Ineinander verschlungene magnetische Strukturen. ©Bild: Paul Scherrer Institut PSI/Claire Donnelly

Darstellung eines Blochpunktes. ©Bild: Paul Scherrer Institut PSI//Claire Donnelly

PSI: Tauchgang in einen Magneten – erste 3-D-Darstellung interner Strukturen

(PSI) Magnete werden in Motoren eingesetzt, in der Energieproduktion und in der Datenspeicherung. Ein tieferes Verständnis der grundlegenden Eigenschaften magnetischer Materialien könnte daher einen grossen Einfluss auf unsere Technologie und unseren Alltag haben. Jetzt haben Forschende zum ersten Mal die Richtungen der Magnetisierung in einem dickeren Material als je zuvor in 3-D sichtbar gemacht.


Dabei konnten sie die dreidimensionale Anordnung der magnetischen Momente abbilden und Details sichtbar machen, die ein Zehntausendstel eines Millimeters klein sind (100 Nanometer). Die Studie, die das Potenzial hat, zu einem besseren Verständnis von Magneten zu führen, veröffentlichten die Forschenden des Paul Scherrer Institut PSI, der ETH Zürich und der Universität Glasgow in der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift Nature.

Faszinierende Mustergeflechte
Diese kann man sich als winzige magnetische Kompassnadeln vorstellen, die in ihrer Gesamtheit die magnetische Struktur des Materials bilden. Den Forschenden gelang ihre Visualisierung im Inneren eines Gadolinium-Kobalt-Magneten mit einer am PSI entwickelten, neuen experimentellen Bildgebungstechnik: der Magnettomografie mittels harter Röntgenstrahlung. Das Ergebnis offenbarte faszinierende Mustergeflechte und innerhalb dieser auch sogenannte Bloch-Punkte. An einem Bloch-Punkt ändern die magnetischen Nadeln schlagartig ihre Richtung. Bloch-Punkte wurden im Jahr 1965 theoretisch vorhergesagt, doch erst mit diesen neuen Messungen gelang die direkte Beobachtung.

Ein Team von Forschenden des Paul Scherrer Instituts PSI, der ETH Zürich und der Universität Glasgow konnte erstmals die magnetische Struktur innerhalb eines kleinen dreidimensionalen Objekts im Nanometerbereich abbilden. Die magnetische Struktur ist die gemeinsame Anordnung der magnetischen Momente; jedes magnetische Moment kann als eine winzige magnetische Kompassnadel gedacht werden. Das mehrere Mikrometer (Tausendstel eines Millimeters) kleine untersuchte Objekt war ein zylinderförmiger Magnet aus Gadolinium-Kobalt – ein Material, das sich ferromagnetisch verhält. Den Forschenden gelang es im Inneren dieses Objekts die feinen magnetischen Muster bis auf das Zehntausendstel eines Millimeters abzubilden, mit anderen Worten: die kleinsten noch sichtbaren Details in der 3-D-Visualisierung waren rund 100 Nanometer klein. Die Bildgebung wurde mit einer hochmodernen Technik erreicht, der Magnettomografie mittels harter Röntgenstrahlung. Diese neue Technik wurde im Rahmen ebendieser Studie am PSI entwickelt.

Eintauchen in einen Magneten
„Bislang liessen sich solche winzigen Details der magnetischen Struktur nur in dünnen Filmen oder an den Oberflächen von Objekten abbilden“, erklärt Laura Heyderman, Leiterin der vorliegenden Studie, Forscherin am PSI und Professorin an der ETH Zürich. „Mit unseren jetzigen Bildern dagegen können wir richtiggehend in das magnetische Material eintauchen: Wir sehen und verstehen die dreidimensionale Anordnung der winzigen magnetischen Kompassnadeln.“ Diese kleinen Nadeln reagieren auf einander und sind daher nicht beliebig angeordnet, sondern bilden bestimmte Muster, die das gesamte magnetische Objekt durchziehen.

