Claudia Kammann gab einen Überblick über den Stand der Forschung sowie Anwendungs- und künftige Entwicklungsfelder. Zum Einsatz der Kohle in der Landwirtschaft fasste sie Erkenntnisse aus weltweit 26 Metastudien zusammen. Bild: C. Dany

Die Tagung des Fachverbands Pflanzenkohle e.V. stand unter dem Motto „Alles ausser Holz“. Den Hintergrund zum Fokus bildeten die Ausweitung erlaubter Eingangsstoffe in den aktualisierten EU-Vorschriften für Düngeprodukte

Den Abschluss der Tagung bildete eine Exkursion zur neuen Karbonisierungsanlage des Kompostwerks Darmstadt, die jährlich 4000 Tonnen Grünschnitt zu Pflanzenkohle verarbeitet. Bild: Christian Dany

Internationale Tagung Fachverband Pflanzenkohle: Kohle aus Abfall - alternative Einsatzstoffen unter dem Motto „Alles ausser Holz“

(CD) Als Bodenverbesserer und als Negativemissions-Technologie gewinnt Pflanzenkohle zunehmend an Bedeutung. Die Produktionskapazitäten in Europa steigen rasant. Folgerichtig befasste sich eine internationale Tagung des Fachverbands Pflanzenkohle mit alternativen Einsatzstoffen unter dem Motto „Alles ausser Holz“ – von Reisspelzen über Reststoffe aus Schlachthöfen und Klärschlamm bis Maisstroh und Kakaobohnenschalen.


Maisstroh, Biogas-Gärrest und Steinobstkerne. Reisspelzen, Kaffeeholz und Kakaobohnenschalen – aus all diesen Reststoffen lässt sich in Pyrolyseverfahren Pflanzenkohle herstellen. Die Kohle kann ein vorzüglicher Bodenverbesserer in der Landwirtschaft und im Gartenbau sein. Es gibt aber noch weitere vielversprechende Anwendungen. Das Besondere: Durch die stoffliche Nutzung wird langfristig Kohlenstoff gespeichert. Weil dieser zuvor als CO2 der Atmosphäre entzogen wurde, ist die Pyrolyse mit anschliessender Kohlenstoffspeicherung als eine klimawirksame Negativemissions-Technologie einzustufen.

Ausweitung erlaubter Eingangsstoffe
Das alles erfuhren die 250 Teilnehmer der internationalen Tagung des Fachverbands Pflanzenkohle e.V., die online oder vor Ort in Darmstadt dabei waren. Die Tagung stand unter dem Motto „Alles ausser Holz“. Den Hintergrund zum Fokus auf die Eingangsstoffe für die Pyrolyse bildeten die Ausweitung erlaubter Eingangsstoffe in den aktualisierten EU-Vorschriften für Düngeprodukte (Verordnung 2019/1009) und auch das Thema Biomassekonkurrenz.

Erkenntnisse aus weltweit 26 Metastudien
In ihrem Leitvortrag gab Claudia Kammann einen Überblick über den Stand der Forschung sowie Anwendungs- und künftige Entwicklungsfelder von Pflanzenkohle. Zum Einsatz der Kohle in der Landwirtschaft fasste sie Erkenntnisse aus weltweit 26 Metastudien zusammen: Positive respektive steigernde Effekte hätten bei den Ernteerträgen, der Photosynthese-Rate, der Wassereffizienz, der Wurzelbiomasse und -länge, beim organischen Bodenkohlenstoff und verfügbaren Phosphor festgestellt werden können. Die „negativen“ Ausschläge seien natürlich auch positiv zu bewerten: weniger Nitratauswaschung und Lachgasemissionen sowie geringere Schwermetallgehalte in der Pflanzenbiomasse. „Eine Annäherung zur Langzeitstabilität von Pflanzenkohle lässt sich aus dem H:C-Verhältnis (Wasserstoff zu Kohlenstoff) ablesen“, sagte die Professorin der Hochschule Geisenheim bei Wiesbaden. Je höher die Pyrolysetemperatur, desto höher sei der C-Gehalt und desto langzeitstabiler die Kohle.

