Dr. Matthias Fawer, Sustainable Investment, Bank Sarasin: "Vor dem Hintergrund der globalen Ereignisse in den vergangenen Jahren muss man sich Fragen stellen, ob sich Investoren über die richtigen Dinge Sorgen machen."

Zusätzliches Potenzial an Solar- und Windinstallationen nach der Nuklearkrise in Japan Grafik: Sarasin

Risikokategorien bei konventionellen Energieträgern Grafik: Bloomberg New Energie Finance, Sarasin

Zehn Jahre erneuerbare Energien – ein Überblick Grafik: Clean Edge, Sarasin

Boomende Investitionen in Erneuerbare Energien – die verfehlte Risikobeurteilung konventioneller Energieträger

(MF) Eine verfehlte Risikobeurteilung konventioneller Energieträger hat bis heute die Investitionen in eine falsche Richtung gelenkt. Neueste Ereignisse führen zu einer Neubewertung und einer umfassenderen Abwägung von Kosten und Nutzen. Dadurch werden verstärkt Investitionen in erneuerbare Energien getätigt.


Wie oft haben wir institutionelle Investoren gehört, wie sie erklären, dass die politischen Risiken ein wichtiger Grund seien, nicht in erneuerbare Energien zu investieren. Dies beruht vor allem auf den aktuellen Anpassungen von Einspeisevergütung in verschiedenen Ländern wie etwa Italien, Deutschland und Frankreich. Vor dem Hintergrund der globalen Ereignisse in den vergangenen Jahren muss man sich Fragen stellen, ob sich Investoren über die richtigen Dinge Sorgen machen.

  • Vor einem Jahr ereignete sich die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko, welche den Aktienkurs des Ölmultis BP halbierte, bevor er sich nun bei rund -25% seitwärts bewegt.
  • Im Januar dieses Jahres hat sich in Tunesien ein Gemüsehändler aus Protest gegen die Regierung auf der Strasse selbst in Brand gesetzt und damit eine Welle von unvorhersehbaren Revolutionen in den arabischen und nordafrikanischen Staaten, wo 40% der weltweiten Öl- und Gaslieferungen herkommen, entfacht.
  • Am 11. März wurde Japan von einem 1000-jährigen Erdbeben getroffen, welches zu einer Kernschmelze im Fukushima Nuklearkomplex führte.

 

Dies sind nur drei Beispiele von Ereignissen im Zusammenhang mit konventionellen Energieträgern. Gar nicht zu sprechen von den alltäglichen Unfällen in Kohlebergwerken, Explosionen bei Pipelines und in Ölraffinerien sowie der allgemeinen Luft- und Wasserverschmutzung durch konventionelle Energieträger.

Es scheint also eher so, dass Investoren die Risiken im konventionellen Energiesektor in hohem Masse unterschätzen oder falsch bewerten. Im Folgenden möchte ich kurz auf diese unterschätzten oder falsch bewerteten Risiken etwas näher eingehen:

Sehr hohe Schadenssummen
Die eingangs erwähnten Energiekatastrophen haben sehr hohe Schadenssummen verursacht. Der Ölunfall letztes Jahr könnte BP rund 40 Mia US-Dollar kosten. Die letzten Schadenszahlen, welche ich aus Japan gehört habe lagen bei 130 Mia. US-Dollar und dies sind sicherlich noch nicht die endgültigen Zahlen. Die Folgekosten des Tschernobyl-Unglücks sollen übrigens bei rund 240 Mrd US-Dollar liegen.

Die hohe Schadenssumme bei einem nuklearen Super GAU – zwar gekoppelt mit einer vermeintlich geringen Eintretenswahrscheinlichkeit – ist der Grund dafür, dass es die Versicherungsbranche seit jeher abgelehnt hat, Atomkraftwerke zu versichern. Es sei nicht verantwortbar, solche Risiken als Versicherer einzugehen, sagen Vertreter der Versicherungsindustrie. Wie hoch die Versicherungsprämie dafür angesetzt werden müsse, lasse sich mit den gängigen Modellen gar nicht berechnen. Wären Atomkraftwerke vom Gesetzgeber verpflichtet, den vollen Haftpflichtschutz zu bezahlen, so würde sich die Wettbewerbsfähigkeit der Kernenergie markant verschlechtern. Die Bank Sarasin hat übrigens seit Anbeginn ihrer Aktivitäten in der nachhaltigen Vermögensverwaltung vor zwanzig Jahren die Kernenergie konsequent ausgeschlossen.

