Champagne-Quartier in Biel: Hier versorgen seit 2018 zwei Grundwasser-Wärmepumpen ein Fernwärmenetz. Foto: CTA

Grafik 1: Von 229 Hauseigentümern und Hauseigentümerinnen haben laut einer 2021 durchgeführten Umfrage nur 18 % ihre Heizung von ‘fossil’ auf ‘erneuerbar’ umgestellt. Grafik: BFE-Schlussbericht MFH-Heizungsersatz

Dieses Drei-Familien-Haus im Berner Lorraine-Quartier wird seit der Sanierung in Jahr 2013 von einer Erdsonden-Wärmepumpe (13 kW) mit Heizwärme und Warmwasser versorgt. Foto: eicher+pauli

Die Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer, die ihre Heizungen in den rund 20 Jahren vor 2021 mit einer Heizung auf Basis von fossilen Energieträgern ersetzten, führten als Grund am häufigsten die Investitionskosten an. Grafik: BFE-Schlussbericht

Liegenschaft ‘Alte Schmitte’ in der solothurnischen Gemeinde Lohn-Ammansegg: Bei der jüngsten Sanierung wurden in die zwölf Wohnungen der Liegenschaft je eine Wärmepumpe eingebaut, die die Wärme eines gemeinsamen Erdsondenfeldes nutzen. Foto: CTA

Eigentümerinnen und Eigentümer von Mehrfamilienhäusern verzichten oft darauf, Kosten für energetische Sanierungen auf die Mieter umzulegen. In der Umfrage von 2023 nannten sie ihre Gründe. Grafik: BFE-Schlussbericht MFH-Heizungsersatz

Forschungsprojekt zum Heizungsersatz in Mehrfamilienhäusern: Bankberatung mit energetischem Zusatznutzen

(BV) Banken spielen bei der Immobilienfinanzierung eine zentrale Rolle. Bankberaterinnen und -berater kennen den Wert einer Immobilie, sie wissen Bescheid in Fragen der langfristigen Werterhaltung und -steigerung. Ein Forschungsprojekt ging nun der Frage nach, ob Bankberatungen genutzt werden können, um bei Privatpersonen, die Mehrfamilienhäuser besitzen, ein Umdenken in Richtung erneuerbarer Heizsysteme anzustossen. (Texte en français >>)


Der Ersatz einer Öl- oder Gasheizung beispielsweise durch eine Wärmepumpe – das ist eine technische und ökologische, aber auch eine finanzielle Frage. Braucht ein Gebäude eine neue Heizung, müssen alle drei Aspekte sorgfältig abgewogen werden. Wer eine umweltschonende Heizung anschaffen will, wird in vielen Fällen mit der Vertrauensperson bei der Hausbank besprechen, wie sich diese Anschaffung finanzieren lässt. Ein Forschungsprojekt hat nun den Spiess umgedreht: Es hat danach gefragt, ob Bankberatende einen Beitrag leisten könnten, um nachhaltige energetische Erneuerungen von Gebäuden voranzubringen.

Hinweis auf Sanierungsthematik
Die Motivation dieses Ansatzes ist, dass die Kundenberatenden regelmässig mit Eigentümern und Eigentümerinnen in Kontakt sind, nicht nur bei Kauf und Hypothekenerneuerung, sondern auch im Erbfall, bei der Nachlassplanung oder im Zuge einer Pensionierung. Diese Bankkontakte schaffen Gelegenheitsfenster, um das Thema Sanierung anzusprechen. Dadurch, so die Idee der Projektanten, könnten gerade auch jene Eigentümerinnen und Eigentümer auf die Sanierungsthematik hingewiesen werden, die sich mit dem Thema noch nicht ernsthaft befasst haben.

