„Es gibt in England eine witzige Bestimmung, die festhält, dass der Anlagebesitzer die Förderung auch für den selbst verbrauchten Strom erhält.“ Helge Hartwig (rechts) im Gespräch mit einem Kunden. ©Bild. Anita Niederhäusern

Ernst Schweizer: Der Markt will Photovoltaik, das Herz schlägt auch für dieThermie

(©AN) „Wir sind von den ersten Tagen an der Intersolar positiv überrascht“, erklärt Helge Hartwig, Leiter Verkauf und Technik PV-Montagesysteme von Schweizer. Ein Standgespräch am dritten Messetag, an dem er auch über den englischen Markt berichtet.


Herr Hartwig, heute ist der dritte Messetag, wie läuft’s am Stand der Ernst Schweizer, Metallbau?

Es läuft sehr gut, wir sind angenehm überrascht über den Besucherandrang und die Kontakte, die sich am Mittwoch und Donnerstag ergeben haben. Heute ist Freitag, und es scheint mir, als liesse der Andrang etwas nach. Die Messe ist etwas kleiner geworden, die Zahl der Besucher ist aber nach meinem Gefühl nicht in gleichem Masse zurückgegangen.

Die Messeleitung hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahl von letztem Jahr von 40‘000 Besuchern zu halten. Sie geht davon aus, dass aufgrund des weltweiten Photovoltaikbooms mehr internationales Publikum anreist. Können Sie das bestätigen?
Nun, für mich stellt sich die Frage, ob München für ein internationales Publikum noch angesagt ist. Wäre dafür der richtige Ort nicht eher in Asien? Insbesondere die grossen Player, die sich für nur eine Messe entscheiden, haben sich auch schon im letzten Jahr für Messen in Asien oder Nordamerika entschieden.

Ich bin ich gespannt, ob es noch weitere Verschiebungen gibt. Ich stelle einfach fest, dass es relativ wenige asiatische Besucher gibt. Es sind jedoch Europäer aus fast allen Ländern angereist, so dass die Messe europäischer geworden ist. Und natürlich ist der Anteil an Deutschen aufgrund des Standorts hoch. Für mich ist es auch eine gute Erfahrung zu sehen, dass es nach dem Boom und dem Rückgang immer noch so viele Menschen gibt, die sich für das Thema interessieren und dieses auch voranbringen.

Das heisst, die Messe ist für Sie genau das, was Sie suchen, denn Sie suchen ja nicht das asiatische Publikum?
Genau, denn wir konzentrieren uns auf Europa. Es gibt im Moment keine strategischen Entscheide, sich über den europäischen Raum hinaus auszudehnen. Schweizer hat aber auf jeden Fall Ambitionen, vermehrt in ganz Europa tätig zu sein.

Ich habe gehört, dass Sie mit dem Montagesystem von Hilti, das Sie zugekauft haben, in UK sehr gut unterwegs sind.
Der englische Markt ist ja einer, der im Moment stabil läuft und sogar ein wenig wächst. Er hat sehr interessante Rahmenbedingungen und wir haben mit unserem Mitarbeiter Martyn Johnson die ideale Person, weil er englische Wurzeln hat. Da er nun die ehemaligen Hilti-Kunden vor Ort pflegt, haben wir auch dementsprechend viele Engländer hier am Stand. Was für uns als Firma natürlich noch spannend ist, ist die Frage, wie wir den Markt noch verstärkt bearbeiten können. Da sind wir gerade dabei, weitere Entscheidungen zu treffen.

Ich habe gehört, dass die Förderung für UK-Haushalte gar nicht so interessant sei, aber dass sie in Kombination mit Speichern interessant wird.
Es ist in der Tat so, dass die Förderung relativ gering ist. Aber die Hausbesitzer dürfen ihren Strom auch selber verbrauchen, so dass man zusätzlich spart. Wenn eine Kilowattstunde 13 Eurocent kostet, und ich 8 Eurocent Förderung erhalte, habe ich ja 21 Cent gewonnen. Dann gibt es auch noch eine witzige Bestimmung, dass der Anlagebesitzer die Förderung auch für den selbst verbrauchten Strom erhält. Der Zähler ist also an der Anlage und ich erhalte für die gesamte Produktion die Einspeisevergütung.