Verteuerung der konventionellen Energieträgern
Neue Ereignisse im Zusammenhang mit der Förderung von Schiefergasen wie etwa die starke Grundwasserverschmutzung und hohe Methangasemissionen sowie Umweltschäden bei stillgelegten Uran- und Kohleminen durch aggressives, giftiges teilweise radioaktives Wasser sogenanntes „Acid water“, welches in den leeren Kavernen hochsteigt, können in Zukunft zusätzliche Kosten verursachen und die konventionellen Energieträger weiter verteuern.

Beeinflussung der Energierohstoffpreise
Diese Risiken beeinflussen ganz klar die zukünftigen Energierohstoffpreise für ein Gas-, Kohle- oder Kernkraftwerk. Und dies wurde bis heute ganz klar viel zuwenig in den Investitionsentscheidungsprozess einbezogen. Werden hierzu noch Überlegungen der peak-oil Theorie berücksichtigt, so können die Brennstoffpreise eigentlich längerfristig nur steigen. Aufgrund dieser Unsicherheiten macht es umso mehr Sinn verstärkt in erneuerbare Technologien wie Wind und Sonne zu investieren. Hier mag zwar die Anfangsinvestition etwas höher liegen, doch über die Betriebszeit einer Wind- oder Solaranlage gibt es keine Brennstoffkosten mehr. Hierzu ist es wichtig zu verstehen, dass die Baukosten von einem energierohstofffreien Produktionspark wie bspw. eine Wind- oder Solaranlage höher sein dürfen als die eines uran- und fossil betriebenen Kraftwerksparks. Hier ist nur ein Vergleich der Lebenskosten inkl. Brennstoff-, Unterhaltskosten, Rückbau und Kapitalkosten zulässig. Eine solch umfassende Beurteilung wäre mit der Methode des Nettobarwertes möglich. Doch die wird leider oft nicht angewendet.

Risikokategorie Kernenergie
Die nächste Risikokategorie der Kostenüberschreitung gilt speziell für die Kernenergie. Dies war auch schon vor Fukushima der Fall und wird sich dadurch nur noch verschärfen. Strengere Bauvorschriften und höhere Sicherheitsstandards ziehen die Realisierung neuer AKWs deutlich in die Länge. Dies hat vor allem Auswirkungen auf die Baukosten. Im vor sechs Jahren begonnen Kernkraftwerk Olkiluoto in Finnland stiegen die anfänglich geplanten Baukosten von EUR 3 Mrd. auf gegen EUR 6 Mrd. Dadurch verteuern sich die Kosten pro Kilowattstunde Atomstrom um fast 50%. Ganz aktuell hat der grösste amerikanische Energieversorger „NRG Energy“ den Bau von zwei Kernkraftwerken in Texas eingestellt. Grund: „Wir können das unseren Aktionären gegenüber einfach nicht mehr verantworten“, sagt David Crane Chef von NRG Energy. Dies sei eine Entscheidung der Vernunft. Der grösste Kernkraftwerksbetreiber in den ÙSA Exelon schätzt, dass sich die Kosten für ein neues Atomkraftwerk zwischen 2008 und 2010 glatt verdoppelt hätten.

Politische Umwälzungen
Die momentanen politischen Unruhen, bzw. Umwälzungen im Mittleren Osten und in Afrika haben uns alle überrascht. Eine Lektion für den Energiesektor sollte jedoch sein, dass ein kostengünstiger Brennstofflieferant wie beispielsweise Libyen sehr schnell zu einem sehr unsicheren Lieferant werden kann, sollte sich gewisse politische Strukturen ändern.

Obwohl die Klimaverhandlungen in Kopenhagen und Cancun in den vergangenen Jahren keine riesigen Fortschritte bezüglich eines globalen CO2-Handels erreichten, sind steigende Preise für CO2-Zertifikate schon heute eine Realität. Bloomberg New Energy Finance geht von einem CO2-Preis von 44 Euro in 2020 aus. Heute liegt er bei 16 Euro.

Risiken der erneuerbaren Energien
Wenn wir uns nun die neuen erneuerbaren Energien genauer anschauen ist es schwierig ähnlich grosse katastrophale Gefahren zu sehen. Klar, diese Technologien sind auch nicht risikofrei, Turbinenblätter sind schon beschädigt worden oder Dächer unter der Last von Solarmodulen zusammengebrochen. Wir erinnern uns auch noch an das Erdbeben nach der Geothermiebohrung in Basel. Auch ein Stausee kann bersten und Gebiete verwüsten. Generell sind die Risiken der erneuerbaren Energien jedoch sehr lokal und limitiert in der Auswirkung. Viele dieser operationellen und finanziellen Risiken sind mittlerweile sehr gut untersucht worden und entsprechende Korrekturen wurden vorgenommen.

