Japan: Erste Arbeiten in Reaktor 1 in Fukushima ausgeführt, weiteres AKW wegen Erdbebengefahr abgeschaltet

(ee-news.ch) «Aus» für eines der grössten Atomkraftwerke Japans: Die Regierung hat den Betreiber aufgefordert, die Reaktoren des Werks Hamaoka stillzulegen. Grund ist die grosse Erdbebengefahr. Im 10-minutigen Schichtbetrieb haben Arbeiter gestern zum ersten Mal seit dem Tsunami in Fukushima innerhalb des Reaktorgebäudes 1 gearbeitet und Filter installiert, welche die Luft dekontaminieren sollen.


Gemäss Greenpeace Schweiz soll in einem nächsten Schritt Geräte installiert werden, um den Wasserpegel im Containment zu messen. Tepco hoffe, gegen Mitte Mai ein zirkulierendes Kühlungssystem im Reaktor 1 in Betrieb zu nehmen. Wenn alles klappe, könnte der Reaktor bis Ende Mai unter 100°C gekühlt werden. Grosse Unsicherheiten bliebben allerdings, vor allem weil das Containment sehr wahrscheinlich leckt. Ähnliche Arbeiten seien in Reaktoren 2 und 3 vorgesehen, der Zeitpunkt ist allerdings nicht bekannt.

Arbeiterinnen kontaminiert
Gemäss Greenpeace Schweiz wurden zwei Arbeiterinnen in einem Gebäude, das als Basis für Notfallarbeiten genutzt wird, durch den Kontakt mit Kleidung und Luft kontaminiert. TEPCO hätte es versäumt, die Strahlung innerhalb des Gebäudes zu messen.

Strahlung in der Sperrzone
Gemäss der Regierung wird Anfang 2012 entschieden, ob Evakuierte nach Hause zurückkehren können. Das hänge davon ab, ob "der Zeitplan für die Sanierungsarbeiten eingehalten wird".

Besorgniserregende Mengen radioaktiven Cäsiums im Meer
Das Greenpeace-Vorhaben, Messungen im Meer vorzunehmen, hat nun ausgerechnet in der 12-Meilenzone unerwartet schnelle Ergebnisse zur Folge gehabt: Greenpeace Deutschland berichtet, Tepco scheine den eigenen Beschwichtigungen nicht mehr getraut zu haben, vielleicht sollten aber eigentlich auch nur unbedenkliche Werte präsentiert werden. Die Betreibergesellschaft habe jetzt jedenfalls selber Sedimentproben genommen und Messergebnisse vorgestellt. Was wohl kaum überrasche: Proben von Meeresboden aus bis zu 3 km Küstenentfernung enthielten besorgniserregende Mengen radioaktiven Cäsiums.

Gemäss Greenpeace sei es ganz offensichtlich also nicht zu der erhofften grosszügigen Verteilung und Verdünnung gekommen. Auch werden die langlebigen Cäsium-Isotope weiträumige Küstengebiete dauerhaft belasten und sich in der Nahrungskette anreichern. Die Folgen seien noch nicht im Detail absehbar, sicher ergebe sich aber auf lange Zeit ein reelles Gesundheitsrisiko durch Fisch und Meeresfrüchte.

Regierung will AKW Hamaoka still legen
Gemäss SR DRS will Japans Regierung eines der grössten Atomkraftwerke des Landes wegen der Erdbebengefahr stilllegen lassen. Ministerpräsident Naoto Kan habe den Betreiber Chubu Electric Power dazu aufgefordert, die Reaktoren 3 bis 5 der Anlage Hamaoka nicht weiter zu nutzen, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo. Die Gefahr einer Katastrophe sei bei dem in einer Erdbebenregion liegenden Kraftwerk zu gross. Die Reaktoren 1 und 2 hatte der Konzern bereits zuvor stillgelegt.

Zu grosse Erdbebengefahr
Gemäss SR DRS liege gemäss einer Studie im Auftrag der Regierung zufolge die Wahrscheinlichkeit für ein Beben der Stärke 8 in Zentraljapan in den nächsten 30 Jahren bei 87 Prozent, meldete Kyodo. Das Kraftwerk Hamaoka liegt nur 170 Kilometer südwestlich von Tokio nahe der 36'000-Einwohner-Stadt Omaezaki am Pazifik. Aktivisten fordern schon lange, es wegen der Erdbebengefahr abzuschalten. In der Anlage hatte es zudem mehrfach Störfälle gegeben.

