Mehrfamilienhaus AG-009-P in Münchwilen. Mehr Info: www.minergie.ch/gebaeudeliste

Zusammensetzung der Mehrkosten eines Minergie-P-Gebäudes gegenüber der konventionellen Bauweise nach SIA 380/1:2009 in Prozentanteilen der massgebenden Gesamtbaukosten.

Einfamilienhaus BL-013-P in Gelterkinden. Mehr Info: www.minergie.ch/gebaeudeliste

Zusammensetzung der Mehrkosten bei Minergie-P-Bauweise in Fr./m² EBF gegenüber konventionellen Gebäuden nach SIA 380/1:2009.

Studie über die Mehrkosten von Minergie-P

(AB) Zwischen 11 % und 14 % liegen die Mehrkosten eines Minergie-P-Hauses im Vergleich zur gesetzteskonformen Bauweise. Andere Faktoren beeinflussen die Baukosten stärker. Eine neue Studie analysiert die Baukostenabrechnungen von zwei bestehenden Minergie-P-Gebäuden.


Zum Thema Mehrkosten von Minergie-P-Bauten ist fast jede Aussage zu hören. Von Gerüchten über doppelte Gebäudekosten bis hin zu Minderkosten, weil auf eine konventionelle Heizung – inklusive Tankraum und Kamin – verzichtet werden kann, wird alles berichtet. Mit über 500 Gebäuden und der entsprechenden Erfahrung beginnt sich der Nebel langsam zu lichten und die Erkenntnis verdichtet sich, dass die Mehrkosten relativ stark schwanken und dass sie bei der Mehrheit der Bauten zwischen 5 % und 15 % der Gebäudekosten liegen. Davon ist ein Teil amortisierbar durch die Einsparungen an Energiekosten. Eine neue Studie quantifiziert diese Mehrkosten. Als Basis dient ein klassisches Verfahren. Die Baukostenabrechnungen von zwei bestehenden Minergie-P-Gebäuden wurden analysiert. Daraufhin wurden sie fiktiv zu knapp energiegesetzkonformen Gebäuden "zurückentwickelt" und dann die Kosten erneut kalkuliert. Dieser Ansatz liefert präzise und eindeutige Zahlen.

Frage der Rentabilität, ein Kuriosum
Die beiden Gebäudevarianten sind eigentlich nur noch bedingt miteinander vergleichbar, weil durch die fiktive "Rückentwicklung" aus einem Qualitätsprodukt ein Billig-Haus gemacht wird. Die Komfortlüftung mit Feinstaub- und Pollenfiltermöglichkeit fehlt. Ebenso die Motorisierung der Storen, die beim Minergie-P-Gebäude die Wärmebrücken der Kurbeldurchstiche verhindert. Ganz zu schweigen von den Hochleistungsverglasungen, welche bei den heute grossen Fenstern im Wohnbereich von Minergie-P-Gebäuden ein behagliches Sitzen in Fensternähe ermöglichen. Die Frage der Rentabilität der Minergie-P-Bauweise ist so betrachtet ein Kuriosum. Bei anderen Qualitätsunterschieden, etwa teurere Küchen oder Bodenbeläge, kommt dieser Anspruch gar nie auf. Erst die Tatsache, dass die Minergie-P-Bauweise nicht nur eine höhere Wohn- und Bauqualität liefert, sondern auch noch Energie spart (und der Entscheid oft deswegen gefällt wird), lässt die Berechnung von betriebswirtschaftlichen Betrachtungen überhaupt zu und entsprechende Ansprüche an die "Rentabilität" entstehen.


Im Rahmen einer umfassenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtung müssen neben den reinen Investitions-Mehrkosten noch zwei weitere Effekte berücksichtigt werden:

Heizenergiekosten: Für die Berechnungen wurden konservative Annahmen getroffen, um keinen schönfärberischen Effekt zu erzeugen (Heizöl 10 Rp/kWh, Holzpellets 7,2 Rp/kWh, Elektrizität 20 Rp/kWh, ohne weitere Teuerung) und der Barwert der Energiekosteneinsparung über 25 Jahre berechnet.

