Ai Ootsuka – Mütter von Fukushima. ©Bild: ews

Taor Yamamoto – Schauspieler, Politiker und Anti-Atomaktivist. ©Bild: ews

Yauemon Satoh, Sakebrauer und Energiepionier. ©Bild: ews

ews: Unerhörtes auf der Gartenparty – die „Stromrebellen“ 2014 in Japan

(PM) Mit den diesjährigen Preisträgern werden drei Persönlichkeiten der japanischen Anti-Atom-Bewegung geehrt: Ai Ootsuka (Mitglied der „Mütter von Fukushima“), Taro Yamamoto (Schauspieler, Parlamentsabgeordneter und Anti-Atom-Aktivist) und Yauemon Satoh, ein Sakebrauer, der nach dem Schönauer Vorbild ein bürgereigenes und ökologisches Energieversorgungsunternehmen in der Präfektur Fukushima aufbaut.


Drei Jahre nach dem Super-GAU verschwindet auch in Japan die Reaktorkatastrophe von Fukushima zunehmend aus dem Fokus der Berichterstattung. Denn die sehr staatstreuen japanischen Medienkonzerne unterdrücken die Berichterstattung zu den Folgen von Fukushima und berichten hauptsächlich vom wirtschaftlichen Aufschwung und von der Olympiade in Tokio 2020.

Regierung setzt wieder auf Atomenergie
Nur noch wenig erfährt die Öffentlichkeit über die Atom-Flüchtlinge, die ihre Heimat verloren haben, die Arbeiter in den Kraftwerken Fukushima Daiichi, die der Strahlung noch immer ausgesetzt sind, das stark verseuchte Wasser, das noch immer unablässig ins Meer fliesst. Im Gegenteil: Die derzeitige Regierung in Tokio setzt unter Premierminister Abe wieder auf die Atomenergie. Dies, obgleich Experten und bedeutende Persönlichkeiten wie der ehemalige Ministerpräsident Naoto Kan den Atomkurs der neuen Regierung kritisieren und für den Fall eines neuen schweren Erdbebens vor einer Katastrophe warnen, die jene von Fukushima noch übertreffen könnte. Kein Wunder also, dass laut einer Befragung der Zeitung "Asahi Shimbun" im März 2014 fast 80 Prozent der Bevölkerung den endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft wollen.

In den Monaten nach der Katastrophe von Fukushima beteiligten sich in Japan viele Bürgerinnen und Bürger an Kundgebungen gegen den Atomkraftwerksbetreiber TEPCO und staatliche Stellen, welche die Folgen der Havarie herunterspielten und von erhöhter Strahlung nichts wissen wollten. In dieser düsteren Situation haben sich einige Bürgerinnen und Bürger aufgemacht, um mit grossem persönlichem Engagement den Atomausstieg in Japan herbeizuführen und eine nachhaltige und bürgereigene Energieversorgung zum Wohle zukünftiger Generationen aufzubauen.

Mutiges und vielfältiges Engagement
Diesem grossen Einsatz wollen wir unsere Anerkennung und Unterstützung aussprechen und verleihen daher den Preis „Schönauer Stromrebell 2014“ an drei Persönlichkeiten, die stellvertretend für das mutige und vielfältige Engagement der japanischen Anti-Atom-Bewegung stehen. „Wir wissen aus eigener Erfahrung“, so Ursula Sladek, Vorstand der Netzkauf EWS Genossenschaft, „wie schwer es ist, Veränderungen in Gang zu setzen und Widerstände zu überwinden. Dazu braucht es eigene Kraft, aber auch Unterstützung von Freunden. Wir möchten durch die Verleihung des Schönauer Stromrebellen 2014 ein kleines bisschen dazu beitragen.“

