Die Stromproduktion des Kraftwerks Giessbach (im Bild rechts) und der vier Trinkwasserkraftwerke decken mehr als 30 Prozent des Stromverbrauchs der Gemeinde Brienz. Bild: Anita Niederhäusern

Brienz: 25 % Strom aus Kleinwasserkraft

(©AN) Zwölf Jahr ist es her, dass die Brienzer Gemeindeversammlung dem Kauf und der Sanierung des Kleinwasserkraftwerks Giessbach zustimmten: Ein weiser Entscheid, denn das Kraftwerk liefert rund 25 bis 30 Prozent des Stromverbrauchs der Gemeinde.


Es gibt kaum ein Kleinwasserkraftwerk, das nicht auch ein Stück Geschichte zu erzählen hat, so auch des Kleinwasserkraftwerk Giessbach: Die Maschinengruppe des alten Kraftwerks produzierte für die Kraftwerke Oberhasli (KWO) bereits ab1930 während der rund 15-jährigen Bauzeit des Kraftwerks Handegg als Bauversorgungsmaschine Strom. Eigentlich waren die Kraftwerkskomponenten danach für ein anders Kleinwasserkraftwerk bestimmt, da der Käufer jedoch Konkurs ging, blieben sie ungenutzt. Um das Hotel Giessbach und die dazu gehörende Drahtseilbahn mit Strom zu versorgen, bauten die Herren Fritz und Erwin Frey 1949 das Kraftwerk Giessbach, am Fusse der Giessbachfälle, an den Ufern des Brienzersee, wo die Maschinengruppe dann zum Einsatz kam und bis 2004 verlässlich Strom produzierte. Das stolze Hotel Giessbach mit dem brausenden Wasserfall in unmittelbarer Nähe ist auch heute noch ein Touristenmagnet.

Gemeinde
Brienz kauft Kraftwerk
Die Elektrowerke Reichenbach Frey Frey & Co AG, die eine Konzession von 1949 bis 1997 erhielt, beantragte vor deren Ablauf eine neue Konzession. Doch auch die Gemeinde Brienz, am oberen Ufer des Brienzersees und schräg über den See gegenüber den Giessbachfällen gelegen, stellte ein Konzessionsgesuch. Die Besitzer des Kraftwerks nahmen darauf Verhandlungen mit der Gemeinde auf und einigten sich über den Verkauf des Kraftwerks. An einer Urnenabstimmung genehmigte 1999 die Bevölkerung mit 567 Ja zu 268 Nein den Betrag von 2,6 Millionen Franken zum Erwerb und der Sanierung des Kraftwerks, dessen Konzession die Gemeinde erhielt. Rückblickend ein Glücksfall, denn vor der Einführung der Kostendeckenden Einspeisevergütung 2009 wurden Kleinwasserkraftwerke zu Höchstpreisen gehandelt, was den Kaufpreis des Kraftwerks wohl in Höhen getrieben hätte, die die finanziellen Möglichkeiten der Brienzer überstiegen hätten

Brand und Neubau
Am 5. Mai 2004 zerstörte ein Brand die ganzen technischen Einrichtungen in der Zentrale. Unverzüglich wurde die Planung der neuen Anlage schneller als geplant vorangetrieben und bereits im Mai 2005 konnte die neue vertikalachsige, dreidüsige Peletonturbine nach einer Rekordbauzeit in Betrieb genommen werden. Sie wurde ins unversehrte, 1949 erbaute Kraftwerksgebäude eingebaut, das gleich neben der Schiffsstation Giessbach liegt. „Mit der Erneuerung der Anlage wurde auch das Kühlsystem geändert, so dass nicht mehr so viel Lärm nach draussen dringt. Vor der Erneuerung hörten wir je nach Wetterverhältnissen in Brienz drüben manchmal, ob die Turbinen liefen oder nicht“, erinnert sich Fritz Laternser, Betriebsleiter der Gemeindebetriebe von Brienz.

Langwieriges Verfahren zur Erneuerung der Druckleitung

Am 25. September 2005 bewilligten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger einen neuen Kredit für die Auswechslung der 80-jährigen Druckleitung. Geplant war auch eine Vergrösserung des Durchmessers von 300 auf 400 mm. Was mit dem Kauf und der Erneuerung des Werks so gut angefangen hatte, wurde zum Juristenfutter: Eine Einsprache, die verschiedene gerichtliche Instanzen zum Teil zweimal durchlief, verzögerte den Bau der neuen Druckleitung um fünf Jahre. Im Winter 2010/11 konnte diese dann endlich ersetzt werden. „Durch die mehrheitliche Erdverlegung der vorher zum grössten Teil offen verlegten Leitung wurden die Landschaft optisch aufgewertet und die Gefahren einer Beschädigung durch umfallende Bäume und Steinschlag stark vermindert. Zudem wurde die Wirtschaftlichkeit verbessert“, erklärt Fritz Laternser.

Höhere Restwassermengen

Bei der Erneuerung des Kleinwasserkraftwerks Giessbach wurde, wie fast immer bei Sanierungen von bestehenden Anlagen, auch die Restwassermenge deutlich erhöht: Betrug sie früher im Sommer und Winter 20 Liter pro Sekunde, sind es heute zwischen Mai und Juni 200, von Juli bis Oktober 180 und von November bis April 60 Liter pro Sekunde, also eine deutliche Verbesserung. Trotzdem liefert das neue Werk in einem durchschnittlichen hydrologischen Jahr rund 20% mehr Strom als das alte. Der Strom wird übrigens nicht im Rahmen der Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) verkauft: „Das Wasserkraftwerk versorgt die Gemeinde Brienz. Hätten wir ihn für die KEV angemeldet, käme der Wasserstrom nicht mehr unseren Bürgerinnen und Bürgern zugute“, erklärt Fritz Laternser.

Vier  Trinkwasserkraftwerke

Die Gemeindebetriebe, die noch drei weitere Kleinwasserkraftwerke betreiben, sind übrigens noch eigenständig im Besitz der Einwohnergemeinde Brienz. „Am 22. Oktober weihten wir unser viertes Trinkwasserkraftwerk, das Kraftwerk Gampeli ein“, freut sich Fritz Laternser, Betriebsleiter Gemeinde Betriebe Brienz. Insgesamt verfügen die Kraftwerke – das älteste wurde 1994 gebaut – über eine Leistung von 130 kW und produzieren jährlich durchschnittlich 710‘000 Kilowattstunden Strom, das entspricht dem Verbrauch von rund 160 Haushalten. Rechnet man die Stromproduktion des Kraftwerks Giessbach dazu, deckt die Gemeinde mehr als 30 Prozent des Stromverbrauchs mit Strom aus der Kleinwasserkraft.

Technische Daten Kraftwerk Giessbach

Baujahr

1949

Erneuerung

2004

Turbinentyp

Vertikalachsige, dreidüsige Peltonturbine

Ersatz Druckleitung

2011

Höhe Wasserfassung

923.74 m ü. M.

Höhe Zentrale (Laufradachse)

566.80 m ü. M.

Bruttofallhöhe

356 m

Konzessionierte Wassermenge

300 l/s

max. Leistung

1000 kW

Jahresproduktion

ca. 5‘300‘000 kWh

Deckt Bedarf Gemeinde Brienz

Zu ca. 25–30 %


©Text und Bild: Anita Niederhäusern

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