Ein modernes Hochschulgebäude auf dem Campus Rapperswil der Ostschweizer Fachhochschule. Die Heizanlage ist um 180 % (Faktor 2.8) überdimensioniert. Foto: BFE-Schlussbericht Optipower

Grafik 1: Überdimensionierung bei Wohngebäuden: Die blauen Säulen veranschaulichen, wie viele Wärmepumpen wie stark überdimensioniert sind. Grafik: BFE-Schlussbericht Optipower

Grafik 2: Überdimensionierung von Wärmepumpe (WP), Gasheizung und Kälteanlagen in den zehn untersuchten Bürogebäuden. Grafik: BFE-Schlussbericht Optipower

Grafik 3: Effizienz der Wärmepumpe bzw. des ganzen Wärmepumpen-Speicher-Systems für eine Sole-Wasser-Wärmepumpe mit angeschlossenem Pufferspeicher. Grafik: BFE-Schlussbericht Optipower

Grafik 4: Investitionskosten für eine Sole-Wasser-Wärmepumpe bei einer Überdimensionierung um 50, 100 und 150 %. Grafik: BFE-Schlussbericht Optipower

Grafik 5: Die Grafik zeigt für gut 250 untersuchte Heizungen einen linearen Zusammenhang zwischen Heizwärmeverbrauch des Gebäudes und der benötigten Heizleistung. Grafik: BFE-Schlussbericht Optipower

Dieses Mehrfamilienhaus ist sehr gut gedämmt und hat einen Heizwärmeverbrauch von lediglich rund 17 kWh/(m2a). Die Heizung ist deutlich (160 %) überdimensioniert. Foto: BFE-Schlussbericht OptiPower

Jahresarbeitszahlen (JAZ) und Systemnutzungsgrad (SNG) einer Luft-Wasser-Wärmepumpe mit fester Drehzahl (50 Hz) für drei unterschiedlich grosse Pufferspeicher. Grafik: BFE-Schlussbericht Optipower

Richtige Dimensionierung von Wärmepumpen und Kältemaschinen: Wenn zu grosse Reserven zum Problem werden

(BV) Technische Systeme müssen so ausgelegt werden, dass sie auch aussergewöhnliche Belastungen meistern. Sind Wärmepumpen und Kältemaschinen allerdings überdimensioniert, führt das in einem Teil der Fälle zu einem unerwünscht hohen Energieverbrauch, in jedem Fall aber zu unnötig hohen Kosten. Das zeigt ein aktuelles Forschungsprojekt der Ostschweizer Fachhochschule. Nach den Erkenntnissen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist das Problem bei Verwaltungsgebäuden sehr gross, bei Mehrfamilienhäusern immer noch beachtlich. (Texte en français >>)


An einem eisig kalten Wintertag möchte niemand in seiner Wohnung frieren. Und wenn man bei sommerlicher Bruthitze ins Büro muss, schätzt man eine leistungsstarke Klimaanlage. Um unseren Komfortbedürfnissen gerecht zu werden, werden Wärmepumpen (Bereitstellung von Wärme und teilweise auch Kälte) und Kältemaschinen (Bereitstellung von Kälte) mit Reserven ausgelegt, um auch klimatischen Extremsituationen gerecht zu werden. Aus unterschiedlichen Gründen kommen in der Praxis weitere Reserven (z.B. nächstgrösseres Gerät, Berücksichtigung von Sperrzeiten) dazu. Wenn es hierbei zu einer Überdimensionierung kommt, hat das allerdings Nachteile: Denn erstens sind grössere Anlagen teurer in der Anschaffung, und zweitens verbrauchen sie mitunter mehr Energie, weil sie nicht mehr im optimalen Leistungsbereich betrieben werden. Die Auslegung einer Wärmepumpe oder Kältemaschine ist somit eine Gratwanderung.

Mehrverbrauch von 44%
Der Schweizer Gebäudepark ist für 40 % des landesweiten Energieverbrauchs verantwortlich. Vor diesem Hintergrund untersucht die Forschung, inwieweit sich der Energieverbrauch durch eine optimale Auslegung von Wärmepumpen und Kältemaschinen senken liesse. Dass es in dem Bereich Einsparpotenzial gibt, ist seit längerem bekannt. Eine Studie der Ostschweizer Fachhochschule (OST) lieferte schon vor Jahren eindrückliche Zahlen: Drei Viertel der untersuchten Mehrfamilienhäuser wiesen Wärmepumpen mit einer Überdimensionierung zwischen 10% und 60% auf, und die Gebäude hatten im Schnitt einen Mehrverbrauch an Heizwärme von 44%.