Noch 140'000 Menschen in Fukushima
Über drei Jahre nach der Katastrophe von Fukushima leben noch immer 140.000 Menschen weit entfernt von ihrer Heimat. Es waren vor allem Mütter wie Ai Ootsuka, die sich aus Sorge um die Kinder zur Flucht entschieden hatten. Ai Ootsuka hat noch am 11. März 2011 mit ihren zwei kleinen Kindern und ihrem Mann ihr Zuhause verlassen. Ihr Haus in Fukushima wurde verstrahlt und ist für Jahrzehnte nicht mehr bewohnbar. Ai Ootsuka floh mit ihrer Familie in die Präfektur Okayama und gründete dort mit anderen Betroffenen eine Initiative. Diese organisierte die Aufnahme der Flüchtlinge und leitete ein Wohnheim, das Platz für die ersten Wochen bot. Okayama ist weit entfernt den japanischen Atomkraft-werksstandorten und wurde schon bald ein wichtiger Ort für die Flüchtlinge.

Schwer einzuleben
Für viele Flüchtlinge war es schwer, sich in einer fremden Gemeinschaft ohne Hilfe von Freunden oder Bekannten einzuleben. Die Flüchtlinge waren nicht gern gesehen, man unterstellte ihnen, egoistisch und überängstlich zu sein und sich als Opfer der grossen Katastrophe aufzuspielen. Um der Isolation zu entkommen und um sich gegenseitig zu helfen, schlossen sich einige Flüchtlinge als „Mütter von Fukushima“ zusammen. Es gibt viele Flüchtlinge, die sagen, „Dank Frau Ootsuka konnte ich nach Okayama übersiedeln.“

Blut- und Schilddrüsenuntersuchungen
Die Initiative liess Messungen in Kindergärten, Schulen und Parks durchführen, sammelte Unterschriften für den Gesundheitsschutz und für die medizinische Untersuchung verstrahlter Kinder. Sie gründete Stiftungen, um Blut- und Schilddrüsenuntersuchungen bei der betroffenen Bevölkerung zu ermöglichen. Ai Ootsuka begann, sich intensiv mit der Atomenergie auseinanderzusetzen. Sie lernte, misstrauisch zu sein gegenüber einem Staat, der bis heute die Verantwortung für den Super-GAU von sich weist und wenig für Aufklärung, Fürsorge und Gesundheitsschutz unternimmt.

Loses Netzwerk
Die „Mütter von Fukushima“ verstehen sich als loses Netzwerk, sie kämpfen bis heute gegen das Vergessen und das Leugnen der Folgen der Katastrophe. Mutig gehen sie an die Öffentlichkeit, um über die Konsequenzen der Katastrophe und über ihre Erfahrungen als Opfer zu reden. Sie fordern Entschädigung für alle Betroffenen der Reaktorkatastrophe, einen endgültigen Ausstieg aus der Atomindustrie und eine nachhaltige Reform der Energiepolitik.



Bekannter Schauspieler und Politiker
Taro Yamamoto ist ein bekannter Schauspieler, der sich als einer der ersten prominenten Persönlichkeiten in Japan offen gegen die Atomenergie ausgesprochen hat und so zum Zugpferd der Anti-Atom-Bewegung geworden ist. Politiker nannten ihn einen gefährlichen Demagogen. Die grossen Medien des Landes, die von Werbeeinnahmen und Sponsoring nahezu vollständig abhängig sind, starteten Kampagnen gegen ihn. In der Folge wurde der berühmte Schauspieler vom Fernsehprogramm, von Film und Theater komplett ausgeschlossen und wurde vom Star zur Persona non grata.

Reform der Energiewirtschaft
Yamamoto aber blieb seinen Überzeugungen treu. Er forderte eine umfassende Reform der Energiewirtschaft und setze sich für das Recht auf Flucht für alle Kinder in Fukushima ein. Bei der Wahl 2013 gewann er als unabhängiger Kandidat einen Sitz im Parlament. Dort setzt er sich für die sofortige Abschaltung aller Atomkraftwerke und für den ökologischen Umbau der Energiewirtschaft ein.

