Anton Gunzinger ist ein sehr umfassendes Werk gelungen, denn anders als andere Autoren liefert er nicht nur Analysen zur Stromwende, sondern zeigt auch auf, wie die Schweiz die Energiewende in der Mobilität und im Wärmebereich schafft.

Ein Muss: „Kraftwerk Schweiz“

(©AN/ee-news.ch) Sie haben das im Frühling 2015 erschienene Buch „Kraftwerk Schweiz – Plädoyer für eine Energiewende mit Zukunft“ von ETH-Professor und Unternehmer Anton Gunzinger noch nicht gelesen? Dann möchten wir Ihnen die Lektüre wärmstens empfehlen. Das Buch hat mit der aktuellen Debatte um den in Schieflage geratenen grossen Energieversorger noch einmal an Brisanz gewonnen. Gunzinger rechnet vor: Die Schweiz kann sich selber zu 100 % mit erneuerbarer Energie versorgen, und das ist erst noch günstiger als mit AKW und fossilen Energien.


Und wenn wir den Weg dezidiert gehen, gewinnt die Schweiz erst noch an Verhandlungsstärke. Gestützt auf Computersimulationen wird im Buch von Anton Gunzinger detailliert erklärt, wie die heutige Energieversorgung in der Schweiz funktioniert und wie sie, wenn wir dies konsequent anstreben, auch mit 100 % erneuerbaren Energien möglich und erst noch günstiger ist. „Das Parlament machte den Plan A, wir den Plan B“, schreibt Anton Gunzinger. Er hoffe natürlich, dass der Plan B realisiert werde. Grundlage einer erneuerbaren Energieversorgung sind für den Forscher unsere Wasserkraftwerke, Stauseen und Pumpspeicherkraftwerke, die sich insbesondere mit Sonnen- und Windenergie perfekt kombinieren lassen, aber auch Kehrichtverbrennung und Biomasse gehören zum neuen Energiemix. Gunzinger, ehemals Energiewende-Skeptiker, hat für die Simulationen zur Energiewende mit seiner Firma eigens ein Programm entwickelt. Aufgrund der positiven Resultate verschiedenster Varianten für die erneuerbare Energieversorgung der Schweiz ist er heute ein vehementer Verfechter der Energiewende: „Für unser Land ist die Umstellung auf erneuerbare Energien unter dem Strich schlicht die rentabelste Lösung“, schreibt Gunzinger.

AKW sind Planwirtschaft pur
Auch die Atomkraft hat Gunzinger mit seinen Simulationsmodellen durchleuchtet und stellt fest: „Insgesamt müsste der Preis von Atomstrom massiv angehoben werden. Die Produktion kostet heute 5.5 Rp. pro kWh, dazu müssten 9.2 Rp. für die Stilllegungs- und Entsorgungskosten dazugeschlagen werden sowie weitere 16.7 Rp. für die adäquate Versicherung der Risiken, was zu einem Marktpreis von 31.4 Rp. pro Kilowattstunde führen würde, also beinahe zu einer Versechsfachung.“ Das Festhalten an den herkömmlichen AKW laufe seiner Ansicht nach auf eine unnötige und teure Strukturerhaltung hinaus: „Kernkraft ist Planwirtschaft pur.“

Auch Wärme- und Mobilitätswende
Anton Gunzinger ist ein sehr umfassendes Werk gelungen, denn anders als andere Autoren liefert er nicht nur Analysen zur Stromwende, sondern zeigt auch auf, wie die Schweiz die Energiewende in der Mobilität und im Wärmebereich schafft. „Auch hier stellte sich zu meinem Erstaunen heraus, dass wir mit dem Umstieg auf erneuerbaren Strom in den Bereichen Wärme und Mobilität auch künftig mit der heute benötigten Strommenge auskommen – unter der Voraussetzung, dass wir unsere Hausaufgaben machen: 1. gute Gebäudeisolation, 2. Einsatz von Wärmepumpen, 3. Elektromobilität, 4. Verzicht auf unnötiges Fahren und 5. Strom sparen, wo es einfach möglich ist,“ schreibt der Unternehmer.