„Humusverzinsungseffekt“
Die Frage nach einem „Humusverzinsungseffekt“ könne Kammann zufolge erst nach circa zehn Jahren beantwortet werden. Darunter zu verstehen sei, ob die Anwendung von Pflanzenkohle zu einer Steigerung des Kohlenstoffgehalts im Boden über die eingebrachte Menge hinaus führt. In einem Forschungsprojekt in den USA habe nach sechs Jahren fast eine Verdoppelung der eingebrachten Kohlenstoffmenge festgestellt werden können. Auch die Wasserinfiltration habe sich hier durch die Pflanzenkohle verbessert. Australische Forscher hätten jetzt herausgefunden, dass mit Pflanzenkohle Wurzelausscheidungen nicht so schnell abgebaut werden: „Geschützt in Mikroaggregaten und Mineralfraktionen werden sie zurückgehalten und Mikroben werden im Umgang mit Kohlenstoff effizienter, was zu einer verringerten Mineralisierung von organischem Boden-Kohlenstoff führt.“

Nutzung als Plastikersatz und Baumaterial
Dann gewährte Kammann einen kurzen Einblick in die Möglichkeiten, Pflanzenkohle als Plastikersatz und als Baumaterial zu nutzen. Als Betonzuschlagstoff gebe es mittlerweile rund zehn Jahre Erfahrung. In Stockholm sorge ein mit Pflanzenkohle angereichertes Substrat für besser gedeihende und vor allem trockenresistentere Strassenbäume. Auch wenn Pflanzenkohle unter den – zumeist im gross-industriellen Massstab angewandten – Negativemissions-Technologien nur den Status eines „Underdogs“ habe, sei jetzt ein deutlicher Aufschwung zu spüren: „Wir sehen einen grossen Zuwachs an Pflanzenkohle-Produktionskapazität in Europa“, sagte sie. Während die Kapazität in 2014 erst weniger als 5000 t/a betrug, lag sie 2021 bei 35‘000 t und für 2023 werden schon 100‘000 t erwartet!

Mit Know-how Kapazität ausweiten
Ein lebendiges Beispiel für die Ausweitung der Pflanzenkohleproduktion lieferte Gerald Dunst aus Österreich. Dunst ist Inhaber der Firma Sonnenerde GmbH, die rund 7 Mio. Euro in eine neue Pyrolyseanlage investiert. Im Endausbau soll die Anlage 2100 t Pflanzenkohle im Jahr herstellen. Die Bauarbeiten begannen gerade erst im Oktober 2022. In die Gesamtanlage zur Verwertung von 6000 t/a Siebresten aus der Kompostierung und Strauchschnitt ist auch eine Klärschlammtrocknung integriert. Dunst betreibt ein Erdenwerk und seit 2012 eine Verkohlungsanlage. Wie er berichtete, habe er mit dieser im Lauf der Zeit viele Versuche mit den verschiedensten Materialien durchgeführt. Ausserdem werde die Kohle mit unterschiedlichen Verfahren behandelt, um bestimmte Eigenschaften der jeweiligen Erde zu erhalten: „Wir haben uns ein sehr umfangreiches Know-how über Pflanzenkohle angeeignet“, sagte er und hob hervor, dass die Schwierigkeit darin bestehe, aus der Kohle Produkte zu entwickeln und diese zu vermarkten.

Reststoffe aus Schlachthöfen zu Kohle pyrolysieren
Dass auch tierische Reststoffe aus Schlachthöfen zu Kohle pyrolysiert werden können, zeigte Gerhard Soja, ebenfalls aus Österreich. Primäres Ziel sei hier nicht die Kohlenstoff-Bindung, sondern ein Nährstoff-Recycling, vor allem von Phosphor. „Phosphor-Gehalte von 12-14 % bei Rinderknochen unterstreichen die Eignung für Düngezwecke“, sagte der Forscher der Universität für Bodenkultur aus Wien. In Frage komme lebens- und futtermitteltaugliches „Kategorie-III-Material“ mit geringem Risiko in Bezug auf Krankheitserreger. Die Wiener Forscher behandelten die flüssigen Schlachtabfälle mit anaerober Vergärung und die Feststoffe in einem Pyrolysereaktor, um sie zu einem für die Landwirtschaft geeigneten Düngemittel machen und dadurch den Mineraldünger-Einsatz an Stickstoff und Phosphor reduzieren zu können. Die Biogas-Gärreste werden zusätzlich noch einer Membran-Destillation zur Ammonium-Anreicherung unterzogen. Bei den Pyrolyse-Versuchen stellte sich heraus, dass – im Gegensatz zu pflanzlichem Material – die Kohlenstoff-Verluste bei niedriger Prozesstemperatur geringer seien. Auch der Anteil von leicht verfügbarem Phosphor sei bei niedriger Pyrolyse-Temperatur höher. „Die Behandlung des Materials ist viel schwieriger als bei pflanzlicher Biomasse“, gestand Soja.

