Die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist im deutschen Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Dennoch können die Länder Einfluss nehmen und die Pläne mit einem Einspruch monatelang in den Vermittlungsausschuss schicken.

Atomkraft: Der verzweigte Weg zur deutschen Energiewende

(TR) Bis 2022 soll die Atomkraft in Deutschland Geschichte sein. Die Abkehr von Atomkraftwerken gefällt den Deutschen, aber der Weg dahin ist verzweigt. Der neue Energieminister Sigmar Gabriel hat diesen im Bundestag in groben Zügen vorgestellt. In der Radiosendung «Echo der Zeit» berichtete der Korrespondent Casper Selg darüber.

Die Abkehr von der Atomkraft ist eines der zentralen Themen der neuen deutschen Bundesregierung. Wie die Umstellung der Stromproduktion aus umweltschädlicher Kohle und Atom auf erneuerbare Energie wie Wind, Photovoltaik oder Solar und andere aussehen soll, hat der neue Energieminister Sigmar Gabriel vorgestellt. Doch mit seinem Konzept hat er auch heftige Kritik der Opposition geerntet. Dabei gilt diese Energiewende doch als sehr erfolgreich. Wieso also braucht es überhaupt ein neues Konzept?, fragt sich der Radiokorrespondent Kaspar Selg. Er glaubt, dass die Energiewende, gemessen an den Erwartungen, die man vor Jahren daran hatte, gewissermassen zu erfolgreich war: Zu schnell habe man in Deutschland zu viel erreicht. Und dies mit zum Teil unerwünschten Nebenwirkungen…

Hohe volkswirtschaftliche Schäden?
Wir zitieren auch dem Radiobeitrag «Echo der Zeit»: «Der Strom ist unterdessen zu teuer geworden. Deutschland ist von einem sehr tiefen Niveau an Erneuerbaren in sehr kurzer Zeit auf fast 25 Prozent Anteil gestiegen. Dies dank massiven Subventionen, die aber nicht der Staat, sondern der Verbraucher über den Strompreis bezahlt.» Mit der rasanten Zunahme von Windrädern und Photovoltaik und anderem mehr sei der Strompreis gleich schnell angestiegen. Das wolle die neue Regierung jetzt ändern; die Strompreise müssten bezahlbar bleiben, sage Energieminister Sigmar Gabriel, sonst riskiere man massive volkswirtschaftliche Schäden. Er verspreche zwar nicht, dass der Strom jetzt wieder billiger werde, aber er wolle mindestens den ständigen massiven Anstieg brechen.

Zurückfahren der Subventionen von Erneuerbaren?
Energieminister Gabriel sagt laut Korrespondent Selg, die Subventionen von Erneuerbaren müssten zurückgefahren werden. Denn es handle sich heute nicht mehr um eine Nischenindustrie, die massiv gefördert werden müsse, sondern vielmehr müsse sie sich selbstständig auf dem Markt behaupten. Die erneuerbare Energie habe sich von einer Nischenindustrie zu einer bestimmenden Technologie gewandelt: «An ihrem Erfolg könnte sie nun scheitern, wenn wir die Bedingungen einer Nischenindustrie einfach nur linear fortschreiben – in einem Zeitalter, in dem sie zur bestimmenden Technologie wird.» Die Konsequenz heisst für Energieminister Gabriel: Künftig weniger ausgeben für die Förderung. Mehr noch: in einzelnen Bereichen müsse sie sogar etwas gebremst werden, damit die Preise nicht ständig weiter kletterten.

Ausnahmeregelungen
für energieintensive Betriebe
Man kann das Ganze auch umgekehrt betrachten: Die Ausnahmeregelungen, von denen die energieintensiven Betriebe bisher profitierten, sorgten dafür, dass diese Betriebe ehedem die Förderung der Erneuerbaren nicht mitfinanzieren mussten. Einige energieintensive Betriebe sollen nun neu aber dazu gezwungen werden, um so in letzter Konsequenz die Energiekosten beim Privatverbraucher etwas senken zu können. Ob Energieminister Gabriel mit seinem Ansinnen in Brüssel durchkommen wird, ist laut Korrespondent Casper Selg noch eine offene Frage. Klar, dass sich nun die allenfalls betroffenen energieintensiven Betriebe vehement zur Wehr setzen. Sie redeten sogar von einem möglichen Zusammenbruch des Industriestandorts Deutschland, wenn keine Ausnahmeregelungen mehr gewährt würden.

