Daniele Ganser, Gründungsmitglied und ehemaliger langjähriger Präsident der ASPO Schweiz.

Anton Gunziger: „Wir haben ausgerechnet, dass bei richtiger Dimensionierung eine Versorgung der Schweiz mit 100 % erneuerbarer Energie kostengünstig möglich ist“

Die Referenten Anton Gunziger (l) und Matthias Fawer (r)

Die Referenten (von l. nach r.) Matthias Fawer, Anton Gunzinger, Jens Lundsgaard-Hansen und Daniele Ganser; ganz rechts Adrian Hänni, zurücktretendes Vorstandsmitglied.

ASPO Jubiläumstagung: „Fracking ist, als ob Sie die Löcher im Emmentaler suchen“

(©ASPO) Die Verfügbarkeit von Gas und Erdöl, Kriege entlang geplanter Gaspipelines, der Umstieg auf 100% Erneuerbare sowie die desaströsen Börsenwerte von grossen Erdölfirmen und Energieversorgern, diese Themen wurden an der Jubiläumstagung der ASPO Schweiz diskutiert. An der anschliessenden GV wurden Anton Gunzinger und Martin Schmid in den Vorstand gewählt.


Rund 170 Personen nahmen an der ASPO-Tagung zum 10-jährigen Jubiläum der ASPO Schweiz am 22. Oktober 2016 in Bern teil. „Das Interesse am Phänomen Peak Oil folgt einer ähnlichen Kurve wie der Erdölpreis“, erklärte Walter Stocker, Präsident der ASPO Schweiz. Sei dieser hoch, stehe auch die ASPO Schweiz hoch im Kurs, bei tiefen Preisen, wie zum Beispiel anfangs 2016, werde der Peak der fossilen Energien dagegen kaum mehr wahrgenommen. „Nach dem Erreichen des Fördermaximums bei den konventionellen Erdölreserven um 2005/2006 und einer zunehmenden Verlagerung auf nicht konventionelle Ressourcen trat die Peak-Oil-Debatte mehr und mehr in den Hintergrund, obwohl sie nach wie vor relevant bleibt, da die leicht zugänglichen Erdölressourcen begrenzt sind“, erklärte Walter Stocker. Ende 2015 betrugen die nachgewiesenen Erdölreserven in den 18 Ländern mit den grössten Reserven 1‘570 Mrd. Fass. Bei gleichbleibender Förderung und Nachfrage könnte die Welt also noch weitere 50 Jahre mit Erdöl versorgt werden. „Grosse Neufunde wurden seit dem letzten Jahrhundert indes nicht mehr gemacht!“ führte Walter Stocker aus.

Kriege entlang der geplanten Gaspipelines
„Wir sprechen heute lieber von Kriegen gegen Terrorismus als von Rohstoffkriegen, obwohl es sich um solche handelt“, unterstrich Daniele Ganser, ehemaliger Präsident und Gründungsmitglied der ASPO Schweiz. Da das Kind nicht beim Namen genannt werde, sei es fast unmöglich, den Rückgang der fossilen Ressourcen zu thematisieren. „Pro Tag werden weltweit 95 Millionen Fass verbraucht. Davon sind aber nur 70 Millionen Fass konventionelles Erdöl.“ Heute würden in den Statistiken gerne unkonventionelle Ressourcen in konventionelle und Erdgas in Erdöl umgerechnet: „Dabei werden Äpfel mit Birnen verglichen“, erklärte Daniele Ganser. 1946 habe der weltweite Verbrauch noch 6 Mio. Fass betragen: „Wir wurden so sozialisiert, dass es immer genug Erdöl gibt, daher glauben viele, dass es ewig Erdöl gibt, das ist jedoch falsch“, erklärte Friedensforscher Ganser. Von den weltweit über 190 Ländern seien immer mehr Nettoimporteure: „Übrigens auch die USA, auch wenn dies in den Medien immer andersrum dargestellt wird. Trotz Fracking werden dort täglich netto 7 Millionen Barrel Öl importiert.“ Und der weltweite Bedarf nehme noch zu, zum Beispiel weil die Chinesen auch lieber mit dem Auto als mit dem Velo unterwegs seien, sich eine Wohnung mit vier geheizten Zimmern und täglich Fleisch auf dem Teller als Ziel gesetzt hätten.