Fokus auf Mehrfamilienhäuser von Privatpersonen
Das Projekt wurde von einem sechsköpfigen Team des Beratungsbüros Interface Politikstudien umgesetzt, finanziell unterstützt vom Bundesamt für Energie und den Kantonen St. Gallen, Neuenburg, Luzern und Bern. Der inhaltliche Fokus wurde auf den Heizungsersatz in Mehrfamilienhäusern von Privatpersonen (also nicht von institutionellen Anlegern wie Pensionskassen und Versicherungen) gelegt. Zu dieser Kategorie zählen in der Schweiz nach Schätzung des Projektteams rund 157'000 Mehrfamilienhäuser mit etwa 1.1 Millionen Mietwohnungen. In diesem ansehnlichen Gebäudebestand sind viele fossile Heizungen in Betrieb, die Öl oder Gas verbrennen.

Umstieg bei Mehrfamilienhäusern schleppender
Die Umstellung dieser Heizungen auf elektrisch betriebene Wärmepumpen oder andere Heizsysteme, die vorwiegend oder ganz auf erneuerbaren Energieträgern beruhen, würde massgeblich zur Dekarbonisierung des Schweizer Gebäudeparks beitragen. «Bei Mehrfamilienhäusern erfolgt der Umstieg auf erneuerbare Energieträger zur Wärmeversorgung schleppender als bei den Einfamilienhäusern», erläutert Interface-Projektleiterin Meta Lehmann die Motivation des dreijährigen Forschungsprojekts, das vor kurzem abgeschlossen wurde.


Beratungsangebote
Das wichtigste landesweite Angebot für energetische Sanierungen ist die kostenlose Impulsberatung «erneuerbar heizen», erbracht durch Heizungsinstallateure, Planer und Planerinnen sowie Ingenieure und Ingenieurinnen, finanziert von EnergieSchweiz. Während sich die Impulsberatung auf das Heizsystem konzentriert, umfasst das GEAK-Plus-Angebot der Kantone (Gebäudeenergieausweis mit Beratungsbericht) alle Bereiche einer energetischen Sanierung. Viele Kantone, Städte und Gemeinden bieten darüber hinaus weitere Energieberatungen an, darunter der Kanton St. Gallen mit dem Beratungsangebot «Gebäudemodernisierung mit Konzept».


Beratungsgespräche kaum genutzt
Im Rahmen des Projekts wurde ein Beratungsangebot entwickelt, das auf private Eigentümerinnen und Eigentümer von Mehrfamilienhäusern zugeschnitten war. Es umfasste unter anderem einen Infoflyer mit den Beratungsangeboten zum Heizungsersatz und eine Onlineschulung für Bankangestellte. Entsprechend vorbereitet sollten die Kundenberatenden im Rahmen der üblichen Gespräche ihre Kundeninnen und Kunden motivieren, eine Sanierungsberatung in Anspruch zu nehmen. Es ging also nicht um eine direkte Beratung, sondern darum, auf bestehende Angebote hinzuweisen, insbesondere auf die von EnergieSchweiz landesweit kostenlos angebotene Impulsberatung «erneuerbar heizen». Nach Zustimmung wären Hauseigentümerinnen und Eigentümer von einem Energieberater oder einer Energieberaterin kontaktiert worden.

Deutlich unter den Erwartungen
Dieser Ansatz zur Förderung von ‘erneuerbaren’ Heizungen wurde im Jahr 2022 in sieben St. Galler Geschäftsstellen von Raiffeisenbanken und St. Galler Kantonalbank praktisch erprobt. 50 Bankberatende waren vorgängig entsprechend instruiert worden. Das Beratungskonzept wurde dann während zehn Monaten erprobt: In dieser Zeit wurden 25 Eigentümerinnen und Eigentümer von Mehrfamilienhäusern auf die kostenlosen oder stark subventionierten Beratungsangebote aufmerksam gemacht. Fünf Personen nahmen den Hinweis ihrer Bankberatenden tatsächlich zum Anlass, eine Beratung rund um den Heizungsersatz in Anspruch zu nehmen. Die Anzahl der Vermittlungsversuche blieb damit deutlich hinter den Erwartungen zurück.

