Pierre Fornallaz: Es geht nun um die rücksichts- und verantwortungsvolle Nutzung unerschöpflicher Quellen unter Beachtung aller andern Aufgaben, die diese Quellen auf unserer Erde erfüllen.

Pierre Fornallaz: verantwortungsbewusste Nutzung der Güter dieser Erde

(PF) Durch rücksichtslose Ausbeutung der Güter dieser Erde wird im heutigen Wirtschaftssystem sehr viel Geld gemacht. Ich möchte dieses aus ökologischen und sozialen Grünen unverantwortliche Handeln an einem Beispiel illustrieren, das seit Jahrzehnten in Politik und Medien besprochen wird, ohne dass die grundsätzlichen Fragen je zur Diskussion gestellt würden:


Es gibt kein Energi
eproblem
Kann es tatsächlich auf der Erde ein Energieproblem geben? Die Antwort ist klar: nein! Warum? Wir beuten viele Quellen erschöpflicher Energien aus und diese Erschöpflichkeit ist tatsächlich ein Problem. Uns steht aber auch eine für menschliche Massstäbe unerschöpfliche Energiequelle zur Verfügung: die Energie der Sonne, welche die Energiebedürfnisse der Menschheit um ein Vieltausendfaches übersteigt.

Falsche Rechnung mit Atomenergie
Seit Jahrzehnten wird mit der Energielücke gedroht, die es - aus wissenschaftlicher Sicht betrachtet - nie geben wird. Die Drohung verfolgt nur einen einzigen Zweck: Atomenergienutzung als unausweichlich hinzustellen, eine aus ökologischen und sozialen Gründen ganz auszuschliessende Lösung. Statt Probleme zu vermeiden, laden wir uns mit Atomenergie nicht zu bewältigende Zukunftsprobleme mit der Müllentsorgung auf. Atomenergie ist scheinbar billig, weil falsch gerechnet wird. Ihr künstlich erzeugter tiefer Preis verführt zu Energieverschwendung.


Erschöpfliche Quellen nie wirtschaftlich

Wie steht es mit dem Erdöl? Hier wird eifrig an der Peak Oel Problematik diskutiert. Die internationale Energieagentur (IEA) anerkennt zwar, dass der Ertrag aus den heute ausgebeuteten Ölfeldern bis 2035 sich drastisch vermindern wird, verspricht jedoch den Ausgleich dank den Feldern, die noch gefunden werden müssen. Darüber hinaus soll der prognostizierte Mehrbedarf durch wachsende Erdgasgewinnung gedeckt werden.

Das sind komplett überholte Betrachtungen. Aus der Sicht der Nachhaltigkeit müssen wir einfach festhalten, dass Erdöl und Erdgas wie auch Kohle für die Menschheit kostbare aber erschöpfliche Quellen sind, die im Hinblick auf die Bedürfnisse kommender Generationen geschont werden sollten. Ihre Erschöpflichkeit beweist auch, dass sie niemals „wirtschaftlich“ sein können.

Verbilligung Frage der Zeit
Im Gegensatz dazu ist die unerschöpfliche Energiequelle Sonne immer wirtschaftlich, wenn auch photovoltaische Anwendungen heute wesentlich teurer zu stehen kommen als die Nutzung längst abgeschriebener Wasserkraftwerke. Die Verbilligung ist nur eine Frage der Zeit, hat aber mit Wirtschaftlichkeit nichts zu tun.

Rücksichts- und verantwortungsvolle Nutzung
An die Nutzung der direkten Sonnenenergiestrahlung, wie auch an die Nutzung der indirekten Quellen Biomasse, Wind und Wasser müssen aber auch klare Grenzen gesetzt werden. Das wird in der heutigen Werbung häufig zu wenig beachtet. Es wird viel zu wenig von der Verantwortung gesprochen, die man mit der Nutzung erneuerbarer Energien übernehmen muss. Im Gegensatz zur heutigen Praxis der rücksichtslosen Ausbeutung erschöpflicher Ressourcen, geht es nun um die rücksichts- und verantwortungsvolle Nutzung unerschöpflicher Quellen unter Beachtung aller andern Aufgaben, die diese Quellen auf unserer Erde erfüllen.

Genügsamkeit
Sonnenenergienutzung bedingt in erster Linie Genügsamkeit. Wir müssen uns als Menschen ändern. Genügsamkeit heisst aber nicht Verzicht, sondern das Entdecken der Ganzheitlichkeit des Lebens, der Übergang vom Haben zum Sein, die Steigerung der Lebensqualität durch Deckung geistiger Bedürfnisse.

Sonnenenergienutzung bedingt auch effizienten Energieeinsatz, also Verzicht auf Verschwendung. Allein im schweizerischen Gebäudebereich besteht eine 90%ige Energieverschwendung. Wir werden also nie natürliche Landflächen mit Kollektoren abdecken müssen.

Wir müssen alle Sonnenenergiequellen verantwortlich nutzen. Allerdings haben wir uns in der Vergangenheit schon sehr oft rücksichtslos verhalten und sind auch bestraft worden.

Beispiel Waldnutzung
Ein Beispiel ist die Biomassenutzung durch Holzverbrennung, ein vieltausend Jahre altes Verfahren der Sonnenenergienutzung. Betrachten wir das historisch gut dokumentierte 19. Jahrhundert und die politisch sehr mühsam errungenen Forstgesetze. Wir werden feststellen müssen, dass die nachhaltige Waldbewirtschaftung, auf die wir heute stolz sind, durch Naturkatastrophen erzwungen wurde, die zahlreiche Todesopfer und riesige Schäden verursachten.