Smart Grid und Batterien statt Netzausbau
Zum Thema Netz wird dargelegt, wie dank Lastverschiebungen, neuer Transformatoren, Smart Grid und Batterien der Ausbau vermieden werden kann: „Es ist sinnvoller, 2 Milliarden Franken in Smart Grid zu investieren als 13 Milliarden in das Netz“, schreibt Gunzinger in seinem Buch. Er ist überzeugt, dass für die Energiewende die Netzhierarchie umgedreht werden muss, nicht von Grosskraftwerken hinunter ins Niederspannungsnetz sondern umgekehrt. Und er zeigt auch auf, wie das möglich und erst noch wirtschaftlicher als der Netzausbau ist. „Sowohl dezentrale Batterien als auch Lastverschiebungen eignen sich vorzüglich, um Stromüberschüsse aufzufangen, Netzbelastungen und Netzverluste zu reduzieren und das Energiesystem insgesamt stabiler zu machen“, ist im Kapitel dezentrale Batterien und Lastverschiebung zu lesen.

Plädoyer für die Allmendenwirtschaft
Angesicht des sorglosen Umgangs der Menschheit mit fossilen Energien und der Atomkraft, der Übernutzung der Böden und der Meere schreibt Anton Gunzinger: „Ich gehe davon aus, dass unser Überleben auf dem Planeten vom sorgfältigen Umgang mit den Allmenden abhängt. Dass Ressourcen wie Wasser, Luft, Erdöl, seltene Erden und Urwälder endlich sind und sich – wenn überhaupt – nur über ganze Zeitalter hinweg wieder erneuern, ist für mich ein unbestreitbares Argument für die Umstellung auf – aus menschlicher Sicht – unendlich verfügbare Energien wie die Sonnenwärme oder die Windkraft.“ Eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende sieht Gunzinger in der Einführung einer Vollkostenrechnung für Gemeingüter wie Erdöl, Luft oder öffentlicher Raum. In dieser „Allmendenwirtschaft“ bezahlt jeder Einzelne, was er an Rohstoffen, Strassen und anderen Allgemeingütern tatsächlich beansprucht und verbraucht. Der Liter Benzin würde auf dieser Basis rund fünf Mal mehr kosten als heute, doch weil der Preis über einen längeren Zeitraum sukzessive angehoben wird, hat jeder Automobilist die Möglichkeit, rechtzeitig auf ein energieeffizienteres Fahrzeug umzusteigen.

Schweiz als Selbstversorger in der stärkeren Verhandlungsposition
Betreffend die Frage, ob wir in der Schweiz die Erneuerbaren selber ausbauen sollen oder einen Teil aus dem Ausland einkaufen sollten, plädiert Anton Gunzinger für die Selbstversorgung, da wir einerseits die Ressourcen dazu hätten und andererseits dadurch als Land in einer stärkeren Verhandlungsposition seien. „Heute geben wir 25 Milliarden Franken für Energie aus, 2035 werden es 37 sein. Mit einer besonnenen Energiestrategie, die auf heutiger Technologie beruht, könnten wir Jahr für Jahr 22 Milliarden Franken sparen und darüber hinaus neue, zukunftsträchtige Arbeitsplätze schaffen“, schreibt Gunzinger. „Aus sicherheitspolitischer Sicht wären wir nicht erpressbar von Staaten, die uns den Gas- oder Benzinhahn zudrehen wollen. Kurzum: Die Energiewende wäre gut für die Erde, gut für uns und gut für unsere Kinder.“

Argumente für energiepolitische Diskussionen
Das Buch ist gespickt mit anschaulichen Beispielen, Zahlen, einfachen Bildern, Grafiken und unterhaltsamen Details und Anekdoten, die auch bestens als Argumente für energiepolitische Diskussionen taugen. Auch wenn Gunzinger mit alten Zahlen betreffend das Windpotenzial rechnet und das Thema Power-to-Gas noch nicht seinen gebührenden Platz im Buch findet, ist es eine Pflichtlektüre für Entscheidungsträger. Es ist aber auch für interessierte Laien und Lehrbeauftragte bestens lesbar. Das im April 2015 erschienene Buch wurde im Mai bereits in der 2. Auflage herausgegeben. Kein Wunder, befand es sich zeitweise sogar auf der Bestsellerliste.


Gunzinger Anton

Kraftwerk Schweiz

Plädoyer für eine Energiewende mit Zukunft

Erstausgabe April 2015, 2. Auflage Mai 2015

Geb., A5, 308 Seiten, mit farbigen Abb.

Redaktion: René Staubli

ISBN 978-3-7296-0888-7

CHF 36.00 / EUR 30.00



©Text: Anita Niederhäusern, leitende Redaktorin ee-news.ch

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