Deutschland gelingt es (noch) nicht, das Wissen zu Lithium-Ionen-Batterien für Elektrofahrzeuge in grösserem Massstab in eine inländische Zellproduktion umzusetzen. ©Bild: Titelbild Studie/ ISI

ISI: Energiespeicher für die Elektromobilität

(ISI) Das deutsche Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI hat in einer Studie untersucht, ob und wie weit Deutschland im Bereich der Energiespeicher für die Elektromobilität auf dem Weg zum Leitmarkt ist. Deutschland gelingt es derzeit noch nicht, das Wissen über Lithium-Ionen-Batterien für Elektrofahrzeuge in grösserem Massstab in eine inländische Zellproduktion umzusetzen.


Die Bundesregierung hat das Ziel, Deutschland zum Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromobilität zu machen. Dabei spielt die Batterie eine zentrale Rolle, da sie mit 30 bis 40 Prozent heute noch einen hohen Anteil an den gesamten Herstellungskosten der Elektrofahrzeuge hat. Die jetzt vorliegende Studie untersucht, ob sich Deutschland im Bereich der Batterietechnologien für Elektrofahrzeuge auf dem Weg zum Leitmarkt und Leitanbieter befindet. Ein Leitmarkt definiert sich durch eine frühe Nachfrage, die eine entsprechende heimische Industrieansiedlung und Wertschöpfung nach sich zieht. Leitanbieter ist, wer heute oder in naher Zukunft die nachgefragten Produkte herstellt, erfolgreich exportiert und dadurch eine hohe inländische Wertschöpfung erzielen kann.

33 Indikatoren erhoben
Deutschlands Positionierung im Batteriebereich wurde in einem umfassenden Benchmarking auf der Basis von 33 Indikatoren erhoben und mit den weltweit führenden Ländern im Bereich der Energiespeicher für die Elektromobilität – Japan, Korea, China, den USA und Frankreich – verglichen. Zu den untersuchten Indikatoren gehören unter anderen Forschungsförderung, Publikationen, Patente, Batterie-Produktionskapazitäten sowie Verkaufszahlen von Elektrofahrzeugen und Marktanreizprogramme.

Die Ergebnisse zeigen, dass Deutschland derzeit kein Leitmarkt für Fahrzeugbatterien ist. Hier führen die USA und Japan, die den mit Abstand grössten Anteil der Elektrofahrzeug-Produktion erbringen. Dies gelingt ihnen unter anderem durch den grossen heimischen Absatz, der durch finanzielle Kaufanreize gestützt wird. Bedingt durch die vielen Fahrzeuge haben die beiden Länder auch den mit Abstand höchsten Anteil am weltweiten Bedarf nach Lithium-Ionen-Batterien. Die japanische Industrie exportiert zudem mehr als 60 Prozent ihrer hergestellten Batteriezellen – unter anderem in die USA. Damit ist Japan der aktuell führende Leitanbieter.

Asien: Viele aktive Unternehmen
Richtet man den Blick auf die herrschenden Marktstrukturen, sind gerade in den asiatischen Ländern (angeführt von Japan, China und Korea) relativ viele Unternehmen aktiv, welche die komplette Wertschöpfungskette der Fahrzeugbatterien abdecken – vom Ausgangsmaterial bis hin zur Produktion von Zellen und Batteriepacks. Dagegen decken deutsche Unternehmen bisher nur wenige Stufen der Wertschöpfungskette ab. Schwächen bestehen heute noch in den der Zellproduktion vorgelagerten Wertschöpfungsstufen und der Zellproduktion selbst. Das beginnt schon mit dem Zugang zu Basismaterialien: Deutschland hat deutliche Defizite bei der Versorgung und beim Handel mit Lithium-Ionen-Batterie-spezifischen Rohstoffen wie beispielsweise Kobalt und Lithium, wo China dominiert.

