David Thiel (rechst): "Die Beteiligung am Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance, für das wir uns vor drei Jahren entschieden haben, würde ich heute nicht mehr machen. Ich investiere nur noch in subventionierte Energien!“

Eric Nussbaumer: „Global zeigt alles in die Richtung des Umbaus mit mehr Energieeffizienz und mehr erneuerbarer Energie. Da kann auch eine politische Mehrheit in unserem Zwergenland nichts ausrichten.“ ©Bild: AEE Suisse

Jaqueline Badran: "Strom gehört gemäss HSG zu den Gemeingütern. Wir können Strom nicht einfach behandeln wie Turnschuhe!“ ©Bild: AEE Suisse

Daniel Büchel (rechts) unterstreicht: „Die guten alten Zeiten für die Wasser- und Atomkraft kehren nicht mehr zurück. Der Wandel wird so oder so stattfinden, mit oder ohne Schweizer Unternehmen.“ ©Bild: AEE Suisse

AEE Suisse Kongress: Damoklesschwert über Energiestrategie 2050

(©AN/EN) „Das Parlament wird die Energiestrategie mit 101 Neinstimmen abschmettern“, zeigte sich Jacqueline Badran an der Podiumsdiskussion anlässlich des AEE Suisse Kongresses vom 13. November in Basel überzeugt. Die Abstimmung im neuen, mehrheitlich bürgerlichen Parlament schwebt wie ein Damoklesschwert über dem Kongress.


Eigentlich sollte am jährlich stattfindenden Kongress der AEE Suisse das Referendum gegen die Energiestrategie 2050 im Mittelpunkt stehen. Doch nach den Nationalrats- und Ständeratswahlen hat sich die Diskussion um eine Etappe vorverschoben: Wird das neue, bürgerlich dominierte Parlament die Energiestrategie abschmettern? Prof. Andreas Ladner, IDEHAP, drückte es dezidierter aus: « Ich habe mich auf Smartvote schlau gemacht und dann gerechnet: Wenn alle Gewählten ihr Wahlversprechen halten, werden insgesamt 130 Parlamentarierinnen und Parlamentarier gegen die Energiestrategie 2050 stimmen.“ Frank Rutschmann, Leiter Sektion Erneuerbare Energien beim Bundesamt für Energien (BFE), weist darauf hin, dass die Energiestrategie in der Bevölkerung fast ausschliesslich mit dem Atomausstieg verbunden wird: „Sie ist aber in erster Linie eine Effizienzstrategie. Sollte die Energiestrategie fallen, wäre das auch sehr bedauerlich für Effizienz-Massnahmen im Rahmen der Energiestrategie wie Smart Metering, die Regelung Energieverbrauch im Mehrfamilienhaus und vieles mehr. Ein Nein würde auch für all diese Lösungen das Aus bedeuten. Die SVP sagt immer, der Atomausstieg soll vors Volk. Also sollen sie bei der Abstimmung im Parlament über die Energiestrategie mit Ja stimmen und dann in einem Referendum das Volk abstimmen lassen.“

Gemeinden bleiben auf Kurs
Für Michael Bützer vom Schweizerischer Gemeindeverband würde sich mit einem Nein zur Energiestrategie 2050 nicht viel ändern: „Viele Gemeinden und Städte sind im Rahmen des Labels Energiestadt bereits sehr auf erneuerbare Energien, Energieeffizienz und nachhaltige Mobilität getrimmt. Wir würden unseren Weg auch nach einem Nein zur Energiestrategie im Parlament weitergehen.“ Diese Projekte hätten auch einen raumplanerischen Rahmen und die Investitionen, die in die Mobilität und die Gebäude fliessen, seien längerfristig angelegt und könnten nicht von heute auf morgen gekippt werden. Auch Ronny Kaufmann von Swisspower erklärt: „Energieprojekte unterliegen einem internationalen regulatorischen Wettbewerb. Wir als Energieunternehmen investieren dort, wo die regulatorischen Bedingungen gut sind. Wenn das Parlament nein zur Energiestrategie 2050 sagt, müssen wir entscheiden, ob es noch sinnvoll ist, in der Schweiz zu investieren.“ In den Gemeinden und Städten werde aber im Bereich erneuerbare Energien schon sehr viel getan: „Und die Eigentümerstrukturen in Gemeinden und Städten bleiben auch dann bestehen, wenn das Parlament nein zur Energiestrategie sagt.“

