Eine zuversichtlich gestimmte UVEK-Vorsteherin, Bundesrätin Doris Leuthard angesichts er angesagten Strommarktliberalisierung sowie der Zukunft der Stromversorgung in der Schweiz und in Europa. Bilder: T. Rütti

Am 8. Stromkongress waren 450 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Strombranche zugegen, aber auch aus den Forschungsstellen und Hochschulen – Führungskräfte, die auch den Meinungsaustausch suchten.

Moderator Reto Brennwald im Gespräch mit Suzanne Thoma (CEO BKW Energie AG). Wie sie darlegte, sind für Energieversorgungsunternehmen Erweiterungen des Portfolios ein Erfordernis der Zeit.

Bilaterales Abkommen im Energiebereich: Laut EU-Kommissar Günther Oettinger wurden bei den 2007 gestarteten Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz bereits zu 80% Übereinstimmung erzielt.

8. Stromkongress: EU-Strom-Binnenmarkt, aber bitte nicht ohne die Schweiz!

(©TR) Am Stromkongress von VSE und Elektrosuisse vom 13.-14. Januar wurden über den europäische Strombinnenmarkt debatiert, der bis Ende 2014 umgesetzt sein soll. Exponenten aus Wirtschaft, Politik und Strombranche diskutierten über die Energiezukunft der Schweiz in Europa.


Am Rande des Schweizerischen Stromkongresses im Berner Kursaal kam es zu einem Arbeitsgespräch zwischen Bundesrätin Doris Leuthard (UVEK) und EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Das Treffen diente dem Informationsaustausch bezüglich Stand der Verhandlungen für ein bilaterales Abkommen im Energiebereich. Laut Oettinger wurden bei den 2007 in Angriff genommenen Verhandlungen inzwischen 80% Übereinstimmung erzielt. Oettinger illustrierte die Vorteile eines Abkommens für die Schweiz am Beispiel des derzeit schwierigen Marktumfelds der Wasserkraft. Die Betreiber von Wasserkraftwerken beklagten sich über marktverzerrende Subventionen für erneuerbare Energie. «Mit einem Abkommen können sie gegen solche Verzerrungen klagen», sagte Oettinger. Laut Bundesrätin Leuthard gibt es noch diverse Knacknüsse, bis die Schweiz und die EU ihre Unterschriften unter einen Vertrag setzen werden. Aber man komme voran.

«Wir müssen noch viel Überzeugungsarbeit leisten»

Sowohl Energieministerin Doris Leuthard als auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger gaben sich am Kongress zuversichtlich und bezeichneten das Jahr 2014 als «richtungsweisend». Letztlich werden das Parlament im Bundesbern beziehungsweise das Schweizer Stimmvolk sowie das EU-Parlament in Brüssel über den Beitritt der Schweiz zum EU-Strombinnenmarkt befinden. «Wir müssen noch viel Überzeugungsarbeit leisten», sagte Bundesrätin Leuthard im Hinblick auf die Debatte im Parlament sowie einer allfällige Volksabstimmung. «Spricht sich die Schweiz gegen eine Teilnahme am europäischen Strommarkt aus, hat dies vor allem höhere Preise zur Folge», gab die Energieministerin vor dem Hintergrund eines energiepolitisch schwierigen Umfelds und der Entwicklungen auf dem europäischen Kontinent zu bedenken. Die Energiewende betrachtet sie aus der Warte eines ressourcenarmen und importabhängigen Landes als «eine ökologische und ökonomische Notwendigkeit».


Investitionen in die Erneuerung der Energieinfrastruktur
Für die Schweiz ist ein Status quo «keine Option», so die UVEK-Vorsteherin. Investitionen in die Erneuerung der Energieinfrastruktur sind ihr wichtig. Die Erhöhung der Versorgungssicherheit gilt als ein erstrebenswertes Hauptziel eines bilateralen Stromabkommens. Sein Zustandekommen liegt ganz im Interesse beider Parteien, der EU und der Schweiz. Oettinger: «Für die EU soll ein durchgehender, einheitlich regulierter Energiebinnenmarkt unter Einbezug der Schweiz und ihrer traditionellen Drehscheibenfunktion als Stromtransitland mit ihren Pumpspeicherkraftwerken entstehen. Für die Schweiz wiederum sollen sich aus dem Abkommen positive Auswirkungen bezüglich Marktzutritt, Versorgungssicherheit und Verbraucherpreise sowie für die Rechts- und Planungssicherheit der Schweizer Marktteilnehmer ergeben.»