Veränderungsprozess
Anfang 2013 besuchte er mit dem Autor Takashi Hirose die Elektrizitätswerke Schönau. Im Gespräch mit den Gästen aus Japan betonte Ursula Sladek (Vorstand der Netzkauf EWS eG), dass „Unerschrockenheit, Zivilcourage, Beharrlichkeit, Kreativität und ein gesundes Demokratieverständnis" die wesentlichen Voraussetzungen für einen gesellschaftlichen Veränderungsprozess sind.

Unerhörtes auf der Gartenparty
Im Oktober 2013 sorgte Yamamoto für einen „Skandal“, der tagelang die japanischen Medien beherrschte und internationale Aufmerksamkeit erregte. Auf einer Gartenparty hatte Yamamoto etwas Unerhörtes getan: Er traute sich nicht nur, den Kaiser direkt anzusprechen, sondern übergab ihm in aller Öffentlichkeit einen Brief, in dem er die schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen in Fukushima anprangert. Yamamoto rechtfertigte sich vor den Journalisten: „Ich musste dem Kaiser persönlich den Brief übergeben. Ich habe über meine Ängste geschrieben. Die Kinder im Osten Japans sind krank – radioaktiv verstrahlt – und keiner redet davon. Ich wollte ihm das mitteilen.”



Von Sake zu Anti-Atom
Yauemon Satoh hatte bis zur Katastrophe von Fukushima weder beruflich mit Energie zu tun noch privates Interesse an energiepolitischen Themen. Er leitet das Familienunternehmen Yamatogawa Shuzoten, eine 224 Jahre alte Sake-Brauerei in der Region Aizu in Fukushima. Satoh war zum Zeitpunkt des Atomunfalls auch Tourismus-Botschafter des Dorfes Iitate. Die enge Verbindung zu Iitate war das wichtigste Motiv, weshalb aus ihm ein „Stromrebell“ wurde.

Dorf gestorben
Das Dorf, das einst zum „schönsten Dorf Japans“ gekürt wurde, liegt dreissig Kilometer nordwestlich der Unglücksreaktoren und gehört zu den am schlimmsten vom radioaktiven Fallout betroffenen Regionen. Wider besseres Wissen hätten die Behörden, so berichtet Satoh, die Anwohner nicht vor der hohen Strahlung gewarnt. „Als ich gesehen habe, wie dieses Dorf stirbt, habe ich angefangen, über die Atomkraft und die Stromwirtschaft nachzudenken.“

Non-Profit-Organisation gegründet
Satoh gründete zusammen mit gleichgesinnten Freunden die Non-Profit-Organisation „Fukushima Kaigi“ um den Opfern eine Stimme zu verleihen und den Menschen in der Aizu-Region eine Plattform zu bieten, um an „einer Gesellschaft ohne Atomkraft mitzuwirken.“ Ein besonderes Anliegen Satohs ist die Aufklärungsarbeit in Schulen vor dem Hintergrund, dass die japanische Regierung über Generationen hinweg die Gefahren der Atomkraft systematisch verschwiegen hat.

AiPower nach Schönauer Vorbild
Im August 2013 gründete Satoh nach dem Schönauer Vorbild mit vier Mitstreitern das Energieunternehmen AiPower. Zusammen mit den vier Vorständen arbeiten nun neun Personen für das junge Unternehmen. Derzeit engagiert sich AiPower als ökologischer und lokaler Stromproduzent. Hierfür werden Brachflächen für den Bau von Solarkraftwerken genutzt. In einer zweiten Phase sollen kleine Wasser- und Biomassekraftwerke auf Holzbasis folgen.

In Stromhandel einsteigen
Sobald es die Gesetze zulassen, wird AiPower auch in den Stromhandel einsteigen und auch das örtliche Stromnetz übernehmen. Um das ehrgeizige Ziel der regionalen Energie-Autarkie zu erreichen, will AiPower die Nutzungsrechte für die grossen Wasserreservoirs der Region aufkaufen. Satoh hofft, dass der öffentliche Druck irgendwann zur Zerschlagung des Fukushima-Betreibers TEPCO führt und die Regierung als de-facto-Besitzer sich dann gezwungen sieht, AiPower die Rechte zu verkaufen.

Text: Elektrizitätswerken Schönau (EWS)

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