Terminal E des Flughafens Zürich nutzt 300 Energiepfähle. Bild: Jürg Wellstein

ThermoPile separiert einzelne Pfahlsegmente und berücksichtigt damit unterschiedliche Bodenverhältnisse. Bild: LMS

Analysenprinzip von Bodenproben bei Temperaturveränderungen. Bild: LMS

Geostrukturen: Mit thermischer Belastung konfrontiert

(JW) Im Labor für Bodenmechanik an der ETH Lausanne erarbeitet ein Forschungsteam konstruktive Empfehlungen zur optimalen und zuverlässigen Auslegung von Energiepfählen. Dazu gehört auch die Entwicklung eines neuen Berechnungsprogramms.


Das Labor für Bodenmechanik an der ETH Lausanne erforscht und entwickelt Methoden zur Nutzung von Erdwärme mit den vorhandenen Geostrukturen im Boden. Diese umfassen beispielsweise Pfähle, welche als Gebäude- und Brückenfundamente eingesetzt werden, um damit Senkungen der oberen Strukturen vermeiden können. Zum Einsatz kommen Pfähle ohne Aushub des Untergrunds (z.B. Rammpfähle), während bei der anderen Pfahlversion die Erdmasse zunächst ausgehoben oder ausgebohrt wird. Danach giesst man Beton in das entstandene Loch und stellt so den Pfahl her (z.B. Ortbetonpfähle). Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal betrifft die Lage eines Pfahls. Der eine stützt sich auf felsigem Untergrund auf, während die andere Version im Untergrund „fixiert“ ist und nur durch den seitlichen Widerstand hält.

Geostrukturen dienen als Wärmetauscher
Sowohl bei Energiepfählen als auch anderen Formen von Geostrukturen werden Absorberrohre eingebaut, mit welchen ein Primärkreislauf realisiert und der Energiegewinn zur Wärmung und Kühlung von Gebäuden und Infrastrukturen eingesetzt werden kann. Im Allgemeinen nutzt man die saisonale Speicherfähigkeit des Untergrunds aus und schaltet nach dem winterlichen Wärmeentzug im Sommer auf das Free-cooling-System, bei welchem der Untergrund wieder thermisch aufgeladen wird.

Lyesse Laloui, Direktor des Labors, sagt: „Es sind in der Praxis Berechnungswerkzeuge vorhanden, mit denen die Auslegung der Pfähle und ihrer Abstände entsprechend den vorhandenen Gewichten, der Beschaffenheit des Untergrunds und den notwendigen Materialien durchgeführt werden kann. Wir wollen aber weiter gehen. Ziel unserer Studien sind Empfehlungen für die Auslegung von energetisch genutzten Pfählen, also Energiepfählen, welche einerseits die bauphysikalischen und geologischen Bedingungen erfüllen müssen, anderseits aber mit thermischen Belastungen konfrontiert werden. Es gilt nämlich zu beachten, dass Betonpfahl und Untergrund von den hohen Temperaturschwankungen gegenseitig beeinflusst bzw. verändert werden.“

Erste Leuchtturmprojekte
Seit den frühen 1980er-Jahren werden Fundationselemente geothermisch genutzt, vor allem in Deutschland, Österreich, England und der Schweiz, aber auch zunehmend in Japan, Kanada, Italien, Holland usw. In der Schweiz gehören der Terminal E des Flughafens Zürich, die Primarschule in Fully sowie das Pago-Gebäude in Grabs zu den frühen Leuchtturmprojekten.

Erforschung des Bodenverhaltens
Alice Di Donna, Doktorandin am LMS, meint: “Während einige Erkenntnisse zum Verhalten von Lehm bei Temperaturen zwischen 18 und 100 °C vorhanden sind, fehlen fundierte Resultate für den tieferen Temperaturbereich. Zum einen geht es um Deformationseffekte durch Temperaturschwankungen bei konstanter Belastung, zum andern um den Einfluss von Temperaturen auf die Kompressions- und Verformungsfähigkeit sowie den Scherwiderstand des Untergrunds. Experimente an der ETH Lausanne testeten das thermo-mechanische Verhalten bei tiefen Temperaturen.“

In Lausanne werden Tests mit Heiz- und Kühlzyklen durchgeführt. Die thermische Beanspruchung auf der gesamten Pfahllänge ist signifikant. Der Pfahl steht in einer Wechselwirkung mit dem Untergrund; Berechnungen für einen Pfahl einzig auf rein mechanische Lasten auszulegen, entspricht somit nicht den tatsächlich auftretenden Effekten.

Neuartiges Berechnungsmodell im Einsatz
Ein unter Last stehender Pfahl verhält sich bei Erwärmung und Abkühlung durch den energetischen Austausch sehr komplex. Seine natürlichen Deformationsbewegungen sind – eingebettet im Untergrund – limitiert, jedoch von der Bodenbeschaffenheit abhängig.

„Wir haben an der EPFL in den vergangenen Jahren an Finite-Elemente-Modellen zur Simulation des Energiepfahlverhaltens gearbeitet“, bestätigt Lyesse Laloui. Eine im 2009 durchgeführte Weiterentwicklung berücksichtigte eine Gruppe von neun Pfählen jenseits konventioneller Temperaturbereiche. Zurzeit wird am LMS ein nutzerfreundliches Werkzeug entwickelt: ThermoPile. Es beruht auf einer Aufteilung des Pfahls in einzelne Segmente und erlaubt damit, unterschiedliche Erdschichten zu berücksichtigen, also ihr jeweiliges elastisch-plastisches Verhalten einzubeziehen.

Komplexe Zusammenhänge erforschen
Bei der Dimensionierung von Energiepfählen und anderen Geostrukturen wurden die Berechnungen üblicherweise nur mit einem empirischen Ansatz zum Wärmeaustausch durchgeführt, ohne die mechanischen Effekte der Temperaturschwankungen zu berücksichtigen. Damit konnte die Dimensionierung jedoch ausschliesslich mit einfachen Wärmeflusswerten erfolgen. Eine optimale Dimensionierung sollte allerdings die thermo-mechanischen Effekte einbeziehen.

Eine Weiterentwicklung der Berechnungswerkzeuge muss die komplexen Zusammenhänge von mechanischen Parametern des Fundationssystems, der Temperaturen und Grundwasservorkommen sowie die nichtlinearen Gesetzmässigkeiten des Erdspeichers berücksichtigen. Auf diese Weise können die Kosten der Anlage reduziert und die Energieeffizienz erhöht werden. Das vom Bundesamt für Energie (BFE) unterstützte Projekt befasst sich mit der thermo-mechanischen Bestimmung von Erdproben im Labor. Dabei werden die Effekte der Temperatur auf die Deformier- und Komprimierbarkeit, Plastizität, Scherwiderstand usw. von lehmiger und sandiger Erde analysiert. Zudem sollen Scherversuche zwischen Beton und Erde mit Zyklentests im gesamten Temperaturbereich Aufschluss über das Aufwärm- und Abkühlverhalten geben.

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Text: Jürg Wellstein

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