Prof. Dr.-Ing. habil. Volker Quaschning unterrichtet im Bereich Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW in Berlin.

Solarmax: Expertengespräch Ausblick Solarmarkt

(Solarmax) Im Interview mit Solarmax Globe legt Prof. Dr. Quaschning, Experte im Bereich Erneuerbare Energien, seine Einschätzungen zur aktuellen Lage der Solarbranche dar.


Wie sehen Sie die generelle Marktentwicklung in der Photovoltaikbranche?
Die weltweit installierte Photovoltaikleistung hatte lange jährliche Wachstumsraten im hohen zweistelligen Prozentbereich. Viele Firmen haben beim Ausbau ihrer Produktionskapazitäten auf ein anhaltend hohes Wachstum gesetzt. Daher gibt es momentan Überkapazitäten, die massiv auf die Preise drücken. Derzeit durchschreiten wir eine Konsolidierungsphase mit niedrigen Wachstumsraten, in der eine Marktbereinigung ansteht. Nur ein kleiner Teil der Unternehmen wird diese unverändert überstehen. Durch sinkende Preise wird die Photovoltaik aber für einen schnell wachsenden Kundenkreis weltweit interessanter, sodass das Wachstum recht bald wieder deutlich ansteigen wird. Wollen wir zudem noch aktiv den Klimawandel bekämpfen, brauchen wir ein jährliches Installationsvolumen an Photovoltaikanlagen in der Grössenordnung von 500 GW. Betrachtet man die noch recht überschaubaren 20 GW in Deutschland heute, ist da noch viel Luft nach oben.

Welche Änderungen der PV-Landschaft sind Ihrer Meinung nach Erreichen der „Grid-Parity“ zu erwarten?
Die „Grid-Parity“ für Anlagen auf Privathaushalten ist in Deutschland seit Anfang 2012 theoretisch bereits erreicht, allerdings nur, wenn der gesamte Solarstrom von den Eigentümern selbst verbraucht wird. Dies gelingt in Privathaushalten nicht. Im Industriebereich sind die Voraussetzungen deutlich besser. Da hier aber die Strompreise deutlich niedriger liegen, wird dort die „Grid-Parity“ erst in einigen Jahren erreicht werden. Mit weiter sinkenden Preisen für Photovoltaikanlagen und den Einsatz von Speichersystemen werden sich aber in absehbarer Zeit bei Privathaushalten Photovoltaikanlagen auch ohne eine erhöhte Einspeisevergütung durch das EEG wirtschaftlich betreiben lassen. Dieser Zeitpunkt könnte in etwa drei bis sechs Jahren erreicht sein. Dafür brauchen wir aber komplett andere Anlagenkonzepte, die auf den Eigenverbrauch optimiert sind. Das wird die PVLandschaft noch einmal komplett umkrempeln. Anbieter mit innovativen Produkten und Konzepten werden dann ein sehr positives Marktumfeld erleben.

Wie sieht dabei Ihre Einschätzung der Kostenentwicklung aus?
Die Lernkurve der Photovoltaik ist seit den 1970er-Jahren stabil: Bei jeder Verdopplung der weltweit installierten Leistung sinken die Kosten um 20 Prozent. Im Jahr 2011 sind die Preise, vor allem bei Modulen, schneller gefallen als die installierte Leistung gestiegen ist. Nach der Konsolidierungsphase wird daher der Preisrückgang erst einmal etwas geringer ausfallen. Es spricht aber auch längerfristig nichts dagegen, dass die Kosten entlang der Lernkurve weiter sinken. In absehbarer Zeit werden sich dann Photovoltaikanlagen bei Vergütungen deutlich unter 10 Cent/kWh wirtschaftlich betreiben lassen.

Konflikt in der Politik: Energiewende beschlossen, Kernenergieausstieg beschlossen aber nun soll der Solarenergieausbau gedeckelt werden – was sind denn die Alternativen?
Die Politik hat verkündet, dass in Deutschland bis 2020 mindestens 35 Prozent des Stroms aus regenerativen Kraftwerken stammen soll. Für einen wirksamen Klimaschutz wären eher 50 Prozent nötig. Schon wie das magere 35-Prozent- Ziel bei einem starken Rückgang des Photovoltaikausbaus erreicht werden soll, scheint die Regierung selbst nicht wirklich zu wissen. Auch dass der Ausbau der Offshore-Windenergie das dafür nötige Tempo erreicht, ist mehr als unwahrscheinlich. Möglicherweise arbeitet man aber auch auf ein Verfehlen der Ziele hin. Dann müsste man in 10 Jahren möglicherweise den Kernenergieausstieg noch einmal überdenken und auch die Rahmenbedingungen für die Neuerrichtung oder den Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken würden sich deutlich verbessern. Zumindest bis zur nächsten Bundestagswahl werden sich die Aussichten für die Photovoltaik in Deutschland aller Wahrscheinlichkeit nach eher verschlechtern als verbessern. Für den Klimaschutz sind diese Rückschläge bei der Energiewende allerdings eine Katastrophe. Gelingt es uns nicht, in den nächsten 30 Jahren eine nahezu kohlendioxidfreie Energieversorgung aufzubauen, werden wir längerfristig unsere Küstenregionen im Meer versenken. Als einzige Alternative zu einem schnellen Solar- und Windenergieausbau fallen mir nur noch Deichbaumassnahmen ein.

Wie sehen Sie die EEG- und Niederspannungsrichtlinie in Deutschland? Erachten Sie die Änderungen als sinnvoll?
Die Integration des stark gestiegenen Photovoltaikanteils ins Netz stellt eine grosse Herausforderung dar, auf die auch die entsprechenden Richtlinien und Gesetze reagieren müssen. Ein Beispiel ist das 50,2-Hz-Problem. Entsprechend den alten Regelungen wären bei Netzstörungen alle Photovoltaikanlagen bei 50,2 Hz vom Netz gegangen und hätten damit Probleme bis hin zum europaweiten Blackout verursacht. Das 50,2-Hz-Problem hatte man trotz mahnender Stimmen aus der Solarbranche komplett verschlafen, unter grossem Zeitdruck nachgebessert und nun extrem hohe Folgekosten am Bein. Insofern ist es generell sinnvoll, Lösungsansätze für die bessere Netzintegration in Gesetze und Richtlinien zu übernehmen.

Gibt es neue Themenbereiche, die an Relevanz gewinnen?
Wenn die Photovoltaik die volle Konkurrenzfähigkeit erreichen soll, muss man sich intensiv Gedanken machen, wie die Kosten zeitnah noch einmal um gut die Hälfte gesenkt werden können. Die Bereiche Wechselrichter oder Montage werden an Relevanz gewinnen. Der künftige Fokus wird sich zunehmend auf Eigenverbrauchssysteme verschieben. Hier geht es darum, intelligente Systeme und Speicher zu entwickeln. Höchst wahrscheinlich sehen wir in wenigen Jahren auch die ersten photovoltaischen Anlagen zur Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung. In sehr absehbarer Zeit werden solche Konzepte auch ökonomisch attraktiv. Die Photovoltaik befindet sich relativ kurz vor der vollen wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit. Wird diese erreicht, steht uns ein sehr dynamisches Marktwachstum bevor.

Text: Solarmax Globe, Kundenmagazin der Sputnik Engineering AG, 1.Ausgabe 12

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