Wissensaufbau nötig
Der innovative Beratungsansatz wurde also nicht wie erhofft angenommen. Zu den Gründen schreiben die Forscherinnen und Forscher im Abschlussbericht des Projekts: «Die Bankkundenberatenden sind mit den Themen Heizungsersatz und Gebäudeerneuerung noch wenig bekannt. Das erhöht die Hemmschwelle, die Kunden/-innen darauf anzusprechen. Bei den Bankkundenberatenden ist noch einiges an Wissensaufbau nötig, damit sie Energieberatungen vermitteln wollen und können.»

Zwei Umfragen zu Beratungsangeboten
Das Projektteam führte ergänzend zwei Onlinebefragungen bei Privatpersonen mit Eigentum bei Mehrfamilienhäusern durch. An der ersten Befragung 2021 nahmen 359 Eigentümerinnen und Eigentümer aus der Deutsch- und Westschweiz teil. 229 von ihnen hatten zum Zeitpunkt der Befragung die Öl- oder Gas-Heizung bereits ersetzt, allerdings hatten nur 18 % bei der Umstellung eine Heizung mit erneuerbaren Energieträgern gewählt (vgl. Grafik 01). Die Umfrage liess gleichzeitig darauf schliessen, dass die Umstellung auf ‘erneuerbare’ Heizungen tendenziell zunimmt. Begründet liegt dieser Trend vermutlich im Umstand, dass ein rein fossiler Heizungsersatz aufgrund neuer gesetzlicher Regelungen zunehmend schwierig ist (siehe. Textbox am Textende).

Impulsberatung «erneuerbar heizen»
An einer zweiten Umfrage zwei Jahre später beteiligten sich 744 Privateigentümerinnen und -eigentümer von Mehrfamilienhäusern. Sie hatten eine Impulsberatung «erneuerbar heizen» in Anspruch genommen oder in den Kantonen St. Gallen, Luzern oder Bern Fördergelder für einen Heizungsersatz bezogen. Hinzu kamen Personen aus dem Kanton Neuenburg, die vor kurzem ihre Heizung ersetzt hatten. Drei Hauptergebnisse:

  • Von jenen Befragten, die den Heizungsersatz schon abgeschlossen hatten oder konkret planten, entschieden sich 76 % für eine Heizung auf Basis von erneuerbaren Energieträgern. Dieser hohe Anteil war allerdings nicht eine Folge der Impulsberatung, wie die Studienautorinnen und -autoren im Schlussbericht festhalten: «Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Impulsberatung Personen, die ursprünglich eine Heizung mit fossilen Energieträgern geplant hatten, dazu bringt, auf ein System mit erneuerbaren Energieträgern umzusteigen. Die Ergebnisse müssen so interpretiert werden, dass die Impulsberatung hauptsächlich von Eigentümerschaften in Anspruch genommen wird, die bereits die Absicht haben, eine Heizung rein auf Basis von erneuerbaren Energieträgern zu installieren.»

  • Finanzielle Anreize wie Fördergelder oder Steuerabzüge führen teilweise zu einer Beschleunigung und einem grösseren Umfang von Ersatzmassnahmen, beeinflussen aber kaum die Wahl des Heizsystems. «Nur ein geringer Prozentsatz von 7 % bis 9 % der Befragten hätte ohne finanzielle Anreize entweder ein anderes Heizsystem gewählt oder auf weitere bauliche Massnahmen ganz verzichtet», konstatiert der Schlussbericht.

  • Nur 10 % der Vermieterinnen und Vermieter gab in der Umfrage an, nach dem Heizungsersatz die Mieten erhöht zu haben. Als Hauptgrund für den Verzicht auf eine Erhöhung wurde gesagt, dass man die Mieter und Mieterinnen nicht zusätzlich belasten wolle.

