Fukushima: Schlimmer als in Tschernobyl, wo «nur» ein Reaktor explodierte

(TR) Die AKW-Katastrophe in Fukushima habe «nur» Stufe 5 auf der internationalen Skala erreicht, hiess es lange Zeit. Nun aber räumen die japanischen Behörden ein, dass es sich doch um eine Katastrophe der Stufe 7 handle – wie damals in Tschernobyl. Auf Radio DRS nahm der deutsche Physiker Sebastian Pflugbeil, Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, Stellung dazu.


Schon vor einem Monat hatte Sebastian Pflugbeil schlimmste Befürchtungen geäussert und den japanischen Behörden keinen Glauben geschenkt (siehe Meldung auf ee-news.ch vom 23. März>>) . Diese behaupteten unbelehrbar, es handle sich bei der AKW-Katastrophe in Fukushima «nur» um eine Katastrophe der Stufe 5 auf der internationalen Skala. Jede Skepsis hat sich nun leider als unabwendbare Realität erwiesen. «Dass die japanischen Behörden jetzt eingestehen, dass es sich um eine Katastrophe handelt, die mit jener vor 25 Jahren in Tschernobyl gleichzusetzen ist, hat schon einen gewissen ‹diplomatischen Wert›», äusserte sich Sebastian Pflugbeil gegenüber Radio DRS. Will heissen: die japanischen Behörden und die Betreibergesellschaft des havarierten Atomkraftwerks, Tokyo Electric Power (Tepco), konnten nicht länger unter dem Deckel halten, dass der Super-GAU auch für Japan zur unabwendbaren Tatsache geworden ist.

Keine präzisen inhaltlichen Verpflichtungen
Was bedeutet diese neue Einschätzung? Verlangt sie nach einer neuen Vorgehensweise? Laut dem Präsidenten der Strahlenschutzgesellschaft sind für den Katastrophenfall von dieser extremen, nicht mehr vorstellbaren Dimension leider keine präzisen inhaltlichen Verpflichtungen zwingend vorgesehen. Doch dessen ungeachtet müssten die japanischen Behörden und/oder Tepco die Leute sofort grossräumig abtransportieren; bisher wurden die Leute im Umkreis von 20 km evakuiert, wenn auch nur unvollständig. Den Leuten zwischen 20 und 30 km Entfernung wurde ein Wegzug bloss dringend empfohlen. Für Sebastian Pflugbeil reicht dies in keiner Weise, um noch Schlimmeres zu vermeiden. «Die Evakuierung muss generalstabsmässig erfolgen, so wie man dies in Tschernobyl getan hat; dort sind mehrere Tausend Busse mit Leuten aus der Region weggefahren.»

In den vergangenen 14 Tagen wurde viel Zeit vergeudet
Doch anders als in Tschernobyl, sind hier Millionen von Menschen und ein dicht besiedeltes Gebiet davon betroffen, wenn die Evakuierungszone ausgeweitet wird. Aber wo können von heute auf morgen Millionen von Menschen untergebracht, verpflegt und ärztlich betreut werden? Laut Sebastian Pflugbeil ist das unter den herrschenden Bedingungen in Japan kaum möglich; der Tsunami sei ja noch nicht abgearbeitet und man bedenke, dass jetzt auch andere Kernkraftwerke Schwierigkeiten bereiteten. «Trotzdem, diese gewaltige Aufgabe muss jetzt in Angriff genommen werden. Man hätte früher damit beginnen sollen. Indessen wurde aber in den vergangenen 14 Tagen viel Zeit ‹verschenkt›», so der Strahlenschutzexperte.

Die Verseuchung in Fukushima erfolgt auch nach und nach
Was die freigesetzte Menge an Radioaktivität anbelangt, ist es laut Sebastian Pflugbeil im Moment nicht opportun, darum zu feilschen, ob es mehr oder weniger als in Tschernobyl war: Dort wurde die ganze Menge an Radioaktivität mit einem Schlag freigesetzt, während die Verseuchung in Fukushima auch nach und nach erfolgt. Insgesamt gesehen dürfte es in Japan noch weit schlimmer sein als damals in Tschernobyl, wo «nur» ein Reaktor explodierte. In Fukushima ist hingegen eine ganze Reihe von Reaktoren havariert. Dass sich die Lage laut den japanischen Behörden stabilisiert haben soll, ist für den Strahlenschutzexperten eine nichtssagende «Nullvokabel». Wie sich Sebastian Pflugbeil gegenüber Radio DRS äusserte, ist es immerhin soeben zu einer massiven Freisetzung von Radioaktivität gekommen, was die Behörden schliesslich dazu gezwungen habe, nun doch die Stufe 7 auszurufen.

Das Interview auf SR DRS anhören >>

Text: Toni Rütti, freier Mitarbeiter ee-news.ch, Quelle: Radio DRS

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