Michael Brückner: "Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist modern und wird etwas inflationär gebraucht. Ob er immer gut verstanden wird, weiss ich nicht. Nachhaltig ist nämlich nicht, wenn man zwar davon redet, aber zugleich den Ast absägt, auf dem man sitzt."

Michael Brückner: Wir sind auf einem guten Weg

(©JW) Am 30. Januar 2014 starten die Energie-Apéros mit der Eröffnungsveranstaltung im Stade de Suisse in Bern. Das Thema „Gemeinsam für die Energiewende mit Bund, Kanton und Wirtschaft“ wird mit einem Referat vom Michael Brückner eingeleitet. Er ist Stadtrat in Nürnberg und gewann bei der Bayerischen Landtagswahl 2013 das Direktmandat im Stimmkreis Nürnberg-Nord.


Der Blick nach Deutschland, in das fortschrittliche Bayern, wird Inspiration und Motivation bieten. Michael Brückner ist Sprecher des „Knoblauchslandes Nürnberg“ mit 190 Betrieben und auf verschiedenen Ebenen im Bayerischen Bauernverband tätig. Als CSU-Politiker befasst er sich auch mit Themen der Umwelt und Energie.

Ihr Referat „
Der Erfolg der Energiewende“ leitet die Energie-Apéros 2014 ein. Wie stellt sich die Energiewende in Deutschland und insbesondere in Bayern konkret dar?
Michael Brückner
: Wir sind auf einem guten Weg. Der Beschluss zur Energiewende ist gefasst, er ist richtig und wird den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Deutschland dauerhaft stärken. In Bayern sind wir – mittlerweile – ganz vorne in der Entwicklung. Die Energiewende ist derzeit in einer besonders spannenden Phase. Anfangs waren viele optimistisch, vielleicht etwas zu optimistisch, und glaubten, dass die Schwierigkeiten sich von alleine erledigen würden. Das ist natürlich nicht geschehen. Jetzt sind wir in einer Phase, in der schon manches gelungen ist – manches aber noch keiner Lösung zugeführt werden konnte. Nun wenden sich bereits einige wenige wieder von der Energiewende ab, weil sie nicht mit einem Fingerschnippen zu haben ist. Aber gerade jetzt kommt es eben darauf an, hartnäckig zu bleiben. Das gilt für Unternehmer, Politiker, Wissenschaftler und Bürger. Die Kriterien sind: Bezahlbarkeit, Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit. Dafür braucht es gute Lösungen. Dann, aber auch nur dann, werden wir die Energiewende zu einem sehr großen Erfolg werden lassen.

Bei den Legislaturzielen der neuen Deutschen Regierung hat die Energiewende eine wichtige Bedeutung und wird auch als Herausforderung bezeichnet. Welche Voraussetzungen sind für die Energiewende in Deutschland wichtig?
Als Mitglied des Bayerischen Landtags habe ich nicht die Aufgabe, der Bundesregierung oder dem Deutschen Bundestag öffentlich Empfehlungen zu geben. Für den Erfolg der Energiewende sind zahlreiche Voraussetzungen notwendig: auf wissenschaftlicher Ebene, auf politischer Ebene, im Bewusstsein der Menschen. Sie im Einzelnen alle aufzuzählen würde zu weit führen. Einige Aspekte aber sind hervorzuheben. Energie muss für die Menschen bezahlbar bleiben – ein Begriff wie „energy poor“ in Großbritannien darf sich bei uns gar nicht erst etablieren. Natürlich muss Energie auch für die Unternehmen bezahlbar bleiben. Die Versorgungssicherheit hat für ein Industrie- und Hochtechnologieland wie Deutschland eine solch zentrale Bedeutung, dass sie unter gar keinen Umständen gefährdet werden darf. Wir sind auch gefordert, die Umweltverträglichkeit in ihrer Komplexität zu begreifen: Ist es umweltgerecht, wenn die Landschaft durch zu viele Windmühlen „zerspargelt“ wird? Auch die optische Gestaltung der Landschaft ist ein Aspekt von Umweltverträglichkeit. Dessen bin ich mir als Landwirt besonders bewusst, denn es sind wir Landwirte, die einen ganz wesentlichen Beitrag zur Kulturlandschaftsgestaltung leisten.

Neben den inhaltlichen Voraussetzungen sind auch gesellschaftliche und politische Voraussetzungen zu schaffen. Die Energiewende ist aus vielen Gründen wichtig und richtig. Umweltschutz ist dabei ein zentraler, aber nicht der einzige Aspekt. Etwas mehr Unabhängigkeit von Lieferanten, ein bewussterer, also effizienterer Umgang mit der Natur und endlichen Rohstoffen – das sind Aspekte, die auch, aber nicht nur aus Gründen des Umweltschutzes wichtig sind.

Welchen Stellenwert messen Sie der Nutzung von Biomasse zu, unter
anderem auch in Bezug zur europäischen Regelung der Anbauflächen?
Biomasse ist ein wichtiger, weil speicherbarer Energieträger. Leider wird die Speicherfähigkeit aus finanziellen Gründen zu wenig genutzt. Hier wirkt sich das EEG in seiner bisherigen Form negativ aus: Man bekommt jederzeit gutes Geld für die Einspeisung – ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Strombedarf. Hier sind Änderungen und Anreize in Richtung auf einen funktionierenden Markt gefragt. Das zum besonders guten Aspekt des Energieträgers Biomasse.