Strom nicht gleichsetzen mit Turnschuhen
Jaqueline Badran setzte sich vehement für die KEV-Tarife ein: „Die KEV als Subvention zu verteufeln, ist falsch, denn es geht hier um ein Instrument, das Investitionssicherheit bietet, zu vergleichen mit den garantierten Abnahmepreisen in der Pharmabranche. Und die argumentiert: Gäbe es keine garantierten Abnahmepreise, könnte sie keine Forschung mehr betreiben.“ Die SP-Nationalrätin zieht auch die Berufliche Vorsorge BVG als Vergleich heran. Hier hätten die Pensionskassen garantierte Gewinnmargen von 10 %. Badran äusserte sich dezidiert: „Die KEV als Subvention zu betiteln, ist ein Nerv-Fakor erster Güte!“ Zudem gehört Strom gemäss HSG zu den Gemeingütern: „Da gilt 100%ige Versorgungssicherheit. Wir können Strom nicht einfach behandeln wie Turnschuhe!“

Energiestrategie trotz Frankenstärke

Vermehrt wurden in den letzten Monaten Stimmen laut, die einen Marschhalt fordern. Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank beflügelte die Gegner der Energiestrategie 2050. Sie behaupten, dass die geplante Energiewende „made in Switzerland“ eine unnötige Zusatzbelastung für die Wirtschaft sei und dass man dieses Projekt stoppen müsse. Wer so argumentiert, handelt kurzsichtig und schadet dem Wirtschaftsstandort Schweiz. Denn die neue Energie- und Klimapolitik ist auch ein Wirtschaftsprogramm zur richtigen Zeit, weil es den Binnenmarkt stimuliert und Tausende von Arbeitsplätzen sichert. Zudem garantiert es der Schweiz längerfristig eine hochmoderne, effiziente und nachhaltige Energieinfrastruktur. Die Frankenstärke ist kein Grund, die Energiestrategie 2050 zu stoppen, sondern sie liefert eine (kosten)günstige Ausgangslage für ein verstärktes Vorantreiben.

Die guten alten Zeiten kehren nicht zurück
Zurzeit befindet sich die Energiestrategie-Vorlage in der Umwelt- und Energie Kommission des Nationalrats, kurz UREK N, in der Differenzbereinigung: „Sie wird wohl in der Frühlingssession vom Nationalrat behandelt,“ erklärte Daniel Büchel, Vizedirektor des Bundesamts für Energie.“ Danach werde die Vorlage im Sommer oder Herbst von beiden Räten verabschiedet. „Anschliessend gibt es eine Referendumsfrist von 100 Tagen.“ Wie schwer es die Vorlage aber im Parlament haben werde, sei vom Resultat der Differenzbereinigung abhängig. Doch noch entscheidender sei, dass immer mehr Organisationen erkennen würden, dass die Energiewende einfach komme: „Auch wenn das einige grosse Verbände eventuell nicht so sehen“, erklärt Daniel Büchel. „Wichtig ist, dass die beiden Räte einen Schritt aufeinander zugehen. Die 2.3 Rp. für die KEV sind zwar schon beschlossen, geben aber immer noch viel Diskussionsstoff her.“ Ob der Ausstieg aus der KEV ins Gesetz geschrieben werde, sei einer der heiklen Punkte, genauso wie das Langbetriebsgesetz der AKW oder die Art und Weise, wie die bestehenden Wasserkraftwerke eingebunden werden sollen. Büchel unterstreicht jedoch: „Die guten alten Zeiten für die Wasser- und Atomkraft kehren nicht mehr zurück. Der Wandel wird so oder so stattfinden, mit oder ohne Schweizer Unternehmen. Wir brauchen die geeigneten Rahmenbedingungen, damit auch unsere Unternehmen auf dem globalen Markt mitspielen können.“ Büchel erinnert daran, dass die Schweiz nicht nur das Problem der AKW lösen müsse, sondern auch ihre Abhängigkeit von den fossilen Energien: „Die fossilen Energien können wir nicht mehr Hunderte von Jahren verbrennen, also braucht es langfristige Ziele!“