Greenpeace Proteste vor Schulen in Fukushima
Vor der japanischen Botschaft demonstrieren Greenpeace-Aktivisten am Mittwoch dafür, die Kinder in der japanischen Präfektur Fukushima besser vor radioaktiver Kontamination zu schützen. Die Aktivisten übergabe einen offenen Brief an Botschafter Dr. Takahiro Shinyo. Auf Bannern fordern sie Japans Regierung in englischer und japanischer Sprache zum Schutz der Kinder auf: Save the children of Fukushima.

In der Präfektur Fukushima dürfen Kinder nach einer neuen Regelung der Regierung einer jährlichen radioaktiven Höchstdosis von 20 Millisievert (mSv) pro Jahr ausgesetzt sein, dem in Deutschland zulässigen Höchstwert für AKW-Arbeiter. Kinder sind jedoch besonders durch Radioaktivität gefährdet, da die häufige Zellteilung im Wachstum die Entstehung von Krebs und die Schädigung des Erbguts begünstigt.

Kinder und Schwangere müssen sofort aus den betroffenen Gebieten in andere Landesteile evakuiert werden. Der Grenzwert muss gesenkt werden, sagt Dirk Zimmermann, Sprecher von Greenpeace. Es ist Aufgabe der japanischen Regierung, den größtmöglichen gesundheitlichen Schutz gerade für Kinder zu gewährleisten. Das bedeutet auch, über Risiken aufzuklären und dafür zu sorgen, dass Kinder und Schwangere hoch radioaktiv belastete

Zustand der Reaktoren gemäss Greenpeace Deutschland

Der Unfall in Fukushima wurde als katastrophaler Unall mit der INES Stufe 7 bewertet und liegt damit auf der selben Stufe wie Tschernobyl.

  • Block 1: Kern und Brennstäbe sollen laut einer Schätzung des Betreibers Tepco vom 27. April zu 55 Prozent beschädigt sein. Die Brennstäbe liegen ganz oder teilweise frei. Seit dem 27. April wird der vermutlich intakte Sicherheitsbehälter mit Speisewasser aufgefüllt, nach wie vor wird Stickstoff eingespeist. Der Zustand der Brennelemente im Abklingbecken ist unbekannt. Das Reaktorgebäude ist durch eine Wasserstoffexplosion schwer beschädigt.
    Geplant ist der Einsatz einer mobilen Luftfilteranlage für fünf Tage, die in dieser Zeit 95 Prozent der angesaugten radioaktiven Stoffe aus der Luft im Reaktorgebäude filtern kann.
  • Block 2: Kern und Brennstäbe sind zu - geschätzt - 35 Prozent beschädigt. Die Brennstäbe liegen ganz oder teilweise frei. Auch der Sicherheitsbehälter ist vermutlich beschädigt und leckt. Der Zustand der Brennelemente im Abklinbecken ist unbekannt. Das Reaktorgebäude ist leicht beschädigt. Nach einer Unterbrechung am 29. April wird wieder hochradioaktives Wasser abgepumpt.
  • Block 3: Kern und Brennstäbe sind zu 30 Prozent beschädigt (Tepco-Schätzung vom 27. April), der Sicherheitsbehälter ist vermutlich intakt. Die Brennelemente im Abklingbecken sind wahrscheinlich beschädigt. Das Reaktorgebäude ist durch eine Wasserstoffexplosion schwer beschädigt.
  • Block 4: Zur Zeit des Unfalls waren alle Brennelemente im Abklingbecken. Radioaktive Wasserproben weisen nach Angaben des Betreibers darauf hin, dass die Brennstäbe teilweise beschädigt sein könnten. Das Reaktorgebäude ist schwer beschädigt.
  • Block 5 und 6: In die Gebäudedächer wurden Entlüftungslöcher gebohrt, um Wasserstoffexplosionen zu verhindern. Die Kühlung der Abklingbecken ist wiederhergestellt.

Text: ee-news.ch, Quellen: SR DRS, Greenpeace Schweiz und Deutschland

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