Biomasse hat aber auch einen schwierigeren Aspekt. Wie viel davon können wir uns leisten? Wann ist die Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion zu groß? Bei mir zuhause in Deutschland ist diese Frage eher theoretischer Natur. Wir werden dank unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht hungern. Der Hunger wird in die Länder verdrängt, die auf dem Weltmarkt keine Lebensmittel kaufen können.

Für den Erzeuger kann es einträglicher sein, für warme Wohnzimmer zu sorgen als für Brot. Es kann aber nicht um Einträglichkeit alleine gehen. Es gibt auch eine moralische Verpflichtung des Erzeugers, des Landwirts.

In der Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik sehe ich kein großes Problem. Da bin ich Optimist: Das werden wir so hinbringen, dass wir nicht allzu viele Produktionsflächen verlieren.

Neben Gesetzgebung, geeigneten Technologien und Versorgungsstrukturen spielen auch Verhaltensmuster und -veränderungen eine wesentliche Rolle. Wie schätzen die Möglichke
iten in diesem Bereich ein?
Das betrifft einen schwierigen, aber wichtigen Bereich. Als Christsozialer schätze ich die Eigenverantwortung der Menschen als ein hohes Gut. Deswegen halte ich wenig von Verhaltensvorschriften, aber viel davon, den Menschen notwendige Einsichten zu vermitteln. Die Vermittlung solcher Einsichten geht meist schneller vonstatten, wenn sie erstens ans Thema Geld gekoppelt werden und wenn zweitens technologischer Fortschritt mehr Effizienz bringt, ohne Lebensqualität zu nehmen. Wir sollen Entscheidungen aus dem Elfenbeinturm vermeiden. Nicht alles, was an Verhaltensmustern und -veränderungen wünschenswert ist, kann den Menschen einfach so abverlangt werden. Wir sprechen hier von Prozessen, die unter anderem eines erfordern: Geduld und Nachdrücklichkeit.

Als Landwirt sind Sie bestens vertraut mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit. Welche Veränd
erungen sind notwendig, damit unsere Gesellschaft nachhaltig werden kann?
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist modern und wird etwas inflationär gebraucht. Ob er immer gut verstanden wird, weiss ich nicht. Nachhaltig ist nämlich nicht, wenn man zwar davon redet, aber zugleich den Ast absägt, auf dem man sitzt.

Ein besseres Verständnis für die Natur ist gefragt. Nicht nur, dass es im Winter (manchmal) kalt ist und im Sommer die Bäume Blätter haben – sondern auch, wann uns die Natur was gibt. Das können wir Politiker nicht verordnen. Würden wir versuchen, den Menschen vorzuschreiben, wann sie was zu essen haben oder wie sie den Weg zur Arbeit zurücklegen, dann könnten wir uns gleich mal ein neues Betätigungsfeld suchen. Was das mit den Verkehrsmitteln betrifft: Durch Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln kommt man oft mit fremden Menschen ins Gespräch. Versuchen Sie das mal allein im Auto!

Wer jeden Tag Himbeeren und Tomaten essen kann, wird das eines Tages eintönig finden. Wer aber Himbeeren nur in der Saison bekommt, der wird sich darauf freuen und sie genießen. Nachhaltig handelt, wer durch – ausschließlich freiwilligen – Verzicht sich selbst die Vorfreude aufs nächste Mal bewahrt.

Als Politiker müssen Sie beide Anliegen zusammenbringen:
Das Bedürfnis nach regionaler Energieerzeugung und die internationale Vernetzung, die auch gewisse Abhängigkeiten schafft. Wie gehen Sie in diesem Spannungsfeld vor?
Politik kann nur dann gut sein, wenn sie solide auf der Realität aufbaut und nicht auf Wunschdenken, auf Hoffnungen oder auf Ängsten. Dem Bedürfnis nach regionaler und kleinteiliger Energieerzeugung – was wir wollen – kann nur dann Raum gegeben werden, wenn die Netze dafür ausgelegt sind. Damit die Netze dafür noch besser ausgelegt werden, sind zahlreiche Voraussetzungen zu schaffen, und zwar Voraussetzungen technologischer, finanzieller, politischer und gesetzgeberischer Natur. Wir können – einerseits – nur beschließen, was technisch möglich ist, was bezahlbar ist. Als Parlamentarier schaffen wir die gesetzlichen Grundlagen – aber wir führen sie nicht aus. Und deswegen haben wir – andererseits – den Auftrag, solche Beschlüsse zu fassen, die überhaupt erst die neuen technischen Lösungen herbeiführen, die für die Bezahlbarkeit sorgen. Wir haben die Aufgabe, Neues zu ermöglichen. Deswegen wird derzeit intensiv über einen gesetzlichen Gesamtrahmen zur Energiewende diskutiert.

Am Energie-Apéro
in Bern sind die Teilnehmenden daran interessiert, Empfehlungen und Tipps von Ihnen zu hören. Was werden Sie den Schweizer Energieinteressierten vermitteln?
Hoffentlich wird man nicht enttäuscht sein: Ich komme nicht, um zu lehren, sondern um zu lernen. Freilich berichte ich gerne von den eigenen Erfahrungen und lege den eigenen Standpunkt dar. Besonders wichtig aber ist mir, durch Gespräche mit den Teilnehmern das eigene Wissen zu erweitern, Erfahrungen mitzunehmen und, das darf ich in aller Offenheit sagen, ich komme auch sehr gerne in die schöne Schweiz.

Informationen zur Person Michael Brückner >>

©Text: Jürg Wellstein, das Interview ist im Newsletter de energie-cluster.ch erschienen

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