Stromversorgung: Deutschland und die Schweiz sind nicht vergleichbar

(AEE Suisse) Die Konzepte für eine Stromversorgung auf Basis erneuerbarer Energien und Energieeffizienz funktionieren in der Schweiz nicht gleich wie in Deutschland. Die Energiestrategie 2050 ist im Vergleich mit Deutschland billiger, marktnäher und umfassender als das deutsche EEG. Und die Konsumenten der Schweiz profitieren insgesamt von sinkenden Energiekosten. Der deutsche Weg wird sich in der Schweiz nicht wiederholen, weil:


• die verfügbaren Geldmittel zum Ausbau der erneuerbaren Kraftwerke in der Schweiz gesetzlich limitiert sind.

• der Solarstrom inzwischen wirtschaftlich sein kann, wenn ein namhafter Teil der Stromerzeugung für den Eigenverbrauch am Standort genutzt werden kann und die Einmalvergütung ohne Wartezeit zur Verfügung steht.

• die Strompreise für Unternehmen mit Marktzugang in den letzten Jahren gesunken sind, nicht zuletzt dank dem Ausbau der erneuerbaren Energien.

• die Strompreise für KMU und Haushalte nicht gestiegen, sondern leicht gesunken sind. Real (inflationsbereinigt) liegen sie rund 1 Rp/kWh tiefer als 1990. Solarstrom und Windenergie mit tiefen variablen Kosten haben Kraftwerke mit höheren Kosten aus dem Netz verdrängt und
so insgesamt an tiefere Beschaffungskosten der Elektrizitätswerke beigetragen.

• es seit 2014 die Einmalvergütung für Solarstromanlagen gibt. Investoren erhalten hochgerechnet auf die zukünftige Stromerzeugung einen Beitrag von nur 2 Rp/kWh. Das ist ein Bruchteil jener Mehrkosten von 20–60 Rp/kWh, die für Solarstromanlagen bezahlt wurden, die zwischen 2006 bis 2011 ans Netz gingen.

• die Windenergie in Europa wettbewerbsfähig ist verglichen mit neuen Gas- und Kohlekraftwerken. Solange die CO2-Zertifikate aber nahezu gratis sind, bleibt der Markt von den Überkapazitäten der Kohlekraftwerke dominiert, die zu variablen Kosten von 2–4 €C./kWh betrieben werden. Ein Ausbau der erneuerbaren Energien ist unter diesen Umständen ohne Unterstützung für Neuanlagen nicht möglich.

• der Nationalrat beschlossen hat, dass neu auch Wasserkraftwerke Investitionsbeiträge aus dem Netzzuschlag erhalten sollen, um Ausbauten und Erneuerungen zu ermöglichen.

Die Unterschiede auf einen Blick

Deutschland

Schweiz

Rechtsanspruch
Nach Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) haben Neuanlagen einen Rechtsanspruch auf Vergütung.

Deckelung

Der Netzzuschlag ist im Energiegesetz (KEV) gedeckelt. Die Kosten dürfen 1.5 Rp/kWh nicht überschreiten.
(EnG Art. 15b)

Von 3.59 auf 6.17 €C./kWh
Die EEG-Umlage für «nichtprivilegierte Endverbraucher» stieg ab 2012 von 3.59 auf derzeit 6.17 €C./kWh. Hauptursache der Erhöhung waren sinkende Strompreise und Ausnahmen für Industrie und Gewerbe.

1.1 Rp/kWh
Der Zuschlag im Jahr 2015 ist auf 1.1 Rp/kWh festgesetzt (2014: 0.6 Rp/kWh). Er kann auf maximal 1.5 Rp/kWh steigen (ES2050 neu auf 2.3 Rp/kWh), wenn Neuanlagen ans Netz gehen oder wenn die Differenzkosten wegen sinkender Strompreise ansteigen.

Keine Warteliste
Es gibt keine Warteliste für Einspeisevergütungen. Die Vergütung pro kWh wird aber bei bei Überschreiten des Ausbaukorridors dynamisch gekürzt (atmender Deckel). 