Das Mehrfache der benötigten Leistung
Vor diesem Hintergrund haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der OST und des Instituts für Energietechnik der Universität Genf das Thema in einer neuen Studie vertieft. Sie untersuchten zehn Bürogebäude und über 500 Mehrfamilienhäuser, die mit Wärmepumpen beheizt bzw. gekühlt werden (die Bürogebäude hatten in der Regel eine zusätzliche Gasheizung zur Deckung von Bedarfsspitzen). Die Überdimensionierung wurde ermittelt, indem die tatsächlich genutzte Heizleistung, ermittelt aus den Messdaten, mit der installierten bzw. geplanten Heizleistung verglichen wurde. Als Grundlage dienten Daten des Zürcher Stromversorgers EKZ, der die Gebäude als Contractor mit Energie beliefert, und des Genfer Energieversorgers SIG. Mit Simulationsrechnungen wurde zudem abgeschätzt, wie sich eine Überdimensionierung auf den elektrischen Bedarf der Wärmepumpen bzw. Kältemaschinen auswirkt, ebenso auf Lebenserwartung (Ein/Aus-Zyklen) und Wirtschaftlichkeit. Das BFE, Stadt und Kanton Zürich sowie der Kanton Basel-Stadt haben das Forschungsvorhaben mit dem Namen Optipower finanziell unterstützt.

Die Hälfte ist 40% überdimensioniert
Bezogen auf Mehrfamilienhäuser hat die Untersuchung die Erkenntnisse früherer Studien bestätigt. Die Leistung der Wärme- und Kälteerzeuger ist hier bezogen auf den Medianwert 40 % überdimensioniert, das heisst, bei der Hälfte der Gebäude liegt die Überdimensionierung über 40%, bei der anderen Hälfte darunter (vgl. Grafik 01). Deutlich stärker überdimensioniert waren die Wärmepumpen und Kältemaschinen von Bürogebäuden, nämlich um 100 bis 300 % (vgl. Grafik 02). «Gerade bei den Verwaltungsgebäuden geht die Überdimensionierung weit über das hinaus, was für eine zuverlässige Energieversorgung nötig ist», sagt Projektleiter Igor Bosshard vom Institut für Solartechnik an der OST.

Ineffizienter On-Off-Betrieb
Moderne Wärmepumpen und Kältemaschinen können dank Einsatz eines Wechselrichters (Inverter) ihren Output dem Bedarf anpassen. Dank der stufenlosen Inverterregelung können sie typischerweise 30 bis 100 % ihrer Nennleistung zur Verfügung stellen. Wird die 30-%-Grenze aber unterschritten, wie das bei einer stark überdimensionierten Anlage schnell der Fall sein kann, fällt diese in den On-Off-Betrieb. Dieser Betriebsmodus ist energetisch ineffizient (tiefere Jahresarbeitszahl) und führt wegen hoher Beanspruchung zu einer verkürzten Lebensdauer des Geräts: Schätzungen bezogen auf eine invertergeregelte Luft-Wasser-Wärmepumpe haben gezeigt, dass die in der Realität praktizierten Überdimensionierungen die Lebensdauer mitunter um 20 bis 40 % verkürzen und den Energieverbrauch mitunter um 30 % erhöhen. Fazit von Igor Bosshard: «Wenn alle Anlagen effizienter laufen, und seien es nur um einige Prozent, bringt das für die Schweiz doch einen erheblichen Effekt.»

Luft-Wasser Wärmepumpen fallen besonders häufig in den ineffizienten On-Off-Betrieb. Die Gründe dafür sind konstruktiver Art (starke Zunahme der Leistung bei höheren Aussenlufttemperaturen). Der Optipower-Schlussbericht kommt zu folgendem Schluss: «Speziell in diesen Fällen sollte eine sorgfältige und eher knappe Auslegung der Wärmepumpe erfolgen oder dank Kaskaden (mehrere Wärmepumpen) ein möglichst grosser Regelbereich geschaffen werden.»

Überdimensionierung geht ins Geld
Allerdings ist es nicht so, dass eine Überdimensionierung die Effizienz einer Wärmepumpe zwingend verschlechtert. Bei erdgekoppelten Sole-Wasser-Wärmepumpen kann die Effizienz bei Überdimensionierung sogar steigen. Der Grund: Überdimensionierte Sole-Wasser-Wärmepumpen haben ein grösseres Erdsondenfeld und liefern deshalb eine höhere Quellentemperatur.

