im Rahmen seiner Doktorarbeit das Einspritz- und das Zündverhalten verschiedener Brennstoffe untersucht, vor allem die Spraymorphologie des Einspritzstrahls von zahlreichen Parametern (z.B. Druck und Temperatur in der Brennkammer, Einspritzdruck, Drall, Düsenlochdurchmesser, Brennstoffqualität). Überdies erforschte er die mikroskopischen Sprayparameter (Tröpfchengrösse und -geschwindigkeit) sowie die Charakteristiken der Zündung. Daraus ging ein umfassendes Set von Referenzdaten hervor. Diese enthalten grundlegende Erkenntnisse zu den speziellen Charakteristiken der Einspritz- und der Zündprozesse und dienen den Ingenieuren nun dazu, zuverlässige Modelle für die Entwicklung neuer Motoren zu erstellen.

Simulationen mit nie dagewesener Genauigkeit

Die „Dual Fuel“-Thematik interessiert nicht nur die Anwender, sondern auch die Wissenschaftler am Laboratorium für Aerothermochemie und Verbrennungssysteme (LAV) der ETH Zürich. Dies führt die Forschung von LAV-Doktorand Daniele Farrace vor Augen, der neuen Konzepten für „Dual Fuel“-Motoren nachgeht. Obwohl die Forschung im Bereich Verbrennungsmotoren eine lange Tradition hat, wartet diese Disziplin mit immer noch exakteren Ergebnissen auf. So lassen sich heute die Vorgänge in einer Brennkammer dank Simulationswerkzeugen wie DNS (Direct Numerical Simulation) mit einer niemals dagewesenen Genauigkeit beschreiben. ETH-Forscher Dr. Martin Schmitt wendet DNS erstmals auf motoren-ähnliche Geometrien an. Dabei unterteilt er das Volumen eines Verbrennungszylinders in 135 Mio. winzige Teilvolumina. Für jedes einzelne dieser Elemente enthält seine Simulation Daten zu Geschwindigkeit, Druck, Temperatur und chemischer Zusammensetzung.

Kein Wunder, sind solche Simulationen nur mit Grossrechnern zu bewältigen. Schmitt braucht für seine Arbeit die Rechnerleistung von 2500 Personal-Computern. „Mit meiner Forschung kann ich im Erfolgsfall einen Beitrag leisten, um zukunftsweisende Motortechnologien wie HCCI zu kontrollieren“, sagt Schmitt. HCCI, die homogene Kompressionszündung, zielt auf eine möglichst gleichzeitige Verbrennung eines homogenen Brennstoffsgemischs ab, um damit die Schadstoffemmissionen zu minimieren. Dieses Forschungsprojekt zeigt zugleich, wie anspruchsvoll Verbrennungsforschung heute ist. „In den Resultaten, die unsere Forscher heute vorweisen können, steckten letztlich über 20 Jahre Arbeit an unserem Institut“, sagt Prof. Dr. Konstantinos Boulouchos, der Leiter des LAV an der ETH Zürich.

Industrie nur mit Forschung innovativ

Die Resultate aus der Grundlagenforschung bilden einen wichtigen Input für Schweizer Industrieunternehmen. Anschaulich wird das beispielsweise in den Gasqualitätssensoren, die die MEMS AG (Birmenstorf) gemeinsam mit der Empa entwickelt. Anschaulich wird das auch in der Person von Guoqing Xu, der als Doktorand der ETH für die Baumaschinen-Herstellerin Liebherr Machines Bulle SA forscht. Seine wissenschaftliche Arbeit dient dazu, Vorhersagemodelle für die Gasmotoren-Linie von Liebherr zu entwickeln. Den Bogen zur industriellen Anwendung schlug an der Verbrennungstagung in Zürich auch Dr. German Weisser von der ABB Turbo Systems Ltd. (Baden). Weisser betonte, Forschung sei für seine Firma essentiell. Nur auf diesem Weg könne ABB Turbo Systems Produkte wie z.B. Turbolader und Lösungen entwickeln, die es den Kunden (Hersteller von Diesel- und Gasmotoren, Endkunden) ermöglichen, einen Mehrwert für ihre Motoren und Anlagen in Form erhöhter Leistungsfähigkeit und Effizienz, tieferer Emissionen sowie gesteigerter Flexibilität im Betrieb sicherzustellen. Die 200 Wissenschaftler und Ingenieure der F&E-Abteilung müssen daher über geeignete Simulationswerkzeuge zur Beschreibung motorischer Kernprozesse (Verbrennung, Schadstoffbildung), aber auch zur Bewertung zuverlässigkeitsrelevanter Parameter verfügen.

Die F&E-Aktivitäten müssen, so Weisser, immer wieder darauf hin ausgerichtet werden, die richtigen Antworten auf die aktuellen Trends in der Motorenindustrie zu geben. Diese Trends fasst der ABB-Verbrennungsexperte so zusammen: rückläufige Qualität der Flüssigbrennstoffe, Vormarsch gasförmiger Brennstoffe, weitere Steigerung der Effizienz, wachsende regulatorische und betriebliche Anforderungen. Um diese Ziele zu erreichen, müsse Motorenforschung immer den Blick aufs Ganze richten, betont Weisser, denn: „Was am Ende zählt ist die Performance des Gesamtsystems.“

  • Weitere Informationen zur Tagung 'Verbrennungsforschung in der Schweiz' vom 9. September 2015: (Link wird ergänzt, sobald er vorliegt)
  • Auskünfte zur Schweizer Verbrennungsforschung erteilt Stephan Renz (renz.btr@swissonline.ch), Leiter des BFE-Forschungsprogramms Verbrennung
  • Weitere Fachbeiträge über Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Bereich Verbrennung finden Sie unter www.bfe.admin.ch/CT/verbrennung


©Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

0 Kommentare

Kommentar hinzufügen

Partner

  • Agentur Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

Ist Ihr Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien oder Energieeffizienz tätig? Dann senden sie ein e-Mail an info@ee-news.ch mit Name, Adresse, Tätigkeitsfeld und Mail, dann nehmen wir Sie gerne ins Firmenverzeichnis auf.

Top

Gelesen
|
Kommentiert