Warteliste

35’885 Projekte standen per Ende 2014 auf der KEV-Warteliste. Weitere 3087 Anlagen haben einen positiven Vergütungsbescheid, sind aber (zB. mangels Bewilligung) noch nicht realisiert. (1)

Solarboom
In Deutschland wurden ab 2004 Solarstromanlagen unlimitiert vergütet. Bis 2012 war dies relativ teuer. Während 20 Jahren müssen über 25’000 Megawatt Leistung zu 30–75 Rp/kWh vergütet werden.

 

Photovoltaik-Kontingente
Der Ausbau der Photovoltaik wurde von Anfang an beschränkt. Zu einem teuren Ausbau kam es nie. Inzwischen sind die Gestehungskosten für Solarstrom niedriger als
die Endverbraucherpreise (Hochtarif). Der Eigenverbrauch ist in vielen Versorgungsgebieten wirtschaftlich. 

27.4 Prozent
Der Anteil der erneuerbaren Energien hat sich in Deutschland seit 1990 von 3 Prozent auf 27.4 Prozent der Bruttostromerzeugung verneunfacht. Der Ausbau der erneuerbaren Energien mittels EEG war Teil der Klima- und Exportstrategie.

3.7 Prozent
Die Jahresstromerzeugung der KEV-Anlagen belief sich Ende 2014 auf 2188 GWh pro Jahr (3.7 Prozent vom Endver-brauch). Würden alle Projekte auf der Warteliste realisiert, wären 20.6 Prozent vom Endverbrauch gedeckt (Öko-Stromproduktion 12,1 TWh). (2)

3,1 Cents für Ökostrom
Nur etwa die Hälfte der EEG-Einnahmen dient direkt der Finanzierung von Ökostrom. Der Rest dient dem Ausgleich des Rückgangs der Strompreise (1.47 €C./kWh), der Ausnahmen für die Industrie (1.26 €C./kWh) und der Vermarktung. (3)

0.7 Rp/kWh für Ökostrom
Vom Netzzuschlag flossen per Ende 2014 etwa 300 Mio. CHF (0.7 Rp/kWh) in die Vergütung von Ökostrom. Der Rest der Einnahmen dient der Finanzierung von Wasserkraftwerken (30 Mio.), dem Gewässerschutz (56 Mio.), den Effizienz-massnahmen (24 Mio.) und der Einmalvergütung (53.2 Mio. CHF).

Windenergie, Solarstrom, Biomasse
2014 leistete die Windenergie den grössten Beitrag (52.4 TWh), gefolgt von Biomasse (48.9 TWh) und Solarstrom (35.2 TWh).

Biomasse und Wasserkraft
Den grössten Strombeitrag unter den KEV-Anlagen lieferten 2014 die Biomasse (0.9 TWh) und die Wasserkraft (0.7 TWh). Photovoltaikanlagen (0.3 TWh) und Windenergie (0.01 TWh) gewinnen aber an Bedeutung.

Sinkende Strompreise – offener Markt
Die Industriestrompreise sind seit 2006 um 41 Prozent gesunken. Wind- und Solarstrom verdrängten teure Gaskraftwerke, die Kosten der CO2-Zertifikate sanken ebenfalls, was Kohlekraftwerke rentabler machte.

 

Sinkende Strompreise der Grossverbraucher
Die Bezugspreise für Unternehmen mit Marktzugang sind gesunken. Die tiefen Strompreise am offenen Strommarkt werden indessen statistisch nirgends erfasst. Die Strompreise am Mittag sanken dank der Zunahme von Solarstrom im Netz.

Ausnahmen
Industrie und produzierendes Gewerbe sind von der Stromsteuer (6,7 €C./kWh) und von der EEG-Umlage je nach Energieintensität weitgehend befreit. Sie profitieren zusätzlich von sinkenden Strompreisen dank erneuerbaren Energien und von tiefen CO2-Zertifikate-Preisen.

Ausnahmen
Stromintensive Betriebe sind von der KEV-Umlage ganz oder teilweise befreit. Ausnahmen gelten ab 5 Prozent Stromintensität gemessen an der Bruttowertschöpfung. Die Unternehmen profitieren zusätzlich von sinkenden Strompreisen dank erneuerbaren Energien und von tiefen CO2-Zertifikate-Preisen in Europa.