Ausnutzungsziffer und Nutzfläche: Bei der Betrachtung des Einflusses der dickeren Aussenwände von Minergie-P-Gebäuden auf die Nutzfläche bzw. den Mietertrag sind 2 Fälle zu unterscheiden. Es gibt Bauordnungen, bei denen die Ausnützungs- oder Bauziffer unabhängig von der Wandstärke aufgrund der Gebäudeaussenmasse berechnet wird. In diesen Fällen geht die zusätzliche Wandstärke der Minergie-P-Gebäude voll zu Lasten der Nutzfläche (nachfolgend AZ1 genannt). Es gibt aber auch Bauordnungen, welche die zusätzliche Wandstärke von Minergie-P-Gebäuden nicht der Ausnutzung anlasten. In diesen Fällen bleiben die Nutzfläche bzw. der Mietertrag auch bei der Minergie-P-Bauweise unverändert (nachfolgend AZ2 genannt), während die Aussenmasse etwas grösser werden.

Ein Mehrfamilienhaus und ein Einfamilienhaus
Es wurden ein Mehrfamilienhaus und ein Einfamilienhaus untersucht. Der Heizwärmebedarf liegt beim MFH bei rund 10 kWh/m2a und beim EFH bei rund 14 kWh/m2a. Es wurden bewusst zwei bezüglich Kostenvoraussetzungen weit auseinander liegende Gebäude gewählt. Einerseits ein kompaktes, einfaches Mehrfamilienhaus und andererseits ein Einfamilienhaus an schwieriger Hanglage. Die Untersuchungen zeigen, dass die Kostenunterschiede infolge Minergie-P-Standard viel kleiner sind, als die Kostenunterschiede, die durch andere Faktoren bestimmt sind.

Das Mehrfamilienhaus steht im Kanton Aargau, umfasst 16 Wohnungen mit einer gesamten Energiebezugsfläche von 2062 m2. Es wurde in Massivbauweise (Backstein respektive Beton) errichtet. Die Fassade besteht aus einer verputzten Aussendämmung. Die Wärmeerzeugung für Heizung und Warmwasser erfolgt durch eine zentrale Holzpelletfeuerung. Sonnenkollektoren ergänzen die Warmwassererwärmung.

Das Einfamilienhaus steht an relativ steiler Hanglage in Gelterkinden BL. Das Gebäude wurde in gemischter Bauweise erstellt: Tragkonstruktion und aussteifende Treppen aus Ortbeton (innen zumeist als Sichtbeton), Gebäudehülle aus vorfabrizierten, hochwärmegedämmten Holzelementen. Die Wärmeerzeugung für Heizung und Warmwasser erfolgt über eine Luft-Luft-Wärmepumpe, unterstützt durch eine Holzfeuerung, thermische Solarenergie für das Warmwasser und in geringem Ausmass elektrische Direktwärme.

Die Erhöhung der Baukosten, bzw. die Mehrkosten in % der Basiskosten und die in Fr. pro m2 Energiebezugsfläche (EBF) sind gemäss Elementkostengliederung (EKG/CRB) ermittelt. Bei beiden Gebäuden wurde dabei für die Wärmeerzeugung eine Ölheizung, inklusive Öltank und Kamin eingerechnet.

EKG

Beschreibung

Objekt AG-009-P
Münchwilen

Objekt BL-013-P Gelterkinden

Mehrkosten - Öl

Mehrkosten - Öl

Grundlage

Bereinigte Baukosten SIA 380/1:2009

100%
(2238 Fr./m2 EBF)

100%
(4174 Fr./m2 EBF)

C

Rohbau Gebäude (Baustelleneinrichtung)

0,1%

(2 Fr./m2 EBF)

0,1%

(4 Fr./m2 EBF)

D

Rohbau Gebäude
(Baugrube, Bodenplatte)

-0,1%

(-2 Fr./m2 EBF)

1,3%

(54 Fr./m2 EBF)

E

Rohbau Gebäude oberhalb Bodenplatte
(Wärmedämmung, Fenster, Dichtigkeit Hülle)

4,8%

(107 Fr./m2 EBF)

3,4%

(142 Fr./m2 EBF)