Werden die eingangs erwähnten sechs Risiken der konventionellen Energieträger wie Katastrophen, Umweltschäden, Preisvolatilität, Kostenüberschreitung, Liefersicherheit und Klima erst einmal vollständig in den Entscheidungsprozess für zukünftige Investitionsentscheide einbezogen, sind wir überzeugt, dass Finanzinstitute, Energieversorger und Politiker ganz andere Energieinvestitionen auswählen werden.

In Deutschland spricht man mittlerweile davon, dass der politisch forcierte Atomausstieg sich ökonomisch auszahlt. Die Bedeutung der CleanTech Industrie wird stark wachsen, so dass die Branche den klassischen Fahrzeug- und Maschinenbau 2020 überflügelt hat.

Erneuerbare Energien werden kostengünstiger
In den vergangenen zehn Jahren haben die erneuerbaren Energien einen eindrücklichen Leistungsausweis vorzulegen. Der globale Photovoltaikmarkt wuchs in dieser Zeit von einer jährlich installierten PV-Leistung von 200 MW im Jahr 2000 auf 15‘000 MW im vergangenen Jahr. Dies entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 53 Prozent. Im selben Zeitraum stieg die jährlich installierte Windenergiekapazität von 4 500 MW auf 38 400 MW. Dies ist ein Durchschnittswachstum von 24 Prozent p.a. Gleichzeitig konnten auch die Installationskosten drastisch gesenkt werden. Gerade die oft als zu teuer kritisierte Photovoltaik konnte innerhalb von zehn Jahren die Kosten mehr als halbieren. Alle erneuerbaren Technologien zeigen diesen einheitlich positiven Trend.

Neues Energieszenario – die Zeit der erneuerbaren Energien ist da
Es gibt verschiedenste Treiber für eine rasche Wende hin zu erneuerbaren Energien: Klimawandel, Energieunabhängigkeit, nationale Wertschöpfung, schrumpfende fossile Ressourcen und nun noch die Nuklearkrise. Der gesellschaftliche Druck auf die Politik die Rahmenbedingungen für eine saubere Energieversorgung zu verbessern ist momentan enorm hoch. Basierend auf einem Szenario, welches die sukzessive Abschaltung aller Atomanlagen mit 30 Jahren und älter sowie eine Verzögerung von in Bau befindlichen oder geplanten neuen AKWs beinhaltet, könnte für die Erneuerbaren bis 2020 ein zusätzliches Potenzial von 500 GW entstehen. Gegenüber unserer jüngsten PV- und Windprognose ergäbe dies über die gesamte Periode rund 30% zusätzliche Neuinstallationen

Atomkraftwerke mit Lauf- und Abschreibungszeiten von 50 - 60 Jahren binden Kapital und blockieren Markt und Entwicklung der Energieeffizienz und Erneuerbaren für die nächsten zwei Generationen.

Für die Gesamt-Wirtschaftlichkeit ist die Symbiose von Energieeffizienz und Erneuerbare entscheidend.

Text: Dr. Matthias Fawer, Sustainable Investment, Bank Sarasin, Vortrag gehalten anlässlic der AEE-Medienkonferenz vom 3. Mai 2011

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2 Kommentare

Solarblitz Bath

Fehlt nur noch die Rechnung, wie viel Energie man mit einer Investition in Höhe der Schadenssummer der Kernkraft erzeugen könnte: Japan ca. 100 Mrd €
Bei einer Investition in dieser Grössenordnung in Photovoltaik kann man von max 1.5€/W ausgehen: 66Mrd W = 66 GW Nennleistung
1W installierter Leistung erzeugt ca. 1KWh im Jahr, also 66GWp erzeugen 66 TWh (Terawatt/h)
Das entspricht der Leistung von etwa 10 GW AKW.

Anders gerechnet:
Wikipedia/Kernkraft/Zukunft "Nach einer Studie von Moody's liegen die Investitionskosten neuer Kernkraftwerke bei bis zu 4.900 €/kW"
Bei 5Mrd/GW Nennleistung könnte man mit 100Mrd€ 20 Atomkraftwerksblöcke bauen.

Bei beide Rechnungen fehlen die Betriebs und Entsorgungskosten der Kernkraft.

Nun ist noch zu berücksichtigen, dass die Schäden sowohl in Tschernobyl als auch in Japan vergelichsweise gering sind. Ein GAU im dichtbesiedelten Westeuropa würde ein vielfaches der Schadenssummer verursachen.

Man kann also mit Recht sagen, dass Bau, Betrieb, Entsorgung + 1 Gau in Europa Kosten verursachen, für deren Gegenwert ein grosser Teil unsere Energieversorgung durch EE sicher gestellt werden könnte.

Grüsse

Ambrosius Theis

Ein guter Artikel, wovon man leider zu wenige findet.

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