Dann wird also viel Strom gespeichert?
Über Strom-Speicher läuft es in der Regel erst, wenn zu viel Strom vorhanden ist, so dass es die Energieversorger stört. Soweit ist man in England noch nicht. Während in England die Solarstromspeicherung nur ein Nebenthema ist, muss man sich in Deutschland schon damit auseinandersetzen: Installiere ich einen Speicher? In welchem Umfang ist das für mich langfristig eine Lösung?

Ich habe gehört, in England würden indes die Warmwasserboiler als Speicher genutzt. Stimmt das?
Genau, das ist der Trend in England: Wer zu viel Strom hat, der heizt damit den Boiler und hat so auch noch Warmwasser. Die Heizspirale, die im Boiler das Warmwasser bereitet, wird „immersion heater“ genannt. Und das kleine Gerät, das dann entscheidet, dass der Strom, der nicht im Haus verbraucht wird, nicht ins Netz eingespiesen wird, sondern das Warmwasser im Elektroboiler heizt, heisst „immersion dump“, so dass in England dank der Photovoltaik das Verb „immersion dumping“ entstanden ist. Was so viel heisst, wie Strom im Elektroboiler speichern.

Und das ergibt neue Möglichkeiten für Ernst Schweizer?
Nun, das gibt insgesamt gute Randbedingungen für die PV, im Einfamilienhausbereich läuft in England schon sehr viel. Einerseits waren wir mit Solrif im englischen Markt schon gut unterwegs, hier haben wir einen grossen Kunden und dieses Segment ist eher im Wachstum begriffen. Mit unserem Montagesystem MSP-PR können wir unseren Kunden jetzt ein Aufdachmontagesystem für Steildächer bieten, das vom Markt gut akzeptiert wird. Da gibt es aber noch viel Konkurrenz, weil sich die Systeme ähneln. Was meiner Einschätzung nach sehr gut zum Zuge kommen wird, ist das System für die Ost-West Ausrichtung MSP-FR-EW, mit dem man auf Flachdächern mehr Solaranlagen bauen kann.

Warum ist gerade dieses Montagesystem sehr beliebt?
Die Installateure wollen möglichst viele Module verbauen, das haben sie bis anhin in den Freiflächenanlagen gemacht. 60% in UK waren bis anhin Freiflächenanlagen, da wird nun der Geldhahn etwas zugedreht. Die Anlagen müssen jetzt unter 5 Megawatt sein, und waren davor häufig auch grösser. Nun suchen die Installateure natürlich einen Ersatz dafür, und da bieten sich Flachdächer an. Da ist ja auch das, was in Deutschland passiert. Dort werden jetzt viel mehr Gewerbedächer mit Solaranlagen für den Eigenverbrauch ausgestattet werden, 50 bis mehrere 100 kW.

Was spricht sonst noch für Ost-West-Montagesysteme?
Für Ost-West entscheidet man sich in der Regel, weil man 30 % mehr Leistung ohne gegenseitige Verschattung der Module bei nur ca. 10 % weniger Ertrag auf das Dach bringen kann . Auch wenn es aufgrund der Südausrichtung schon zu viel Solarstrom am Mittag gibt, was in Deutschland zum Teil bereits der Fall ist. Denn dann gibt es Konflikte mit den Energieversorgern und dann wird darum gerungen, wie viel ich einspeisen darf, nur noch 90% oder gar nur 70% meines Stroms. Diese Problematik gibt es in England ja noch nicht. Aber wir sind der Meinung, dass in England in Kürze dasselbe Problem auftreten könnte. So sind wir natürlich mit der Ost-West-Montage auf der sicheren Seite, das erklären wir auch unseren Kunden.

Stehen Gewerbekunden mit dem Eigenverbrauch nicht generell besser da als Privatkunden?
Doch, aber es kommt auch auf die Strombezugspreise an die für Gewerbe und Privatkunden unterschiedlich sind. In England wird das Gewerbe noch nicht ausdrücklich zum Eigenverbrauch angehalten. In der Regel ist das aber die bessere Option.