I

HLK-Anlagen

2,9%

(65 Fr./m2 EBF)

3,6%

(150 Fr./m2 EBF)

M

Ausbau

0,9%

(20 Fr./m2 EBF)

-0,2%

(-8 Fr./m2 EBF)

V

Baunebenkosten
(Minergie-P Gebühren, NK pauschal)

0,5%

(11 Fr./m2 EBF)

0,8%

(33 Fr./m2 EBF)

W

Honorare

1,8%

(40 Fr./m2 EBF)

1,7%

(71 Fr./m2 EBF)

 

TOTAL MEHRKOSTEN

~10,9%

(244 Fr./m2 EBF)

~10,7%

(447 Fr./m2 EBF)

Tabelle 1:Mehrkosten für Gebäude im Minergie-P-Standard in % der bereinigten Gesamtbaukosten (bei Verkleinerung der Nutzfläche und gleichbleibendem Gebäudevolumen)

Konstruktion des Minergie-P-Gebäudes geringfügig billiger
Bei der Mehrkostenanalyse zum Objekt in Münchwilen fällt auf, dass für den Fall AZ1 (äusserer Gebäudegrundriss bleibt erhalten, Nutzflächenverlust) die Konstruktion des Minergie-P-Gebäudes geringfügig billiger ist (Elemente D). Da die zusätzliche Wärmedämmung voll zu Lasten der Nutzfläche geht, muss effektiv weniger umbauter Raum erstellt werden als beim Gebäude nach SIA 380/1:2009. Die Einsparungen sind für D um 0,1% grösser als die Mehrkosten. Obwohl auch in Gelterkinden im Fall AZ1 das Gleiche zutrifft wie in Münchwilen gibt es keine Einsparungen. Die Konstruktion der Bodenplatte muss aufgrund der Topographie und den Minergie-P-Vorgaben angepasst werden und generiert Mehrkosten von 1,3% (Verbesserung einer SIA 380/1:2009-konformen Wärmebrücke, die durch die „Rückentwicklung“ in der Analyse angenommen wird).

Allerdings wird beim Objekt in Gelterkinden die Konstruktion des Minergie-P-Gebäudes beim Element M leicht billiger. Hier liegen die Einsparungen bei 0,2% aufgrund der für den Fall AZ1 angenommenen kleineren Nutzfläche.

EKG

Objekt AG-009
Münchwilen

Objekt BL-013-P
Gelterkinden

Mehrkosten - Öl

Mehrkosten - Öl

Grundlage:

100%

(2200 Fr./m2 EBF)

100%

(4180 Fr./m2 EBF)

Wärmedämmung

4,2%

(92 Fr./m2 EBF)

3,7%

(155 Fr./m2 EBF)

Fenster und Türen

2,7%

(59 Fr./m2 EBF)

0,6%

(25 Fr./m2 EBF)

Wärmeerzeugung

0,9%

(20 Fr./m2 EBF)

0,8%

(33 Fr./m2 EBF)

Lüftungsanlage

2,2%

(48 Fr./m2 EBF)

2,6%

(109 Fr./m2 EBF)

Summe Mehrkosten

10,0%

(220 Fr./m2 EBF)

7,7%

(322 Fr./m2 EBF)

Tabelle 2:Mehrkosten von wichtigen Einzelelementen für Gebäude im Minergie-P-Standard in % der bereinigten Gesamtbaukosten (ohne Berücksichtigung einer Veränderung des Gebäudevolumens nach AZ1, d.h. mit entsprechend angepassten Baukosten pro m2 EBF)

Die Auswirkungen der unterschiedlichen Berechnung der Ausnützungsziffer sind in den Abbildungen 3 und 4 dargestellt. Abbildung 3 zeigt die prozentualen Mehrkosten der Minergie-P-Bauweise, Abbildung 4 die absoluten Kostenbeträge pro Quadratmeter EBF. Die prozentualen Unterschiede sind natürlich abhängig von den Gesamtkosten. Das bedeutet, dass die prozentualen Mehrkosten umso geringer ausfallen, je höher der Standard des konventionellen Gebäudes nach SIA 380/1 ist. Die Mehrkostenaussage pro m2 EBF ist deshalb realer.