Hohe Mitnahmeeffekte
Zusammenfassend stellt der Schlussbericht der Impulsberatung und dem geltenden Angebot an finanziellen Anreizen ein gemischtes Zeugnis aus: «Die Impulsberatung bestärkt in erster Linie die Umsteigewilligen. Auch die Fördergelder unterstützen den Umstieg und führen beim Heizungsersatz insbesondere zu einer Beschleunigung. Die Mitnahmeeffekte sind jedoch beträchtlich. Insgesamt sind die untersuchten Massnahmen damit zwar wirksam, ihre Effektivität ist aber wegen der mangelnden Reichweite und der Mitnehmer noch stark verbesserungsfähig.»

Bankiervereinigung hat reagiert
Das Projektteam hat eine Reihe von Empfehlungen erarbeitet, wie sich der Heizungsersatz in Richtung erneuerbare Energien durch Information und Beratungsangebote fördern liesse. Darin halten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der ursprünglichen Idee fest, Bankberatungen zu nutzen, um energetische Sanierungen anzustossen. Denn die Schweizerische Bankiervereinigung hat das Anliegen unterdessen unabhängig vom Forschungsprojekt selbst aufgegriffen. Seit Anfang dieses Jahres ist eine Richtlinie in Kraft, mit der Bankberatende angehalten werden, Besitzerinnen und Besitzer von Einfamilien- und Ferienhäusern bei Hypothekargesprächen auf das Thema Energieeffizienz anzusprechen. Zwar läuft noch eine Übergangsfrist für die Anpassung der bankinternen Prozesse bis Ende Jahr, einzelne Banken würden die Richtlinie aber bereits umsetzen, insbesondere mit einer Sensibilisierung für Sanierungsmassnahmen und die Auswirkungen derselben auf den langfristigen Werterhalt der Immobilie, sagt Remo Kübler, Leiter Research & Immobilien bei der Bankiervereinigung. «Teilweise wird dabei auf Energieeffizienz- und Investitionskostenrechner zurückgegriffen. Ebenfalls gibt es Beispiele von Kooperationen mit lokalen und kantonalen Fachstellen und Energieanbietern.»

Banken bei der Weiterbildung unterstützen
Das Projektteam schlug im BFE-Schlussbericht vor, die öffentliche Hand könnte die Banken bei der Weiterbildung ihrer Beratenden unterstützen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler regten zudem neuartige Ansätze wie Tandems von Energieberatenden und Bankkundenberatenden oder Energieberatungen direkt in Bankfilialen an.


Druck auf Öl- und Gasheizungen
Im Zuge der Klimadebatte suchen viele Hauseigentümerinnen und -eigentümer aus freien Stücken nach Heizsystemen, die ganz oder teilweise erneuerbare Energien nutzen. Parallel dazu hat die Politik in den letzten Jahren Vorgaben für Heizungen in Neubauten und für den Heizungsersatz formuliert. In fast allen Kantonen dürfen Öl- und Gasheizungen nicht mehr 1 zu 1 durch eine fossile Heizung (also Öl oder Gas) ersetzt werden. In Kantonen mit Regelungen gemäss MuKEn2014 (Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich) müssen mindestens zehn Prozent der Wärme auf der Basis erneuerbarer Energieträger produziert werden. Im Kanton Basel-Stadt beispielsweise gilt eine Regelung, wonach die gesamte Wärme von Wohnbauten mit erneuerbaren Energien bereitgestellt werden muss.

Im Juni 2023 haben die Schweizer Stimmberechtigten das «Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit» angenommen. Als Folge stehen voraussichtlich ab 2025 zusätzliche Gelder für die Förderung des Heizungsersatzes zur Verfügung. Diese Mittel sollen insbesondere für den Ersatz von Elektroheizungen und für den Ersatz von fossilen Heizungen im mittleren und höheren Leistungsbereich eingesetzt werden.


©Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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