„Wir haben aber zum Beispiel in Englisberg eine Überbauung mit 11 Einfamilienhäusern realisiert, in der wir als Contractor ein Arealnetz betreiben Wir haben dort für den Photovoltaikstrom auch eine zentrale Batterie. Flavio Ravani, CEO Swissrenova

Swissrenova: Arealnetze sind vielversprechende Lösungen

(©AN) Wo Swissrenova renoviert, sinkt der Energiebedarf oft bis zu 100%. Passive und aktive Sonnenenergie sind bei den Bauspezialisten aus Münsingen Standard. Als Arealnetzbetreiber verkauft das Unternehmen den Mietern Wärme, Strom und Wasser. Ein Gespräch mit CEO Flavio Ravani anlässlich der SES-Tagung «Energiewende aus Mietersicht - Eine Auslegeordnung».


Ihr Unternehmen heisst
swissREnova. Steht renovahier für Renovieren?
Nicht nur, denn das grün geschriebene „RE “ im Logo steht auch für Ressourcen aus der Schweiz und natürlich auch für Renovieren. Wir renovieren sehr viel, weil das eigentlich der schnellste Weg zur Umsetzung eines Projekts ist.

Das müssen Sie mir erklären…
Wenn wir ein Projekt realisieren wollen, ist Renovieren der kürzeste Weg. Denn wenn ich ein grösseres Bauprojekt neu plane, muss ich eine neue Überbauungsordnung vorlegen. Das ganze Bewilligungsprozedere löst einen Prozess aus, der über Jahre dauert, manchmal bis zu zehn Jahre. Wenn wir aber umbauen, statt neu zu bauen, dann kann ich den Prozess auf ein bis zwei Jahre verkürzen.

Die bessere Ökobilanz einer Renovation gegenüber einem Neubau spielt also keine übergeordnete Rolle beim Entscheid für die Renovation? Architekten, die sich eingehend mit dem Thema auseinandersetzen, stellen fest, dass in den meisten Fällen weniger graue Energie verpufft wird als beim Umbau.
Ich mache mir diesbezüglich nicht so viele Gedanken. Das heisst nicht, dass ich dieses Thema leichtfertig zur Seite schiebe. Natürlich wird das Thema graue Energie auch beim Planen berücksichtigt. Doch ich sage mir einfach, sobald ich Geld und System einspare, spare ich auch graue Energie ein. Diese Gleichung finde ich relativ einfach.

Wenn Sie von Projekten sprechen, wie gross sind diese?
Die grössten Projekte, die wir bis anhin umgesetzt haben, umfassen etwas mehr als 600 Wohnungen. Und die kleinsten sind Einzelunits. Der Grund, warum wir auch im Einfamilienhausbereich tätig sind, ist der, dass wir selber Technologien entwickeln, oder wir kaufen diese bei Startups ein. Diese Produkte integrieren wir direkt in die Projekte. Phase Null ist bei mir zu Hause, dann kommen die ersten Einfamilienhäuser, danach die kleinen Mehrfamilienhäuser und dann geht es in die grossen Überbauungen. Der Prozess verläuft aber relativ schnell, innerhalb von knapp einem Jahr werden die Produkte auch in Grossüberbauungen eingesetzt.

Können Sie uns ein Beispiel für ein Produkt geben?
Bei einem aktuellen Produkt geht es um das Metering, das Messen und Steuern. Mein Fokus ist immer der soziale Wohnungsbau, sprich, die Produkte müssen einfach und günstig sein. Beim Metering ersetzen wir jetzt mit unserem neusten Produkt den klassischen Stromzähler, den wir immer brauchen. Der Zähler ist so aufgebaut, dass wir unendlich viele Tarife abbilden können. Gleichzeitig kann das Gerät steuern und schalten. Eingebaut ist zum Beispiel auch ein Infrarot-Thermometer. Die Kosten für das Gerät sind fünfmal niedriger als der Preis, den der Energieversorger zahlt, wenn er es einkauft. Damit haben wir gegenüber anderen Lösungen schon Geld gespart. Diese Geräte haben wir Anfang des Jahres in einem ersten kleineren Mehrfamilienhaus eingebaut und sind nun schon im ersten Hochhaus.

Wie tief ist der Einblick, den die Software in die Energieströme gewährt?
Ich zeige Ihnen dies gleich auf dem Handy: Hier haben wir eine Plattform, die wir mitentwickelt haben, die ohne zusätzliche Technik auskommt. Auf dem Smartphone können Sie sämtliche Leistungen ablesen, wie hier am Beispiel eines Mehrfamilienhauses mit sieben Wohnungen. Hier sehen Sie auf dem Display die Grauwasserwärmerückgewinnung, dann eine Wärmepumpe, die ein 40 Grad-Medium produziert, und dann sind hier auch alle anderen Zähler zu sehen. Das heisst, wenn jemand in der Küche 55 Grad warmes Wasser braucht, dann können wir das auch liefern. Zum Beispiel mit einem Durchlauferhitzer, dessen Stromverbrauch separat gemessen wird. Wir können auch die Unterverteilung jeder Wohnung separat ablesen. Hier haben wir Kaltwasser, vorgewärmtes Kaltwasser oder Warmwasser. Dies kann alles pro Wohnung abgelesen werden. Ich kann mir beispielweise die Unterverteilung einer Wohnung ansehen: Hier werden 178 Watt verbraucht. Das ganze Haus und die einzelnen Wohnungen können detailliert visualisiert werden.