Wasserkraft im Schwitzkasten der tiefen Strompreisen
„Wir haben zum Glück nie in AKW investiert“, äusserte sich David Thiel, CEO der IWB, zu den historisch tiefen Strompreisen, die konventionelle Kraftwerksleistung aus dem Markt drücken. Er wies darauf hin, dass die IWB bereits um 1900 den Strom in Batterien gespeichert habe. „Erst danach ging man im Zuge der Bevölkerungszunahme über zu den grossen, zentralen Kraftwerken wie die Grimselkraftwerke, die Grande Dixence und die Rheinkraftwerke“, fügte er an. Die IWB ist an diesen grossen Kraftwerken beteiligt. „Es ist also nicht neu, dass neue Technologien die Welt verändern. Neu ist, dass immer günstigere dezentrale Speicherung die zentrale Produktion in Frage stellt. Das Schlimmste, was uns als IWB passieren kann, ist, dass die Kunden uns nicht mehr brauchen .“

Insbesondere die grossen Wasserkraftwerke seien stark unter Druck, da sie Konzessionsdauern von bis zu 80 Jahren hätten und in der Regel auch noch nicht abgeschrieben seien. „Wir haben Kraftwerke, die sehr weit abgeschrieben sind, andere dagegen kaum. Die Beteiligung am Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance, für das wir uns vor drei Jahren entschieden haben, würde ich heute nicht mehr machen. Ich investiere nur noch in subventionierte Energien!“ Thiel erklärt, dass die Preissenkung an der Strombörse um 50 % der Wasserkraft an die Substanz gehe: „Der Markt wird geflutet, Pumpspeicher werden abgestellt, weil es viel zu viel Strom gibt. Jeder Mechanismus zur Speicherung wird damit überflüssig.“ So werde zum Beispiel eine Investition in die Sanierung einer Staumauer auf dem Grimsel, die einen Riss aufweist, nicht getätigt, weil sie zu teuer sei. „Wir haben uns entschieden, den Seespiegel abzusenken, denn die Investition kann nicht amortisiert werden.“

D
en richtigen Plan zur richtigen Zeit
Stefan Bazli, Geschäftsführer der AEE Suisse zur Energiestrategie 2050: „Viele Branchenverbände und Unternehmungen beurteilen die Energiestrategie 2050 heute genau gleich. Sie sind bereit, ihre Positionen auch in einer allfälligen Abstimmung gegenüber der Schweizer Bevölkerung aktiv zu vertreten.“ Unter dem Dach „Schweizer Wirtschaft für die Energiestrategie 2050“ setzen sie sich für eine Energiepolitik ein, die auf den Schweizer Werten und Errungenschaften aufbaut, auf einen sorgsamen Umgang mit Ressourcen achtet, Investitionen und Innovation fördert und so das Land als Wirtschaftsstandort und Denkplatz stärkt. Stefan Bazli: „Auf den Punkt gebracht lautet unsere Botschaft: Die Energiestrategie 2050 liefert den richtigen Plan zur richtigen Zeit, sie schafft Investitionssicherheit und sie ist deshalb gut für die Schweiz und gut für die Schweizer Wirtschaft.“

©Text: Anita Niederhäusern


Zwegenland Schweiz

Am 18. Oktober hat die Schweiz gewählt. Das Resultat wurde diskutiert und interpretiert. So manches Medium hielt fest, dass die Energiewende es nun schwerer haben werde. Einige spekulieren sogar, es könnte zum Totalabsturz kommen. Wo stehen wir wirklich? Wo steht die Energiewende und wie wird es weitergehen? Hier ein Auszug aus dem Einstiegsreferat von Eric Nussbaumer, Nationalrat und Präsident der AEE Suisse, anlässlich des Kongresses:

  1. Natürlich ist die politische Mehrheitsbildung entscheidend für die Geschwindigkeit und für die Verlässlichkeit des ganzen Prozesses. Dennoch können auch politische Mehrheiten ein paar grundlegende Fakten nicht beseitigen: Klimawandel, das Risikopotential der Atomenergie und die Kosten der fossilen Abhängigkeit können auch politische Mehrheiten nicht umdrehen. Die Fakten für die Energiewende sprechen Jahr für Jahr mehr gegen die Bremser, die jetzt anscheinend das Sagen haben sollen.

  2. Ein politischer Prozess ist nie mit einer Wahl entschieden. Das wissen wir Schweizerinnen und Schweizer am Besten. Genau so wenig, wie es in der Europafrage für unser Land nur noch eine Abstimmung braucht und dann ist alles geregelt, genau so wenig wird die Energiezukunft mit einer Wahl oder einer Abstimmung geregelt. Die Energiestrategie 2050 ist eine Jahrhundertaufgabe, 3-4 Jahrzehnte für dieses ein Teilziel, zusammengefasst in der Energiestrategie 2050. Aber das ganze Jahrhundert brauchen wir für den Umbau auf 100 % erneuerbar. Es ist gut, wenn wir politische Prozesse immer auch im längerfristigen Bogen sehen und uns nicht einreden, es sei jetzt alles nicht mehr möglich. Global zeigt alles in die Richtung des Umbaus mit mehr Energieeffizienz und mehr erneuerbarer Energie. Da kann auch eine politische Mehrheit in unserem Zwergenland nichts ausrichten.

  3. Dranbleiben ist denn auch die richtige Antwort. Dranbleiben ist die einzige Antwort, die man sich als Unternehmerin und als Unternehmer gibt, wenn neue Herausforderungen anstehen. Anfangs Jahr wurden wir alle mit dem Frankenschock konfrontiert. Im Oktober war es das politische Ergebnis. Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber ich erkenne nur eine Antwort: Dranbleiben. DRANBLEIBEN! Deshalb hat die AEE SUISSE anfangs Jahr die Initiative ergriffen und die „Schweizer Wirtschaft für die ES2050“ ins Leben gerufen. Die Bewegung ist gut gestartet und sie wächst. Alle dürfen mitmachen. Economiesuisse will die Energiewende nicht. Die konstruktiven Kräfte der Schweizer Wirtschaft halten dagegen. Am Schluss entscheidet möglicherweise der Stimmbürger. Wir müssen schon heute die Schweizer Bevölkerung für dieses Jahrhundertprojekt begeistern.

  4. Und dann noch dies: Die Energiewende ist definitiv nicht nur ein politisches Projekt. Denn sie passiert bereits. Täglich werden Schritte getan in die richtige Richtung. Das werden wir auch an diesem Tag wieder feststellen können. Die Energiewende wird gebaut, entwickelt, erforscht. In den Städten, Gemeinden und in den Unternehmen. Für viele Unternehmen ist Abwarten und Zuschauen schon lange keine Option mehr. Dafür danke ich Ihnen herzlich, denn sie alle schaffen damit Versorgungsstabilität und sorgen auch dafür, dass Arbeitsplätze jenseits der fossilen Abhängigkeit noch Bestand haben.

Dass Abwarten und Zuschauen keine Option ist, zeigt gerade der Blick über unsere Grenzen hinaus: Auch im vergangenen Jahr sind zwei Drittel aller Investitionen in Energieanlagen im erneuerbaren Bereich getätigt worden. Ich kann es daher nur wiederholen: Die Schweiz kann und muss bei der Neuausrichtung der globalen Energieversorgung ganz vorne dabei sein und entsprechend ihr eigenes Feld bestellen, wenn sie ihren Wohlstand und ihre Stellung auf den globalen Märkten – nicht nur, aber insbesondere bei Cleantech-Lösungen – wahren und ausbauen möchte.

©Text: Eric Nussbaumer

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