Die Forschenden erkannten schnell, dass das magnetische Muster aus grundlegenden magnetischen Strukturen besteht, die ineinander verschlungen sind: Sie erkannten magnetische Domänen, also Regionen mit gleicher magnetischer Ausrichtung, und Domänenwände, die zwei solcher Domänen voneinander trennen. Die Forschenden beobachteten zudem magnetische Wirbel, deren Form derjenigen eines Tornados gleicht. Zusammengesetzt bildeten all diese Strukturen ein einzigartiges, vielschichtiges Muster. „Diese grundlegenden, bekannten Strukturen zu sehen, wie sie sich zu einem komplexen dreidimensionalen Netzwerk zusammenfügen, war wirklich schön und eindrucksvoll“, sagt Claire Donnelly, Erstautorin der Studie.

Bloch-Punkte erstmals sichtbar
Eine besondere Art Struktur stach dabei heraus und wertete die Forschungsergebnisse zusätzlich auf: ein Paar magnetischer Singularitäten, sogenannte Bloch-Punkte. Bloch-Punkte enthalten einen unendlich kleinen Bereich, in dem die „magnetischen Kompassnadeln“ ihre Richtung schlagartig ändern. Singularitäten verschiedenster Art faszinieren Forschende in allen möglichen Wissenschaftsbereichen; bekannte Beispiele sind die Schwarzen Löcher im Weltall. „Bei den Ferromagneten kann die Magnetisierung üblicherweise als stetig angesehen werden, das heisst, auf der Nanometerskala gibt es keine plötzlichen Änderungen. An diesen Singularitäten dagegen gilt genau das nicht mehr“, sagt Sebastian Gliga von der Universität Glasgow, der derzeit als Gastwissenschaftler am PSI ist. Bloch-Punkte stellen Monopole der Magnetisierung dar und obwohl sie schon vor über 60 Jahren vorhergesagt wurden, konnten sie bis zu dieser Studie nie direkt beobachtet werden.

Röntgen-Magnettomografie
Die in dieser Studie angewandte, experimentelle Technik der Röntgen-Magnettomografie basiert auf einem Grundprinzip der Computertomografie (CT). Ähnlich wie bei medizinischen CT-Scans werden viele Röntgenbilder der Probe nacheinander und jeweils aus leicht unterschiedlicher Richtung aufgenommen. Die Messungen dieser Studie wurden an der cSAXS-Strahllinie der Synchrotron-Lichtquelle Schweiz SLS am PSI durchgeführt. Eine hochmoderne Messeinheit zur Röntgen-Nanotomografie des OMNY-Projekts ermöglichte zusammen mit einer kürzlich entwickelten Bildgebungstechnik namens Ptychografie die Experimente. Aus den so gesammelten Daten erstellten die Forschenden mittels Computerberechnungen und einem am PSI entwickelten neuartigen Rekonstruktionsalgorithmus eine 3-D-Landkarte der Magnetisierung.

Die Forschenden nutzten sogenannte „harte“ Röntgenstrahlen an der SLS des PSI. Im Vergleich zu „weichen“ Röntgenstrahlen haben harte Röntgenstrahlen eine höhere Energie. „Die weiche Röntgenstrahlung mit ihrer niedrigeren Energie wurde schon zuvor sehr erfolgreich eingesetzt, um ähnliche Landkarten der magnetischen Momente zu erzielen“, erklärt Claire Donnelly. „Aber weiche Röntgenstrahlung dringt kaum in solche Proben ein, daher lässt sich mit ihr nur die Magnetisierung eines Dünnfilms oder an der Oberfläche eines Objekts abbilden.“ Um wirklich ins Innere ihres Magneten einzutauchen, wählten die PSI-Forschenden daher harte Röntgenstrahlung. Den Preis der deutlich geringeren Signalstärke, die die harte Röntgenstrahlung mit sich bringt, nahmen sie dabei in Kauf. „Viele Leute haben vorher nicht geglaubt, dass uns diese magnetische 3-D-Bildgebung mit harten Röntgenstrahlen gelingen würde“, erinnert sich Laura Heyderman.

Text: Paul Scherrer Institut PSI, Laura Hennemann

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