ASPO Schweiz ehrt Prof. Anton Gunzinger
Anlässlich der Tagung vom 22. Oktober 2016 ehrte die ASPO Schweiz Prof. Anton Gunzinger insbesondere für sein Buch „Kraftwerk Schweiz“, in dem er sehr konkret aufzeigt, wie sich die Schweiz zu 100 % mit erneuerbaren Energien versorgen könnte. Er zeigt, dass dies wirtschaftlich, ökologisch und gesellschaftlich sinnvoll ist.



„Die meisten grossen Felder haben alle ihren Peak erreicht. 2008, als der Erdölpreis sehr hoch war, wurde auch öffentlich über das Thema diskutiert, doch dies ging sehr schnell vergessen“, führte Ganser aus. Die Frackingindustrie habe jedoch nur eine Chance, weil der Preis gestiegen und die Nachfrage da sei. „Damit sind wir bereit, immer grössere Risiken einzugehen, um ans Öl zu gelangen.“ Auf die Frage, ob Fracking denn die Lücke nicht schliessen könne, antwortete Daniele Ganser: „Sie müssen sich Fracking vorstellen wie einen Emmentaler Käse: Bei Fracking suchen Sie die Luft in den Löchern. Nur handelt es sich nicht um weichen Käse, den man dafür durchbohren muss, sondern um Gestein.“ Zudem sei das Vorkommen in diesen Löchern nur sehr klein. Das sei ganz anders als 1850, als man einfach Löcher in den Boden gebohrt habe und das Öl rausgesprudelt sei.

Kursverluste mit Gas-, Öl- und Kohleinvestments
In der Finanzwelt hat der Ausstieg aus den fossilen Energien indes bereits begonnen. Weltweit haben sich mehr als 600 Institutionen mit einem Gesamtvermögen von über USD 3'400 Milliarden zu einer Dekarbonisierung ihres Vermögens verpflichtet: „Institutionelle Investoren steigen zunehmend aus Kohle- und Ölunternehmen aus; wir sprechen von ‚Carbon Divestment‘ “, erklärte Matthias Fawer, von Vontobel Asset Management. Das sind Pensionskassen, Städte, Schulen, Universitäten, Stiftungen, NGOs, etc. „Die Investitionen in Öl- und Gas sanken 2015 um 22 %, und dieser Trend setzt sich fort. Die im Aktienkurs eingepreisten Reserven der Unternehmen, die im Gas-, Öl- und Kohlebereich tätig sind, müssen abgeschrieben werden“, führte Fawer aus; in der Fachsprache spricht man von „Stranded Assets“. „Diese Reserven entsprechen rund 40-60 % der Marktkapitalisierung dieser Unternehmen, auch bekannt als ‚Carbon Bubble‘“, erklärte Matthias Fawer weiter: „Falls das 2°-C-Klimaziel wirklich erreicht werden soll, darf nur ein Fünftel der bekannten fossilen Reserven verbrannt werden.“ Was folglich den Wertverlust von Unternehmen, die im fossilen Bereich tätig oder beteiligt sind, noch weiter beschleunigen werde.

Die Investitionen in erneuerbare Energien verzeichnen indes genau den gegensätzlichen Trend: Sie stiegen 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 10 %. „Rund 60 % dieser Investitionen fliessen in die Solarenergie“, erklärte Matthias Fawer und wies auf die eindrückliche Kostensenkung hin: „Solarstrom kostet heute 75 % weniger als vor 10 Jahren!“ Wind- und Solarstrom seien bereits heute in vielen Teilen der Welt konkurrenzfähig: „Investitionen in Cleantech und erneuerbare Energien bieten ein verheissungsvolles Wachstumspotenzial.“ Daher geht Fawer davon aus, dass Investitionen in diesen Sektoren nicht nur ethisch und sozial sinnvoll seien, sondern auch bessere Performance bringen würden.