Kehrseite höhere Kosten
Dieser Effizienzgewinn hat allerdings seine Kehrseite, nämlich höhere Kosten. Denn um eine grössere Leistung zu bekommen, muss das Sondenfeld aus physikalischen Gründen überproportional stark vergrössert werden – mit den entsprechenden Kostenfolgen (vgl. Grafik 04).

Was für Sole-Wasser-Wärmepumpen in ganz besonderem Mass gilt, gilt für Wärmepumpen ganz allgemein: Werden sie überdimensioniert, steigen die Investitionskosten, denn leistungsfähigere Anlagen sind teurer. Mit Blick auf die Investitionskosten ist eine Überdimensionierung daher immer zu vermeiden.

Diverse Gründe für die Überdimensionierung
Das Optipower-Team wollte im Rahmen des Projekts wissen, wie es zu diesen teilweise massiven Überdimensionierungen der Wärmepumpen und Kältemaschinen kommt. Um dies herauszufinden, unterzogen sie die Daten von drei Bürogebäuden einer Detailanalyse. Hierbei waren es bei Bürogebäuden vor allem zwei Faktoren, die bei der Planung zu einer Überschätzung des Energiebedarfs führen: Das eine ist der Bedarf für die Erwärmung von kalter Frischluft im Lüftungssystem, das andere der Kühlbedarf für Serverräume. Letzterer wird mitunter bis um einen Faktor 10 überschätzt.

Etwas schwieriger fiel den Forschenden die Ursachenforschung im Bereich der Wohngebäude. Tatsache ist, dass Gebäude mit dem gleichen Heizwärmebedarf von unterschiedlichen Planern mitunter mit Wärmepumpen sehr unterschiedlicher Leistung ausgerüstet werden. Woran das liegt, liess sich auch im Optipower-Projekt nicht abschliessend klären.

Empfehlungen für Heizungsplaner
Das Optipower-Team formuliert im Schlussbericht eine Reihe von Empfehlungen, um die Überdimensionierung von Wärmepumpen und Kälteanlagen auf ein sinnvolles Mass zu begrenzen und Ineffizienzen und Mehrkosten zu vermeiden. Relativ einfach ist der Vorschlag für Bürogebäude. Dort bieten die neue SIA-Norm SIA380/2:2022 und die darin vorgesehene dynamische Gebäudesimulation einen guten Hebel, wie die Forschenden im Schlussbericht schreiben. Werde diese Norm umgesetzt und die Heizleistung nicht durch unvorhergesehene Zuschläge erhöht, könne eine Überdimensionierung «verhindert oder wenigstens massiv reduziert werden». Eine dynamische Gebäudesimulation bringt zwar Mehrkosten, diese Kosten seien aber deutlich tiefer als die Folgekosten einer Überdimensionierung, betonen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

«Einfachen Plausibilisierungsmethode»
Um starke Überdimensionierung bei Mehrfamilienhäusern zu vermeiden, raten sie zu einer «einfachen Plausibilisierungsmethode», die im Projekt entwickelt wurde. Diese Methode besteht darin, dass sich der Planer oder die Planerin vor Augen hält, dass zwischen Heizwärmeverbrauch und der tatsächlich benötigen Leistung der Heizung ein linearer Zusammenhang besteht (vgl. Grafik 05). Hat ein Planer für ein bestimmtes Gebäude eine Heizung geplant, kann er mit dieser Grafik leicht überprüfen, ob die Heizung richtig dimensioniert ist: Dafür muss er nur den in den Gebäudedaten ausgewiesenen Wert des Heizwärmebedarfs nachschlagen; mit diesem Wert kann er aus der besagten Grafik ablesen, ob die Heizungsgrösse für dieses Haus angemessen ist.

Einschränkung des Komforts
Gemäss der Optipower-Studie gibt es gute Gründe, die Überdimensionierung von Heizungen und Kühlanlagen auf ein verträgliches Mass zu senken, und zwar bei Neubauten ebenso wie beim Heizungsersatz in Bestandsbauten. Projektleiter Igor Bosshard ist sich bewusst, dass dadurch in extremen Wettersituationen auch der Komfort der Bewohnerinnen und Bewohner tangiert sein könnte. Für ihn ist das aber kein stichhaltiges Argument: «Bei einer knappen Auslegung ohne Sicherheitszuschläge nimmt man vielleicht in Kauf, dass in einer sehr kalten Zeit mal für drei Tage nur bis auf 20 °C geheizt werden kann. Da so eine Situation vielleicht einmal in zehn Jahren auftritt, ist das aus unserer Sicht vertretbar.»

Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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