Der Projektleiter Benoit Sicre testet die neu entwickelte Regelung der Frischwasserstation. Bild: Heinz Dahinden

Warmwasseraufbereitung: Alte Technik neu erfunden

(©FAR) Kochen, duschen, Hände waschen. Dass überall warmes Wasser aus der Leitung kommt, erscheint uns selbstverständlich. Doch die Technik, die diesen Komfort gewährleistet, kostet viel Energie und ist nicht frei von Gesundheitsrisiken. Deshalb arbeiten Forscher der Hochschule Luzern gemeinsam mit Partnern an einer Alternative.


Damit jederzeit genügend warmes Wasser zur Verfügung steht, sind heute in grossen Gebäuden wie Hotels oder Sportstätten häufig riesige Warmwasserspeicher mit bis zu mehreren tausend Litern Fassungsvermögen installiert. Darin wird – wie in einem in Haushalten üblichen Boiler – das Wasser nicht nur erhitzt, sondern auch so lange warm gehalten, bis es an einer der vielen Zapfstellen im Gebäude gebraucht wird.

Hoher Energieverbrauch
«Das funktioniert gut, allerdings frisst ein solcher Vorratsspeicher Unmengen an Energie», sagt Benoit Sicre, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Integrale Gebäudetechnik (ZIG) an der Hochschule Luzern in Horw. Oft sei der Energieverbrauch zudem völlig unnötig. Dann nämlich, wenn über längere Zeit kein warmes Wasser gebraucht wird – beispielsweise an Tagen, an denen die Sportanlagen geschlossen seien. «Das ist alles andere als energieeffizient», sagt Sicre. Aber nicht nur der hohe Energieverbrauch der Vorratsspeicher ist ihm ein Dorn im Auge. Denn das stehende, warme Wasser birgt auch Gefahren. «Es können sich darin Legionellen vermehren», so der Forscher. Das kann schlimme Folgen haben für Menschen mit einem schwachen Immunsystem – vor allem für Ältere oder Kranke. Weil diese Legionellen durch feine Tröpfchen übertragen werden, lauert die Gefahr einer Infektion überall dort, wo der Mensch Aerosol aus Wasser einatmet, das über längere Zeit gestanden hat – beispielsweise unter der Dusche. Deshalb sollte das Wasser in Vorratsspeichern generell auf etwa 60 Grad Celsius gebracht werden. Das tötet die Bakterien ab.

Frischwasserstation statt Warmwasserspeicher
Doch weil dies viel Energie verbraucht, arbeitet Sicre gemeinsam mit Partnern vom Institut für Solartechnik (SPF) der Hochschule Rapperswil und der Urdorfer Firma Taconova in einem von der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) unterstützten Projekt an einem System, das deutlich sparsamer ist. Die Idee: Statt das Wasser lange im Voraus zu erhitzen, wird es wie bei einem althergebrachten Durchlauferhitzer nur dann erwärmt, wenn tatsächlich Bedarf besteht. Während der aber in der Regel mit Erdgas oder Strom funktioniert, kann die neuartige Frischwasserstation auch an andere, alternative Energiequellen wie Solarwärme, Wärmepumpen oder Prozessabwärme angeschlossen werden. Diese speisen dann einen so genannten Plattenwärmetauscher, der das kalte Wasser innert Sekunden auf 60 Grad Celsius bringt. Zudem kommt das System ohne klassischen Wasserspeicher aus und ist deshalb bedeutend kleiner als herkömmliche Anlagen.