Bevorzugung Kohleindustrie?

Laut dem Korrespondentenbericht gibt es in Deutschland aber auch Widerspruch selbst seitens der Grünen, die ja eigentlich glücklich darüber sein müssten, dass es mit der Verabschiedung vom Atomstrom endlich vorwärts geht. Doch die Grünen sagen, mit Gabriels Plänen werde der Ausbau der Windenergie gebremst und damit komme es zu einer Bevorzugung der Kohleindustrie, was klimapolitisch verheerend sei. Atomstrom würde letztlich doch nur durch Braunkohle ersetzt, befürchten die Grünen. Die Energiewende werde so zu einer «Braunkohlenwende». Harte Worte, doch laut Casper Selg ist die Kritik irgendwie auch berechtigt: «Es ist in der Tat so, dass die billige Kohle im Moment einen neuen Höhenflug erlebt.» Gabriel wolle dies zwar mittelfristig korrigieren, doch vorerst spiele der Umweltkiller Kohle in Deutschland weiterhin eine dominierende Rolle.

Bundesländer wehren sich
Opposition kommt offenbar auch aus den Bundesländern, die industrieintensiven Länder Baden-Württemberg und Bayern wehren sich sogar gemeinsam. Weshalb? Dies, weil die von SPD-Politiker Gabriel vorgelegte Planung ihre schwierige Energieplanung über den Haufen wirft. Bayern und Baden-Württemberg bezogen bisher einen wesentlichen Teil der Energie aus Atomkraft, die ja in den nächsten Jahren abgeschaltet werden soll. Diese Bundesländer wollten die künftig fehlende Energie mit Windenergie ersetzen, was durch Gabriels Pläne nun stark erschwert werden könnte, wenn die Windenergie und andere erneuerbare Energien gedeckelt werden sollen.

SPD-Politiker Gabriel: Mega-Projekt Energiewende

Unter dem Titel «SPD-Politiker Gabriel: Mega-Projekt Energiewende» resümierte das deutsche Portal «Spiegel online» die Problematik wie folgt: «Mit Vehemenz hat Sigmar Gabriel im Bundestag für seine Pläne zur Energiewende geworben. Reformen seien unumgänglich, sonst drohe der deutschen Wirtschaft der Absturz. Zuschüsse senken, Wachstum deckeln, Strompreisanstieg bremsen – auf diese Formel lässt sich Sigmar Gabriels Reform der Ökostromförderung zusammenfassen. Im Detail steckt hinter seinen Plänen für die Energiewende jedoch ein ganzes Massnahmenpaket, das in vielen Bundesländern für Unverständnis sorgt.» SPD-Politiker Gabriel warnte laut «Spiegel online» vor einer «De-Industrialisierung», sollten bestimmte Bereiche nicht auch in Zukunft massiv gefördert werden. Die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetz habe das Potential zu einem wirtschaftlichen Erfolg. Es gebe aber auch Risiken. Auch in Zukunft müssten die Ausnahmen von der Energieumlage für Teile der Industrie gelten. Gegen diese Regelung hatte die EU Ende 2013 Einspruch erhoben.

Vorbildfunktion Deutschlands
Der Minister soll nun auf die Vorbildfunktion der Bundesrepublik hingewiesen haben. Deutschland habe sich vorgenommen, in Europa wegweisend beim Thema erneuerbare Energien zu sein. Dieses Ziel ist laut Gabriel aber in Gefahr, wenn nun nicht gegengesteuert werde. Den Grünen, die seine Pläne scharf kritisiert hatten, soll Energieminister Gabriel einen Dialog angeboten haben. Schliesslich liege man bei vielen Zielen nicht so weit auseinander. Dem Vernehmen nach ist die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im deutschen Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Dennoch können die Länder Einfluss nehmen – und die Pläne mit einem Einspruch monatelang in den Vermittlungsausschuss schicken. Dafür jedoch dürfte Gabriel zu sehr unter Zeitdruck stehen.

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch, Quellen: Echo der Zeit, Spiegel online

0 Kommentare

Kommentar hinzufügen

Partner

  • Agentur Erneuerbare Energien und Energieeffizienz

Ist Ihr Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien oder Energieeffizienz tätig? Dann senden sie ein e-Mail an info@ee-news.ch mit Name, Adresse, Tätigkeitsfeld und Mail, dann nehmen wir Sie gerne ins Firmenverzeichnis auf.

Top

Gelesen
|
Kommentiert