Die erste Hälfte des Jahrhunderts war durch zahlreiche Überschwemmungen, Lawinen, Sturmkatastrophen und Bergstürze gekennzeichnet. 1858 beauftragte deshalb der Bundesrat eine Kommission mit der Untersuchung der Hochgebirgswaldungen im Zusammenhang mit den wichtigsten Wasserläufen.

Drei Jahre später lieferte die von Prof. E. Landolt geleitete Kommission ihren Bericht ab. Ihre Schlussfolgerungen lauten: (Zitiert aus „100 Jahre Schutz des Waldes“, Eidg. Oberforstinspektorat, Bern 1976)

Der Zustand der Wälder und des Waldbodens hat einen grossen Einfluss auf den Wasserhaushalt. Gut gepflegte Wälder regulieren die Wasserführung von Bächen und Flüssen und vermindern die Überschwemmungsgefahr. Die Schutzwirkung der Wälder gegen Lawinen und Steinschlag hängt von ihrem Zustand ab. Übernutzte oder mit Kahlschlag bewirtschaftete Wälder haben keine Schutzwirkung mehr. Es ist unmöglich, die Wälder zu bewirtschaften, ohne sich um die Wiederverjüngung zu kümmern; sie müssen gepflegt, die Holzentnahme begrenzt werden. Kahlschläge und zu konzentrierte Nutzung beeinträchtigen zudem die Schönheit der Landschaft. Gewerbe und Industrie, die das Wasser als Energiequelle brauchen, sind auf eine regelmässige Wasserführung der Flüsse angewiesen.

Wälder, die den Wasserhaushalt der Flüsse regulieren können, sind deshalb eine Voraussetzung für die Entwicklung der Wirtschaft“.

Langes Warten auf Lösung
Was tat die Politik mit diesem Bericht? Vorerst passierte 7 Jahre lang überhaupt nichts. Im Jahre 1868 brachen neue Katastrophen über unser Land ein und forderten 50 Tote. Die nun beunruhigte Regierung setzte eine neue Kommission ein! Acht Jahre später wurde ein Verfassungsartikel vom Volk angenommen und 1874 stimmte die Bundesversammlung dem „Bundesgesetz betreffend die Oberaufsicht des Bundes über die Forstpolizei im Hochgebirge“ zu. Es dauerte noch 26 Jahre bis 1902 die Beschränkung auf das Hochgebirge gestrichen werden konnte und auch Mittelland und Jura dem schweizerischen Forstgesetz unterstellt wurden.

Zusammenfassend stellen wir also fest, dass es fast ein halbes Jahrhundert brauchte, um der rücksichtslosen Übernutzung des Waldes, einem indirekten Produkt der Sonnenenergie, Einhalt zu gebieten.

Beispiel Wasserkraft
Ein weiteres indirektes Produkt der Sonnenenergie ist die Wasserkraft. Die Schweiz ist sehr stolz auf ihre Elektrizitätsproduktion dank dieser unerschöpflichen Quelle. Ist diese Quelle aber immer rücksichts- und verantwortungsvoll genutzt worden? Diese Frage muss leider mit „nein“ beantwortet worden. Viele Gewässer werden übernutzt. Die vorgeschriebenen Restwassermengen sind ungenügend, vielfach werden die gesetzlichen Vorschriften nicht eingehalten. Die Schweizerische Greina-Stiftung kämpft seit Jahren für die Erhaltung der letzten frei fliessenden alpinen Gewässer und für die dringende nachhaltige Sanierung der 15 800 km Fliessgewässer ein.

Windkraft nicht vernachlässigen
Das dritte indirekte Produkt der Sonnenenergie ist die Windkraft. Sie hat verglichen mit der Wasserkraft in der Schweiz nur geringe Bedeutung, aber sie hat auch ihre Eigenschaften und sollte als unerschöpfliche Energiequelle nicht vernachlässigt werden. Die tausenden Hochspannungsmasten, die nur dazu dienen zentral produzierten Strom aus nicht nachhaltigen Quellen dezentral zu verteilen, stellen eine wesentlich grössere Landschaftsbeeinträchtigung dar, als ein paar Hunderte majestätisch drehende Windkraftwerke, die dezentral Strom für die regionalen Bedürfnisse liefern. Selbstverständlich wird man auch hier verantwortungsbewusst handeln müssen.

Ich schliesse damit diese Betrachtung. Wir werden niemals ein Energieproblem haben, weil unserem Planet eine unerschöpfliche Quelle zur Verfügung steht. Wir müssen aber diese Quelle nicht missbrauchen, um viel Geld auf Kosten der Natur zu machen, sondern sie rücksichtsvoll und verantwortlich nutzen.

Pierre Fornallaz, Mitbegründer der Stiftung für angepasste Technologie und Sozialökologie SATS, Trägerstiftung der Ökozentrum Langenbruck, und Mitbegründer der Schweizerischen Vereinigung für Sonnenenergie SSES

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1 Kommentare

Spicher Mathias

Sehr gut auf den Punkt gebracht und von der wissenschaftlichen Seite her betrachtet!

Ich hoffe viele Leute lassen sich durch diesen Artikel bei den Diskussionen über die "Stom-Lücke" inspirieren.

Spicher Mathias.
GL der www.ecogas.ch

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