Teurer Strom für Haushalte
Die Strompreise sind seit 2006 von 19 auf 29 €C./kWh gestiegen. In Deutschland bezahlen Haushalte eine Stromsteuer von 5,7 €C./kWh, die in die deutsche Rentenkasse fliesst. Dazu kommt die ungekürzte EEG-Umlage von 6.17 €C./kWh.

Keine Stromverteuerung für Haushalte
Für die kleinen KMU und für die Haushalte sind die Stromkosten real ebenfalls leicht gesunken. Für einen Haushalt mit 4500 kWh Jahresverbrauch liegen sie bei 18.9 Rappen/kWh, real tiefer als 1990, während sich Heizöl, Erdgas und Benzin seit 1990 um 30 bis 110 Prozent verteuerten. (4)

Keine Strategie für Eigenverbrauch
Wer Strom vom Dach selber verbraucht, profitiert von der Ersparnis der Netzgebühren, bezahlt aber 30–40 Prozent der EEG-Umlage. Dies ist umstritten, weil der Eigenverbrauch der Kohlekraftwerke von der EEG-Umlage befreit ist.

Einmalvergütung und Eigenverbrauch
Seit Mai 2014 gibt es für kleine Solarstromanlagen die Einmalvergütung (Investitionsbeiträge von max. 30 Prozent der Kosten). Der zeitgleiche Eigenverbrauch ist von Netzgebühren und Abgaben befreit. Überschüsse, die ins Netz eingespeist werden, erhalten nur eine marktnahe Entschädigung (5–8 Rp/kWh). Die Anlagen verbilligen den Strom der übrigen Bezüger.

Speicherprogramm
Mangels Speicher- und Pumpspeicherwerken werden
Batteriespeicher gefördert..

Speicher sind schon da
Dank 75 grossen Stauseen lässt sich der Ökostrom ohne Zusatzkosten integrieren. Bei starkem Wind oder Sonne werden die Speicher-Kraftwerke zurückgefahren. Jede neue KEV-Anlage schont die Speicherseen und erhöht die Versorgungssicherheit.

Geringe Wasserkraft
Die Wasserkraft (20.8 TWh, 3 Prozent) wuchs dank dem EEG nur unwesentlich. Für eine Vollversorgung mit Strom aus erneuerbaren Energien fehlen 73 Prozent der Bruttostromerzeugung (Stand 2014). Weitere Anstrengungen sind erforderlich.

Wasserkraft ist Rückgrat
Sonne, Wind und Biomasse lieferten 2013 erst 3.9 Prozent der Nettoerzeugung. Rückgrat der Stromversorgung ist mit 59.8 Prozent Anteil die Wasserkraft. Es fehlen noch 36 Prozent bis zu Vollversorgung mit Strom aus erneuer-
baren Energien. Solarstrom kann die Lücke schliessen, ergänzt durch Windenergie, Biomasse, Geothermie.

Sinkende CO2-Emissionen
Die CO2-Emissionen sind seit 1990 um 20 Prozent gesunken. Die Bevölkerungszahl verläuft stabil. Die CO2-Emissionen pro Kopf betragen 10.3 Tonnen/a. 

Stagnierende CO2-Emissionen
Die CO2-Emissionen sind seit 1990 um 2 Prozent gesunken. Die Wohnbevölkerung stieg um 1.4 Millionen. Die CO2-Emissionen pro Kopf betragen 4.7 Tonnen/a (2013).

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Text: AEE Suisse

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1 Kommentare

Horst

Sicher nicht vergleichbar, aber schnellerer Weg in Deutschland, und Vorreiter funkion, sonst wären die PV-Module nie so schnell billiger geworden.
Ausserdem sind die normalen Kunden in Deutschland rechtlich besser dran.
Der kWh-Preis mit allen Abgaben liegt in BL deutlich höher (ca. 27 Rp/kWh und nicht wie angegeben bei 18.9 Rp/kWh, und ist nicht billiger geworden.

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