Und das Herz schlägt bei Schweizer trotzdem noch für Solarthermie?
Das kann man für Ernst Schweizer mit Sicherheit so sagen, weil sie sich seit über 35 Jahren für die Solarthermie engagiert und im grossen Stil Kollektoren produziert. Seit 15 Jahren ist auch die Photovoltaik dabei, aber in einem kleineren Umfang. Also schlägt das Herz sicher für die Solarthermie. Allerdings kommt die Thermie infolge der grossen Kostenreduktion der Photovoltaik stark unter Druck, die in der Kombination mit Wärmepumpen oder dem „immersion dumping“ - wie jetzt in England - neue Modelle bietet.

Wird es in der Schweiz denn auch plötzlich PV-Anlagebesitzer geben, die ihren Überschuss im Elektroboiler speichern?
Das ist nicht auszuschliessen. Im Moment macht man’s ja noch über Wärmepumpen, weil das eigentlich ja noch sinnvoller ist, denn so wird der Strom noch zusätzlich veredelt. Ich denke, dass das Schweizer Herz noch etwas kritischer, ökologisch sensibler ist. Und die Kombination von Wärmepumpe und Photovoltaik ist in der Schweiz heute ja schon sehr verbreitet. Aber Fakt ist, dass die Thermie dank der Möglichkeit mit Photovoltaik Strom und Wärme zu produzieren, stark unter Druck kommt, und das spüren wir als Unternehmen.

Meine ganz persönliche Meinung ist, dass die Thermie auch eine Lösung sein kann, um der ganzen politischen Diskussion um die Einspeisevergütung, sprich gibt es Geld oder nicht, aus dem Weg zu gehen. Ich nehme einfach einen Teil der Fläche und mache Thermie drauf, und dann habe ich das ganze Theater nicht. In Deutschland wurde ja das, was die „Rüeblisteuer“ genannt wird, eingeführt: Ich muss als Produzent für jede Kilowattstunde, die ich selber verbrauche, eine Abgabe leisten.

Aber dann brauchen Sie auch einen Speicher
Es kann schon sein, dass ich bereits einen Boiler mit einem Solarregister habe, wenn einer mit Solarregister eingebaut werden muss, wird’s aufwändig. Auch sonst ist Thermie etwas komplizierter einzubauen. Aber einer Besteuerung des Eigenverbrauchs gehe ich sicher aus dem Weg. Die Attraktivität der Photovoltaik bleibt aber bestehen.

Schweizer muss also mit diesem Spagat leben?
Einerseits schon, aber ich stelle persönlich fest, dass in der Schweiz noch Platz ist für beide Technologien. Da sind die Schweizer etwas anders gepolt als die Deutschen, die sagen, das ist die Lösung und dann rennen alle in eine Richtung.

Ich habe mich schon vor 20 Jahren gefragt, warum die beiden Technologien so unterschiedlich wahrgenommen werden: Die einen sind absolut Solarthermiefans, die anderen begeistern sich für Photovoltaik. Für die einen scheint das etwas Kompliziertere, die Halbleitertechnologie, interessant und die anderen lehnen die Photovoltaik ab, weil sie sagen, warum kompliziert, wenn es mit Thermie so einfach ist, Solarenergie zu ernten. Das ist natürlich stark vereinfacht und eher so ein Gefühl.

Also eine alte Diskussion?
Genau, aber bei der Thermie ist die Technologie der Kollektoren weitgehendst ausgereizt. Obwohl beim Energiemanagement noch viel Verbesserungspotenzial besteht. Doch bei der Photovoltaik sind durch bessere Verschaltung, reinere Zellen, neue Zellentechnologie noch Effizienzsprünge möglich und für Wissenschaftler interessant.

Weitere e-news.ch Interviews zur Intersolar Europa

©Text: Anita Niederhäusern, leitende Redaktorin ee-news.ch

0 Kommentare

Kommentar hinzufügen

Top

Gelesen
|
Kommentiert