Schweiz Baden-Württemberg: Eiertanzen an der Pressekonferenz zum Energie-Workshop

(©AN) „Wir haben keinen einzigen Moment daran gedacht, den Energie-Workshop aufgrund der Abstimmungsresultate vom Sonntag abzusagen“, erklärte Franz Untersteller, baden-württembergischer Energieminister anlässlich der Pressekonferenz nach dem schweizerisch-baden-württembergischen Energie-Workshop vom 12. Februar in Basel, „denn wir können unsere Versorgungssicherheit nur grenzüberschreitend gewährleisten.“


„Die EU diskutiert über die Rahmenbedingungen eines Kapazitätsmarkts, der mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien eine grosse Rolle spielen wird“, erklärte Walter Steinmann, Direktor des Bundesamts für Energie. „Diesen Kapazitätsmarkt können und wollen wir nicht alleine aufbauen, weil es nur im Rahmen der EU sinnvoll ist“, führte er weiter aus.

Die deutsch-schweizerische Delegation, die sich am Mittwoch in Basel traf, setzte sich aus Vertretern der Energiebrache und der Energieunternehmen zusammen. Vertreten waren unter anderem die Netzbetreiber Swissgrid und das deutsche Pendant Tenet sowie die Vertreter beider Länder aus dem Gasbereich.

Energieabkommen im Mittelpunkt
Zwar wurde gemäss Walter Steinmann und Franz Untersteller das Energieabkommen zwischen der EU und der Schweiz – die Verhandlungen darüber wurden von der EU infolge der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative auf Eis gelegt – nur am Rande des Energie-Workshops diskutiert. Vielmehr sei eine noch engere Kooperation der Schweizer Energiebrache mit der von Baden-Württemberg im Zentrum des Energie-Workshops gestanden. In der anschliessenden Pressekonferenz war jedoch das von Seiten der EU aufgeschobene Energieabkommen das brennendste Thema. Franz Untersteller unterstrich die Wichtigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit, Baden-Württemberg werde sich persönlich in Brüssel für die Wiederaufnahme der Gespräche einsetzen.

Wichtigkeit Netzausbau Nord-Süd

„Wie wichtig eine enge Zusammenarbeit ist, zeigen allein folgende Zahlen: Baden-Württemberg braucht jährlich 81 Terawattstunden Strom, produziert aber selber nur 60 Terawattstunden. Um die Versorgungssicherheit bei zunehmend erneuerbarer Energieversorgung mit ihrer fluktuierenden Leistung sicherzustellen, brauchen wir den Nord-Süd-Netzausbau in Deutschland, aber auch den in die Schweiz und nach Italien.“ Natürlich sei er am Sonntagabend ernüchtert über die Abstimmungsresultate gewesen. Aber als Energieminister von Baden-Württemberg habe er diese Abstimmung nicht zu kommentieren. Allen Akteuren sei klar, dass ohne grenzüberschreitende Zusammenarbeit die Energiewende nicht zu schaffen sei. Franz Untersteller verwies auf den neusten Netzausbauplan Deutschlands, in dem Österreich, aber auch die Schweiz, feste Bestandteile seien.

Zauberwort Kapazitätsmarkt

Franz Untersteller wies darauf hin, dass an den Aus- und Aufbau von Pumpspeicherkraft oder anderen Kapazitätskraftwerken angesichts der tiefen Strompreise im Moment aus wirtschaftlicher Sicht nicht zu denken sei. „Ich erinnere nur daran, dass die heutigen Strompreise auf dem Markt nur noch gerade halb so hoch sind wie 2008–2009.“ Die EU werde bis spätestens Ende nächsten Jahres die Rahmenbedingungen für den Kapazitätsmarkt definiert haben, nur diese ermöglichten letztendlich, dass ein solcher auch aufgebaut werden könne.

Auf die Frage von ee-news.ch hinsichtlich des Scheiterns des Energieabkommens zwischen der EU und der Schweiz antwortet Franz Untersteller etwas differenziert: „Der Abbruch der Verhandlungen wird sicher nicht stattfinden, denn auch die EU hat ein Interesse am Abkommen. Letztendlich entscheidet das jedoch die EU. Aber man kann natürlich nicht das eine kündigen und das andere fortsetzen.“ Er sei aber überzeugt, dass die Politik pragmatische Lösungen finden werde, die Politik sei ja solche Situationen gewohnt.

Näher als Niedersa
chsen
Walter Steinmann erinnerte noch einmal daran: „Heute haben sich hier nicht die Politiker getroffen, sondern die Leute, die den Markt kennen. Die die Leitungen von Norden nach Süden bauen wollen.“ Franz Untersteller erinnerte an den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, der vor ein paar Jahren das Verhältnis zur Schweiz so beschrieben habe: Die Schweiz liege ihm näher als Niedersachsen. Und das habe er ausgerechnet zu einem Zeitpunkt gesagt, als in Niedersachsen Wahlen stattgefunden hätten. „Die Zusammenarbeit wird es weiterhin geben, ich erinnere nur daran, dass die Schweiz mehr nach Baden-Württemberg exportiert als in die USA“, erklärte der Energieminister.

Speicherkapazität für Tage und Wochen

„Mit der erneuerbaren Stromversorgung .reden wir nicht mehr von sieben bis acht Stunden Speicherkapazität, sondern wir müssen uns auch darauf einstellen, dass Tage oder gar eine Woche lang die Sonne nicht scheint und kein Wind weht“, führte Franz Untersteller den Journalisten vor. „Hier möchten wir auch mit der Schweiz Lösungen finden, um den Kapazitätsmarkt auszubauen und die nötigen Leitungen zu erstellen.“ Thema seien dabei neben der Speicherkraft auch Power to Gas und Power to Grid. Untersteller kann sich für die gemeinsame Problemlösung ein penta-nationales Forum vorstellen, das gemeinsam die kosteneffizientesten Lösungen für einen gemeinsamen Kapazitätsmarkt erarbeiten könnte. Natürlich möchte er dabei auch die Schweiz im Boot haben.

Eiertanzen

Dass die EU das Energieabkommen zwischen der EU und der Schweiz vorläufig auf Eis gelegt hat, das trifft die Schweizer Energiebrache sehr hart, zeichnete sich doch vor der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative noch eine Unterzeichnung im Laufe dieses Jahres ab. Damit ist im Moment nicht zu rechnen. An der Pressekonferenz vom 12. Februar waren die meisten Journalisten gekommen, um über genau diese Problematik Auskunft zu erhalten. Sowohl Franz Untersteller wie auch Walter Steinmann waren bemüht, nicht noch mehr Öl ins Feuer zu giessen. Verzweifelt versuchten beide Seiten, die Gemeinsamkeiten zu unterstreichen. Die am Workshop behandelten Themen waren dabei sekundär.

Die Energievertreter von Baden-Württemberg und der Schweiz werden sich wie bis anhin zweimal jährlich treffen, um über eine verstärkte Zusammenarbeit zu debattieren, Marktfragen zu diskutieren und gemeinsame Projekte zu entwickeln. Um effektive Lösungen voranzutreiben, brauchen aber beide Seiten nicht nur den gemeinsamen Willen, sondern auch ein Energieabkommen mit der EU.

©Text: Anita Niederhäusern, leitende Redaktorin ee-news.ch

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