Umbau des Energiesystems erfordert globale Perspektive
Gabriele Gabrielli, Präsident Electrosuisse, und Kurt Rohrbach, Präsident VSE, gaben sich in ihren Statements erfreut über die herrschende Aufbruchstimmung und über die Gesinnung der Energieministerin Leuthard und des EU-Energiekommissars Oettinger. Man habe offenbar erkannt, dass das Stromabkommen mit der EU für die Branche von grösster Bedeutung sei, und zwar nicht nur für die Schweizer Energieversorger, sondern auch für jene in ganz Europa. Überhaupt brauche es beim Umbau des Energiesystems eine globale Perspektive. «Wir sollten nicht aus den Augen verlieren, dass der Umbruch weltweit geschieht, und dass wir in der Schweiz nicht die einzigen Akteure sind.» Einigkeit herrscht gemäss dem VSE-Präsidenten auch punkto Stossrichtung des Umbaus der Energieversorgung: Energieeffizienz, einheimische Produktion, erneuerbare Energie. Allerdings könnten der Volkswirtschaft nicht endlose Belastungen zugemutet werden und auch bei den privaten Haushalten gebe es Grenzen des Zumutbaren.

Schwierige Basis
Mit welche Auswirkungen auf die Strategie eines Energieversorgungsunternehmens (EVU) ist zu rechnen, fragte sich Dr. Suzanne Thoma, CEO BKW Energie AG. «Grundsätzlich ist die Integration der Schweiz in den europäischen Strommarkt eine Notwendigkeit. Sinkende Strompreise, eine sinkende Volatilität und mehr Regulierung sind allerdings die Konsequenzen», sagte Suzanne Thoma leicht zähneknirschend. Sie machte keinen Hehl daraus, dass diese Entwicklung kaum im Sinn und Geist eines Energieversorgungsunternehmens (EVU) sei. Das klassische Stromgeschäft verliere mit der Einbindung in den europäischen Strommarkt an Attraktivität. Also müssten sich die EVUs neue Strategien einfallen lassen und sich tendenziell weg vom klassischen Stromgeschäft hin zu neuen Geschäftsmodellen bewegen. Will heissen: Ergänzungen und Erweiterungen des bestehenden Portfolios mit innovativen Lösungen – eine laut BKW-Chefin Thoma «schwierige Basis für die Zukunft», wobei der Wandel aber durchaus auch Chancen biete. Trotzdem: «So interessant Strom als Billigware volkswirtschaftlich auch sein mag, gleichzeitig droht den EVUs der Reiz für Neuinvestitionen abhanden zu kommen.» Ein Slogan der BKW lautet denn auch: «Abschalten und durchstarten. Die BKW auf dem Weg zur führenden Energiedienstleisterin.»

Ein Energielenkungssystem für die Schweiz?
Hans Hess, Präsident Swissmem, äusserte sich zu den Chance und Risiken der Energiestrategie im Werkplatz Schweiz. Besonders stark betroffen von den energiepolitischen Entwicklungen sei die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie mit all ihren produzierende Unternehmen und den teils sehr energieintensiven Prozessen. Nur gut, gebe es in der Schweizer Industrie auch noch ein grosses Effizienzpotential bezüglich des Energieverbrauchs. Zum Thema Energiestrategie 2050 nannte er die Bedeutung der entsprechenden Rahmenbedingungen, wie sie auch vom Bundesrat erkannt worden seien: die Strommarktöffnung, das bilaterale Stromabkommen, die Teilnahme am europäischen Emissionshandelssystems. Das heutige Subventionssystem müsste seiner Meinung nach rasch durch ein Lenkungssystem abgelöst und keinesfalls noch ausgedehnt werden, so Hans Hess. Die Energieeffizienz nehme im künftigen Energiesystem eine Schlüsselrolle ein. Sie müsse über die ganze Wertschöpfungskette hinweg weiter vorangetrieben werden. Ein spontane Befragung unter den Kongressteilnehmern ergab denn auch knapp 80% Ja-Stimmen zur Frage: «Sind Sie dafür, dass die Schweiz ein Energielenkungssystem einführt.»