Haben die Mieter auch Zugriff auf diese Daten?
Im vorliegenden Fall dieses Mehrfamilienhauses noch nicht. Aber wir sind dabei, eine Schnittstelle zu entwickeln, damit wir die Daten dem Mieter über die Visualisierung übermitteln können. Das ist auch wichtig für die Abrechnung, die pro Mieter erstellt wird. Wir können alles separat verrechnen: Gas, Wasser, Strom, Abwasser, Wärme und Warmwasser.

Das heisst, der Wasserverbrauch wird separat abgerechnet?
Nein, der wird in der Regel pro Objekt abgerechnet. Was wir aber erstmals auch anbieten, sind Flatrates für die Mieterinnen und Mieter. Das heisst, wir definieren einen Wasser-, Wärme- und Stromverbrauch pro Jahr. Hierfür bezahlt der Mieter eine Pauschale. Nur wenn er die Menge überschreitet, muss er mehr bezahlen. Hier müssen wir den Mieter aber laufend informieren und dafür entwickeln wir ein neues interaktives Tool, das zum Beispiel auf dem Bildschirm der Videogegensprechanlage angeschaut werden kann. Die Daten werden so visualisiert, dass er sie auch ablesen kann. Wer seine Menge Energie überschreitet, zahlt einen Strafzuschlag.

Als Arealnetzbetreiber liefern Sie also Wärme, Wasser und Strom?
Genau, das Arealnetz, hier liegt die Lösung der Zukunft.

Somit bestücken Sie die Häuser konsequent auch mit Photovoltaik?
Richtig, das tun wir, aber nur für den Eigenverbrauch des Arealnetzes. Neuerdings ist dies ja dank Energiegesetz möglich. Wir haben aber zum Beispiel in Englisberg vor vier Jahren bereits eine Überbauung mit Einfamilienhäusern realisiert, in der wir als Contractor ein Arealnetz betreiben – mit dem Einverständnis des Energieversorgers, das damals noch nötig war. Wir haben dort für den Photovoltaikstrom auch eine zentrale Batterie. Dort wurde im Grundbuch für die Eigentümer der Strompreis bis zu einer gewissen Menge festgelegt, aber auch der höhere Preis, falls sie mehr verbrauchen. Die Strom-, Wärme- und Wasserversorgung des Quartiers bestehend aus 11 Häusern wird zentral gesteuert. In das Quartier führt nur ein Stromanschluss.

Dasselbe setzen wir nun in einem Hochhaus in Bümpliz um. Hier umfasst das Arealnetz 134 Wohnungen. Das Arealnetz ist technisch komplex aber bietet den Mietern grosse Vorteile.

Bestücken Sie bei diesem Hochhaus auch die Fassade mit Photovoltaik?
Ja, wir integrieren 450 kW Photovoltaik an der Fassade. Das rund 60-jährige Haus wurde von Corbusier geplant.

Was holen Sie dort an Energieeffizienz heraus?
Den Energieverbrauch können wir um rund 80 Prozent senken, und den Stromverbrauch der Bewohner decken wir zu 100 Prozent mit eigenen Anlagen ab.

Mit Photovoltaik?
Ja, mit Photovoltaik und für den restlichen thermischen Verbrauch haben wir noch eine kleine Mikrogasturbine, die natürlich auch Strom produziert. Zum Beispiel für die Nachtabdeckung, für das Warmwasser und natürlich, wenn es nötig ist im Winter, für den Restheizenergiebedarf.

Gibt es dort auch eine Wärmerückgewinnung aus dem Grauwasser?
In diesem speziellen Fall nicht, aber sonst machen wir das in den meisten Fällen. In diesem Gebäude ist die Energiebilanz ohne diese Grauwasser-Wärmerückgewinnung gut.

Werden die Gebäude nach der Renovation zertifiziert?
Bis anhin haben wir fast alle nach Minergie-P zertifizieren lassen. Im Kanton Bern stützen wir uns indes, seit es im Kanton Bern Fördergelder für Plus-Energie-Gebäude gibt, nur noch nach diese Parameter. Der Kanton Bern hat dazu ein entsprechendes Berechnungstool selber geschaffen und damit auch einen eigenen Prozess für die Förderung. Die Anforderungen sind höher als die an Minergie-A.

Warum lassen Sie die Häuser dann nicht nach Minergie-A zertifizieren?
Minergie A wurde zwischen Minergie und Minergie-P positioniert. Die Hülle ist etwas schlechter als Minergie-P, zudem wird de facto eine thermische Solaranlage vorgeschrieben. Die PV-Anlage wurde erst in der Vernehmlassung aufgenommen und in der grösse Beschränkt. Somit ist Minergie-A gegenüber Minergie-P eine Verschlechterung. Zudem ist der Zertifizierungsprozess sehr mühsam, vor allem bei grossen Renovations-Projekten. Die Zertifizierungsstellen sind überfordert, sobald es nicht um Nullachtfünfzehn Lösungen geht, das grenzt schon fast an Verhinderungspolitik. Wir benötigen nicht mehr Regulierung, sondern eine Qualitätskontrolle mit Überprüfung der Verbrauchsdaten bei der Nutzung.

Flavio Ravani hat seine Bauprojekte und Visionen an der Tagung «Energiewende aus Mietersicht - Eine Auslegeordnung» vom 3. Juli der Schweizerischen Energie-Stiftung vorgetragen.


©Interview: Anita Niederhäusern

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