Amortisation in 25 Jahren
Die Analyse zeigt, dass die zwei untersuchten Gebäude in Minergie-P-Bauweise zwischen 10,7% und 13,8% teurer sind (blaue Balken). Beim Gebäude in Münchwilen amortisieren die tieferen Energiekosten der Minergie-P-Bauweise über 25 Jahre betrachtet die höheren Baukosten um ca. einen Drittel (Fall AZ1) bzw. um ca. einen Viertel (Fall AZ2).

Geringere Nutzfläche führt zu tieferen Mieten
Falls das Minergie-P-Gebäude ohne Wärmedämm-Bonus bei der Berechnung der Ausnützungsziffer (AZ1) erstellt werden muss, sinken die Mieterträge (als Barwert über 25 Jahre betrachtet) aufgrund der geringeren Nutzfläche. Konkret fielen die Mieterträge beim MFH Münchwilen um 4,7% der Baukosten und im EFH Gelterkinden um 3,1% tiefer aus. Um diesen Verlust an Mietertrag aufgrund der besseren Wärmedämmung zu kompensieren, rechnen viele Gemeinden die zusätzliche Wärmedämmung nicht mehr zur Ausnützungsziffer (Wärmedämm-Bonus, AZ2). Allerdings ist die Beurteilung des Ertragsausfalls nur aufgrund der Nutzflächendifferenz erst die halbe Wahrheit, denn durch den Wärmedämm-Bonus wird das besser gedämmte Gebäude äusserlich grösser und damit auch teurer.

So ist das äusserlich grössere Minergie-P-Gebäude mit konstanter Nutzfläche (AZ2) in Münchwilen 2,9% teurer als das Minergie-P-Gebäude mit unverändertem Aussenvolumen (AZ1). Das heisst mit anderen Worten, dass ein Minergie-P-Gebäude nach AZ1 (ohne Wärmedämm-Bonus) bei Berücksichtigung der Mietausfälle effektiv nur 1,8% teurer ist als im Fall AZ2 (mit Wärmedämm-Bonus), da rund zwei Drittel des Mietzinsverlusts im Fall AZ1 durch die geringeren Baukosten kompensiert werden.

Höhere Planungskompetenz
Ein Minergie-P-Gebäude braucht nicht unbedingt einen höheren Planungsaufwand, jedoch eine höhere Planungskompetenz. Fest steht, dass Mehrkosten und Planungskompetenz indirekt proportional sind: Je höher die Planungskompetenz, desto niedriger die (Minergie-P-bedingten) Mehrkosten. In der Umkehrung führt das dazu, dass Minergie-P-Anforderungen gerne als Sündenbock für mangelnde Kompetenz herbeigezogen werden: "Diese Minergie-P-Anforderungen treiben halt die Kosten enorm in die Höhe…"

Fazit
Die Studie unterzieht die Minergie-P-Bauweise einem Härtetest. Die Zahlen zeigen, dass der Anspruch, längerfristig Minergie-P-Qualität mit den Energiekosteneinsparungen zu finanzieren, keine Utopie ist, zumindest wenn die (bei dichten Gebäuden ohnehin notwendige) Komfortlüftung als selbstverständlich betrachtet wird.

Die Studie kann hier kostenlos heruntergeladen werden >>

Quellen

Mehrkosten von Minergie-P-Bauten. Untersuchung im Auftrag der Ämter für Umweltschutz und Energie der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft. Autoren: Juliane Weber, Markus Stokar, Caroline Hoffmann, Stokar + Partner AG, Basel; Armin Binz, Patricia Bürgi, Institut Energie am Bau, Fachhochschule Nordwestschweiz; Muttenz 2010.

© Text: Armin Binz, Prof., dipl. Architekt ETH, Leiter Institut Energie am Bau der Fachhochschule Nordwestschweiz und der Minergie-Agentur Bau; armin.binz@fhnw.ch

Zusammensetzung der Mehrkosten eines Minergie-P-Gebäudes gegenüber der konventionellen Bauweise nach SIA 380/1:2009 in Prozentanteilen der massgebenden Gesamtbaukosten.

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