«Die Energiestrategie ist technisch umsetzbar»

ABB-Lösungen könnten Energieverluste um 20 bis 30 % reduzieren! Innovationen, smarte Lösungen, smarte Entscheidungen – all dies im Interesse der Energiezukunft. Erörtert und anhand von Beispielen illustriert wurde dies von Dr. Remo Lütolf, Vorsitzender der Geschäftsleitung ABB Schweiz. Er sagte es gleich zu Beginn und ohne Wenn und Aber: «Die Energiestrategie ist technisch umsetzbar.» Neue regenerative Energien verfügten global betrachtet über ein absolut unlimitiertes Ressourcenpotenzial: Photovoltaikanlagen etwa in der Sahara, Windkraft On-shore und Off-shore, Wasserkraft (Neuerschliessungen, Leistungssteigerungen). Wechselnde Energieflüsse stellten allerdings auch ganz neue Anforderungen ans Netz. Eine volatile Stromerzeugung bedingt laut Remo Lütolf neue Formen der Energiespeicherung. Zudem plädierte er für smarte Rahmenbedingungen, um eine wirtschaftliche Umsetzung zu ermöglichen.

Überangebot und starke Preisschwankungen?

Herausforderungen der neuen erneuerbaren Energien: Dazu bezog Marcel Frei Stellung und präsentierte den Slogan: «Unsere Zukunft ist erneuerbar» Die Förderungen von neuen erneuerbaren Energie in Europa gelinge aber nur, wenn dazu auch die entsprechenden politischen Voraussetzungen geschaffen würden, glaubt der ewz-CEO. Eine vermehrte Einspeisung von unregelmässig produziertem Strom aus Wind- und Solarkraft führt seiner Meinung nach bloss zu einem Überangebot sowie zu starken Preisschwankungen am Strommarkt. Ein verzerrter Strommarkt? Laut Marcel Frei trägt die Subventionierung von konventionellen Kraftwerken und die Förderung von erneuerbaren Energien zu Marktverzerrungen bei… Weg vom Fördermodell, hin zur Lenkungsabgabe, lautet auch für den ewz-CEO die Losung. Für eine erneuerbare Energiezukunft brauche es Massnahmen wie der Ausstieg aus der Atomkraft, eine Energieabkommen mit der EU und eine vollständige Marktöffnung.

Er
dgasvorkommen für 175 Jahre
Nicht unbedeutend im globalen Energiemix dürfte das Erdgasvorkommen sein. Dazu sprach Prof. Dr. Klaus-Dieter Barbknecht vom Verbundnetz Gas AG Leipzig. Die sogleich verfügbaren Erdgasreserven reichten noch für die nächsten 60 Jahre, die effektiv vorhandenen Erdgasressourcen hingegen hätten noch eine Reichweite von nicht weniger als 175 Jahre. Unter Reserven versteht Barbknecht die nachgewiesene, zu heutigen Preisen und mit heutiger Technik wirtschaftlich gewinnbaren Menge. Unter Ressourcen fallen nachgewiesene, aber derzeit technisch und/oder wirtschaftlich noch nicht gewinnbaren Mengen.

Kohlekriese vor und während dem 1. Weltkrieg

Der Kommunikationsberater Dr. Iwan Rickenbacher dreht das Rad der Zeit zurück und führte den rund 450 Teilnehmenden die Anfänge der bundesstaatlichen Energiepolitik vor Augen, welche mit der Kohlekriese vor und während des 1. Weltkriegs begonnen habe. Damit leitete er ein zum Kernthema seines Referats: Energiestrategie und Schweizer Demokratie. Hier bestehe «ein spezielles Spannungsverhältnis». Er listete all die in Parlament und Bundesrat pendenten Geschäfte rund um das Energiewesen auf, präsentierte aber auch die aktuelle Stossrichtung zur Energiestrategie 2050 sowie die parlamentarischen Vorstösse: Versorgungssicherheit, Beschwerdereche, technische Neuerungen, Cleantech, Hochspannungsleitungen, Strommarktliberalisierung, Tarifpolitik, Endlager, Energie- und Arbeitspolitik.

©Text: Toni Rütti, Redaktor ee-news.ch

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