Für Grossverbraucher entwickelt
Neu ist die Idee nicht. Schon Grossmutter kannte den Durchlauferhitzer, und auch grössere Frischwasserstationen sind schon seit einigen Jahren auf dem Markt. Allerdings sind diese für Einfamilien- und kleinere Mehrfamilienhäuser konzipiert worden. Das neue Produkt hingegen soll den deutlich grösseren Warmwasserbedarf von öffentlichen Gebäuden, Hotels und Sportstätten decken. Dieses Ziel stellt die Forscher vor eine grosse Herausforderung. Die Station muss jederzeit warmes Wasser liefern können – unabhängig davon, wie viele Leute gleichzeitig den Hahn öffnen. Deswegen sei die Regelung das absolute Herzstück des Systems, so Benoit Sicre. «Sie muss grosse Bedarfsschwankungen erkennen und ausgleichen können, ohne dass der Nutzer davon etwas merkt.» Damit das in Zukunft auch tatsächlich der Fall ist, testen die Forscher die Neuentwicklung auf Herz und Nieren. Beispielsweise untersuchen sie mittels simulierter Zapfungen, wie sich die Anlage hinsichtlich Energieeffizienz, Komfort und Verlässlichkeit noch verbessern lässt.

Gesetzgebung lässt Nachfrage steigen
Dass Frischwasserstationen Zukunft haben, steht auch für Ralph Seewald, CEO von Taconova, ausser Frage: «Da ist ein deutlicher Trend erkennbar.» Unter anderem auch deshalb, weil kürzlich die deutsche Trinkwasserverordnung geändert wurde: Künftig müssen in Deutschland Vermieter die Wasserqualität in ihren Objekten jährlich testen lassen. Untersucht wird auch auf Legionellen. Wenn die Bakterien nachgewiesen werden, müssen sämtliche Rohre und Speicher aufwendig gereinigt und desinfiziert werden. Das kann teuer werden. Deswegen suchen die Hausbesitzer nun verstärkt nach Alternativen. Seit dem neuen Beschluss sei auch bei Taconova die Nachfrage an Frischwassersystemen gestiegen, so Seewald – und das nicht nur aus Deutschland. Er nimmt an, dass bald auch andere Länder dem Beispiel unseres nördlichen Nachbarn folgen. «Entweder freiwillig oder weil solche Regelungen schnell EU-Recht werden.» Bis dahin wolle sein Unternehmen gerüstet sein. Deshalb wird nun ein Prototyp der Grossstation angefertigt. Während die Forscher der Hochschule Luzern diesen noch einmal im Teststand prüfen, bereiten die Mitarbeiter von Taconova bereits die Markteinführung vor. Wenn alles nach Plan läuft, kommt die Serie der neu entwickelten Frischwasserstationen im Sommer 2014 auf den Markt.

Testen für das Wohlgefühl
Das Zentrum für Integrale Gebäudetechnik an der Hochschule Luzern – Technik & Architektur ist spezialisiert auf Forschungs- und Prüftätigkeiten im Bereich Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Sanitärtechnik (HLKS). Wichtige Themen sind Energieeffizienz im Gebäude und Komfort. Zu den Kernkompetenzen gehören die Anwendung von verschiedenen Simulationsmethoden sowie strömungstechnische, akustische und wärmetechnische Messungen. Auch Luftdurchlässigkeitsmessungen und thermografische Aufnahmen von Gebäuden gehören zum Angebot. Zudem bieten die Spezialisten Beratungen für Energiekonzepte an. Darüber hinaus beherbergt das ZIG auch die Zertifizierungsstelle für Minergie-P-Gebäude in der Schweiz.

Hochschule Luzern – Das Magazin
Dieser Artikel erschien im Magazin der Hochschule Luzern vom Februar 2013. Das Magazin erscheint dreimal pro Jahr. Neben wechselnden interdisziplinären Schwerpunkten behandelt es diverse Themen aus angewandter Forschung sowie Aus- und Weiterbildung. Mit längeren Reportagen und informativen Kurznachrichten und Interviews mit Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wirtschaft werden die Interessen einer breitgefächerten Leserschaft berücksichtigt. Das Magazin erscheint in einer Auflage von 40’000 Exemplaren und kann gratis unter www.hslu.ch/magazin bestellt werden.

©Text: Fee Anabelle Riebeling, Hochschule Luzern - Technik & Architektur

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