Energiestrategie
mehr Schein als Sein
„Die Energiestrategie braucht einen internationalen Fokus“, forderte Jens Lundsgaard-Hansen in seinem Referat bezüglich der Energiestrategie 2050. Er bemängelte die Verknüpfung der Strategie mit dem Atomausstieg, da der Atomstrom ja einen wichtigen Beitrag zu den Klimazielen leiste. Jens Lundsgaard-Hansen findet, der Bundesrat habe mit der Energiestrategie 2050 und den ersten dazugehörenden Massnahmen seine Ziele nur halbherzig kommuniziert: „Der Bundesrat hätte alle Massnahmen, mit denen er die Ziele erreichen will, auf einmal publizieren sollen. Letztlich ist die Energiestrategie 2050 intransparent und damit nicht glaubhaft.“ Zudem glaubt er nicht, dass die Effizienzziele erreicht werden können. Er wünsche sich, dass zum Beispiel Lenkungsabgaben eine wichtigere Rolle spielten. Zudem ist er überzeugt, dass Investitionen in eine nachhaltige Energieproduktion im Ausland weit mehr bringe als im Inland: „Wir haben dort eine weit höhere Hebelwirkung, da wir in der Schweiz mit 60 % Wasserstrom und 40 % Atomstrom bereits eine relativ nachhaltige Stromversorgung haben. In vielen Entwicklungsländern können wir jedoch mit unserem Know-how pro investiertem Franken viel mehr erreichen als in der Schweiz.“

Jens Lundsgaard-Hansen unterstrich, dass auch er für mehr erneuerbare Energien sei. Diese seien aber zurzeit noch zu wenig ausgereift. Der fluktuierende Strom sei eine Gefahr für die Netze, der Ausbau dieser aber teuer. Er bemängelte auch, dass die erneuerbaren Energien nach dem Giesskannenprinzip gefördert würden, obwohl marktwirtschaftliche Ansätze uns schneller weiterbringen würden: „Die Energiestrategie 2050 ist für mich mehr Schein als Sein, sie hätte mehr Brain verdient. Wenn wir in der Energie- und Klimapolitik wirklich weiterkommen wollen, müssten wir auf Feld 1 zurück“, schloss Jens Lundsgard-Hansen sein Referat.

100 % erneuerbare Energieversorgung ist möglich und wirtschaftlich
„Die Schweizer Bevölkerung macht ein Promille der Weltbevölkerung aus, das im Paradies lebt. Unser Wohlstand ist sagenhaft. Mein grösster Wunsch ist es, dass unsere Nachfahren, ich bin stolzer Grossvater, auch so gut leben wie wir“, stieg Anton Gunzinger in sein Referat ein. Sechs Milliarden der Weltbevölkerung würden sich einen Lebensstandard wie den unsrigen wünschen. „Wir haben Geld, um uns die Zukunft so einzurichten, dass unser Reichtum erhalten bleibt. Was wir für die Zukunft tun, muss jedoch auch für die nächsten sieben Generationen nachhaltig sein.“ Eines unserer grössten Probleme sei, dass unser ökologischer Fussabdruck viel zu gross sei, erklärte Gunzinger: „Bei unserem Lebensstandard brauchen wir vier bis fünf Erden. Das ist alles andere als ökologisch.“ Als Unternehmer ist Gunziger losgezogen und hat mit seinem Unternehmen Super Computing System berechnet, ob eine 100 % erneuerbare Energieversorgung der Schweiz möglich ist. Anton Gunzinger ist eigentlich davon ausgegangen, dass das nicht möglich sei. Doch seine eigenen Simulationen haben ergeben, dass dies sehr wohl möglich ist. „Und es ist wirtschaftlich. Ich bin Unternehmer, und ich will damit Geld verdienen!“, erklärte er. Die Berechnungen basieren auf einem jährlichen Anstieg des Erdölverbrauchs von 6 %. Soviel betrug dieser nämlich seit 1960.