Im Aufholprozess
Deutschland befindet sich im Markt für Elektrofahrzeuge derzeit in einem Aufholprozess, was man unter anderem an den aktuellen Produktionsprognosen sowie an der Vielzahl von angekündigten Modellen für Elektrofahrzeuge sieht. Falls dieser Aufholprozess erfolgreich ist, könnte er eventuell den Aufbau einer Batterieproduktion für Lithium-Ionen-Batterien in Deutschland nach sich ziehen. In den Bereichen Forschung und Technologie hat Deutschland in den vergangenen fünf Jahren bereits enorm aufgeholt. Dies ist unter anderem auf die gestiegenen industriellen und öffentlichen Forschungs- und Entwicklungsausgaben zurückzuführen. Beim technologischen Wissen ist Deutschland derzeit also recht gut aufgestellt. Dieses aufgebaute Know-how macht sich jedoch noch nicht in installierten oder angekündigten Batteriezell-Produktionskapazitäten für Elektrofahrzeuge bemerkbar. Auch fehlt nach wie vor die Erfahrung in der Produktionsprozesstechnologie.

Entfernt von Leitmarkt
Insgesamt ist Deutschland somit noch ein gutes Stück von einem Leitmarkt und einer Leitanbieterschaft für Energiespeicher für die Elektromobilität entfernt. Prof. Martin Wietschel, Koordinator für Elektromobilität am Fraunhofer ISI, hält fest: "Die aktuelle Herausforderung für Forschung, Industrie und Politik in Deutschland liegt darin, das in den vergangenen Jahren gewonnene wissenschaftliche und technologische Know-how in heimische Wertschöpfung umzuwandeln." Die Studie zeigt auch, dass Deutschland gerade bei der Industrialisierung der Zellproduktion für Lithium-Ionen-Batterien noch einen grossen Rückstand hat. Aufgrund der weltweiten Marktgrössen sowie -dynamiken und dem derzeitigen Wettbewerbsnachteil von Deutschland ist eine gemeinsame Strategie von Schlüsselakteuren aus der Industrie mit Unterstützung durch die Politik dringend notwendig, um eine künftige Zellproduktion erfolgreich aufzubauen.

Grösse der Hebeleffekte
Dr. Axel Thielmann, Koordinator der Studie zu Leitmarkt und Leitanbieterschaft, betont aber auch: "Ergänzend sollte analysiert werden, wie gross die volkswirtschaftlichen Hebeleffekte einer inländischen Zellproduktion tatsächlich sind oder ob ergänzend beziehungsweise an deren Stelle nicht die in Deutschland traditionell starken Branchen stärker in den Mittelpunkt rücken sollten, beispielsweise der Anlagen- und Maschinenbau zum Aufbau von Produktionsanlagen, die Chemieindustrie als Material- und Komponentenhersteller sowie die Automobilindustrie mit zahlreichen Systemintegratoren und Zulieferern."

Die Studie stellt zugleich den Abschluss des BMBF-geförderten Projekts "Energiespeicher-Monitoring für die Elektromobilität" (Emotor) dar, das von Dr. Thomas Reiss geleitet wurde und in dessen Rahmen bereits ein Trendbericht, ein Bericht zur Produktion und Ökobilanzierung, ein Länderbericht sowie ein Strategiebericht erschienen sind.

Weitere Informationen:


Text: Deutsches Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI)

show all

1 Kommentare

Stefan Thiesen

Wir sollten bei den Produktionsprozessen vor allem die einfache Wiederverwertbarkeit der Zellen (wenn es um Lithium geht die einfache Abtrennung der Lithiums von gebrauchten Zellen) in den Vordergrund stellen. Das kann langfristig vor Verknappung schützen, einen technischen Vorsprung ermöglichen und die Preise stabil halten oder, über mehrere Lebenszyklen gedacht, sogar senken. Ebenfalls mitdenken: Modularität, einfacher Schnellaustausch, fliegender Wechsel/Plug&Play "Homeracks" für gemischte Speichernutzung bei vorhandenen Solarstrom- und Kleinwindanlagen. Produktion hat mit Know-how nichts zu tun (das ist in D/EU reichlich vorhanden), sondern schlicht mit Investition. Ob wir jetzt Leitmarkt werden - geschenkt. Bisher mischen wir aber nichtmal nennenswert mit. Das ist schade.

Kommentar hinzufügen

Top

Gelesen
|
Kommentiert