Aus Holzabfällen und kompostiertem Klärschlamm
An eine noch heiklere Ressource wagten sich Forscher in Israel und Finnland: Klärschlamm. In Israel wird aus Holzabfällen und kompostiertem Klärschlamm das Pflanzenkohle-Substrat Compochar hergestellt. „Die meisten erdelosen Substrate sind natürliche, nicht-erneuerbare Ressourcen, die Umweltschädigungen verursachen“, sagte Nadav Ziv von der Earth Biochar Ltd. Compochar habe Torfeigenschaften. Das erdenlose Kultursubstrat verfüge über Makro- und Mikro-Elemente und biete ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wasserhaltevermögen, Drainage und Belüftung. Von der Umweltbehörde der Region Helsinki wurde bei der Suche nach einer zukunftsträchtigen und nachhaltigen Behandlungsmethode für Klärschlamm die Pyrolyse als beste Variante gefunden. Christoph Gareis präsentierte Ergebnisse, vor allem zu den Prozessparametern, des einjährigen Betriebs einer Pilotanlage.

Kreislauf-Design aus Biogas-Gärrest und Pflanzenkohle
Einen Schwerpunkt der Tagung bildeten Reststoffe aus der Landwirtschaft. Matthias Plöchl von der B3 Projektbetreuung GmbH stellte ein Projekt in Brandenburg vor, bei dem eine alternative Einstreuvariante für Milchviehställe entwickelt wird. Auf einem Agrarbetrieb wird Pflanzenkohle durch Pyrolyse von Biogas-Gärrest, der auf 80 % Trockensubstanz-Gehalt getrocknet wird, und Restholz hergestellt. Die Kohle soll Stroheinstreu teilweise ersetzen und die Stallluft von Ammoniak entlasten. Der mit Pflanzenkohle versetzte Stallmist wird in der Biogasanlage eingesetzt, später als Wirtschaftsdünger ausgebracht und soll somit die Bodeneigenschaften verbessern.

Pyrolyse von Maisstroh
Über die Pyrolyse von Maisstroh berichtete Robert Brown von der Iowa State University in den USA. Am dortigen Bioökonomie-Institut sei ein Schnellpyrolyse-Verfahren entwickelt worden, mit dem mindestens drei Produkte hergestellt werden können: Neben der Kohle erzeugt die Pyrolyse auch eine dicke, viskose Flüssigkeit, oft als Bioöl bezeichnet. Laut Brown sei es bereits gelungen, das Öl in einen Bio-Asphalt umzuwandeln, der für den Bau eines Radwegs zugemischt worden sei. Ziel sei es jedoch, aus dem Bioöl einen erneuerbaren Kraftstoff als Dieselersatz zu raffinieren. Als drittes Produkt könne aus den Polysacchariden im Einsatzstoff unraffinierter Zucker ausgeschleust werden, der sich zu Ethanol und weiteren Chemieprodukten weiterverarbeiten lasse. Das Entwicklungsteam gewann im Wettbewerb X-Prize Carbon Removal, der durch die Stiftung des Tesla-Gründers Elon Musk finanziert wird, eine Anschubförderung von einer Million US-Dollar zum Bau eines Pyrolyseurs im Demonstrationsmassstab.

Pyrolyse von Reisspelzen
Mit Reisspelzen hatte Berta Moya von der Carbonfuture GmbH aus Freiburg ein weltweit bedeutendes Abfallaufkommen im Auge: Jährlich fallen in den Reisanbauländern, vor allem in Süd- und Ostasien, 150 Mio. t Reisspelzen an. Moya präsentierte ein Finanzierungskonzept, um aus diesem Reststoff Pflanzenkohle zu erzeugen. Dieses basiert auf Kohlenstoffsenken-Zertifikaten und einem Überwachungssystem vom Produzenten bis zum Nutzer der Kohle als „Senkenerrichter“.

Pflanzenkohle aus Kakaobohnenschalen
Pflanzenkohle aus Kakaobohnenschalen stellt die Circular Carbon GmbH her und das direkt auf dem Gelände eines Kakaoproduzenten in Hamburg. Wie Felix Ertl schilderte, erzeugt die Anlage neben 3500 t/a Kohle auch 16‘500 Megawattstunden Dampf, der wiederum zur Kakaoherstellung genutzt wird und fossile Energie ersetzt. Das Konzept von Circular Carbon sieht vor, Pyrolyseanlagen direkt am Abfallentstehungsort zu bauen, wobei das 2018 gegründete Unternehmen die Anlagen nicht nur projektiert und baut, sondern auch betreibt. Reststoffe aller Art können im „Circular Store“ – einer Online-Vermarktungsplattform – angeboten und gekauft werden. Christoph Strom stellte das Projekt der Landhandelsfirma Schierbecker vor. Neben dem Onlineshop widmen sich die Mitarbeiter des Circular Stores auch der Entwicklung innovativer Produkte aus Reststoffen.

Text: Christian Dany

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