Eine der vielen Baustellen ist der Energieverbrauch für Heizung und Warmwasser: „Unsere Berechnungen zeigen, dass schon heute die Kombination von Photovoltaik und Wärmepumpe günstiger ist als fossile Heizsysteme“, erklärte Anton Guzinger. Dazu gelte es, die Sanierung der Gebäude voranzutreiben. Statt wie heute nur 1 % des Gebäudebestands zu sanieren, müssten jährlich 4 % auf den neuesten energetischen Stand gebracht werden. So sei es möglich, rechnete Gunzinger vor, den Energieverbrauch für die Bereitstellung des Wärmebedarfs auf 10 % des heutigen Verbrauchs zu senken.


Neue Vorstandmitglieder
Anlässlich der Generalversammlung vom 22. Oktober wählten die anwesenden Mitglieder Anton Gunzinger, Inhaber von Super Computing Systems in Zürich, und Martin Schmid, Projektleiter am Ökozentrum in Langenbruch, als neue Mitglieder in den Vorstand der ASPO Schweiz.

Dr. Adrian Hänni trat nach 5 Jahren im Vorstand der ASPO Schweiz zurück. „Wir bedanken uns herzlich für seine wertvolle Mitarbeit“, erklärte Walter Stocker, Präsident der ASPO Schweiz, anlässlich der Verabschiedung.



Ein weiteres Augenmerk legte Anton Gunzinger auf das Strassennetz. Dieses sei 10-mal teurer als unser Stromnetz, erklärte er, also unverhältnismässig teuer. Diese Kosten würden wir alle über die Steuern bezahlen, da die Strassenverkehrsabgabe nur die Kosten der National-, nicht aber die der Kantons- und Gemeindestrassen decken würde: „Man könnte die Steuern senken, wenn der Benzinpreis die Kosten decken würde. Ich bin dafür, dass wir den Benzinpreis um den Faktor vier bis fünf erhöhen. Ich wurde übrigens von Radio Energy in Zürich zum Trottel des Monats gekürt, weil ich für einen Benzinpreis über 10 Franken bin“, verriet Gunzinger. Die Schweizer zahlen lieber hohe Steuern als einen fairen Benzinpreis. Mit der viel ökologischeren Elektromobilität und Verhaltensänderungen könne auch die Mobilität nachhaltiger gemacht werden: 30 % der Autofahrten sind kürzer als 500 Meter, die gelte es zu Fuss zu gehen, das sei erst noch gesünder. Weitere 30 % der Fahrten sind unter 5 Kilometern. Die wären mit dem E-Bike sehr gut zu bestreiten. Wo immer möglich, müsse die bereits heute günstigere und ökologischere Elektromobilität eingesetzt werden. So könne der heutige grösstenteils fossile Energieverbrauch von 70 Terawattstunden auf 3 Terawattstunden Strom und 3 Terawattstunden fossile Energie gesenkt werden.

Den Atomkraftwerken in der Schweiz erteilt Anton Gunzinger eine Abfuhr: „Wir brauchen eine ‚Bad Bank‘ für die Kernenergie der Schweiz“, erklärt er. „Ohne ‚Bad Bank‘ gehen unsere Stromkonzerne in den Konkurs. Am Ende bezahlen immer die Steuerzahler.Bei Grenzkosten von rund 1 Rappen pro Kilowattstunde Photovoltaik und 7.8 Rappen für Atomstrom sei das das nicht verwunderlich. „Wir haben ausgerechnet, dass bei richtiger Dimensionierung eine Versorgung der Schweiz mit 100 % erneuerbarer Energie kostengünstig möglich ist“, ist Anton Gunzinger überzeugt.

©Text: Anita Niederhäusern, Vorstandsmitglied ASPO Schweiz

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