Teure Energie: Hohe Installationskosten treiben die Preise bei der Solarthermie. Bild: IWO

Schnelle Fortschritte: Obwohl die Produktionskosten für Solarkollektoren Jahr für Jahr sinken, steigt der Preis für solarthermische Systeme. Grafik: ESTTP

Solarthermische Kollektoren: Absurder Markt

(©SR) Solaranlagen zur Wärmeerzeugung könnten längst eine grössere Rolle spielen, wenn sie günstiger wären. Nicht die schlechte Förderung ist der Grund, und auch nicht die launischen Kunden, sondern überteuerte Installationskosten. Ihr Preis fällt erst, wenn die Installateure sinkende Kosten auch an Kunden weitergeben, denn die Hersteller in Europa haben die Produktionskosten von Solarkollektoren durch stärkere Automatisierung und Materialersparnisse zwischen 1995 und 2010 halbiert.


Die deutsche Bundesregierung zieht in ihrem aktuellen Erfahrungsbericht zum Erneuerbare Energien Wärmegesetz eine ernüchternde Bilanz: Weder das Gesetz noch die Zuschüsse des Marktanreizprogrammms konnten die Begeisterung der Hauseigentümer für Ökowärme steigern. Im Gegenteil: Zwischen 2008 und 2012 brach der Kollektorabsatz in Deutschland fast um die Hälfte von 1,5 Gigawatt auf 800 Megawatt Leistung ein. Produzierten neu errichtete Regenerativanlagen 2008 insgesamt 2,1 Terawattstunden thermische Energie, waren es 2012 bloss noch knapp zwei Terawattstunden.

Neue Wärme ist deutlich teurer
„Eine erfolgreiche Energiewende im Wärmemarkt sieht anders aus“, konstatiert Andreas Lücke, Geschäftsführer des Heizungsverbands BDH. Das Problem: Noch immer ist die neue Wärme deutlich teurer als konventionell erzeugte. Die Kilowattstunde Fernwärme kostet heute rund zehn Cent. Einfache solarthermische Anlagen zur Brauchwassererwärmung produzieren die Kilowattstunde bei deutschen Strahlungsverhältnissen für durchschnittlich rund 15 Cent, bei sogenannten Kombianlagen zur Heizungsunterstützung sind es um die 20 Cent. Diese Systeme sind bisher noch unwirtschaftlicher, weil sie mehr thermische Energie bereitstellen müssen als reine Trinkwasseranlagen und daher grössere Kollektoren benötigen. Und je grösser die Lichtfänger konzipiert sind, desto geringer ist ihr Ertrag pro Quadratmeter Fläche.



Steigende Gewinne bei den Installateuren
Dabei könnte Solarwärme längst günstiger sein. Die Hersteller in Europa haben die Produktionskosten von Solarkollektoren durch stärkere Automatisierung und Materialersparnisse zwischen 1995 und 2010 halbiert, dennoch erhöhten sich gleichzeitig die Preise für solarthermische Systeme (siehe Grafik). Laut dem Gutachten „Evaluierung des Marktanreizprogramms für den Zeitraum 2009 bis 2011“ des Bundesumweltministeriums (BMU) stiegen zum Beispiel die Investitionskosten für Anlagen mit Flachkollektoren zwischen 2008 und 2010 von 718 auf 882 Euro pro Quadratmeter Kollektorfläche. Grund für diese Entwicklung sind vor allem steigende Gewinne bei den Installateuren. Im BMU-Gutachten heisst es: „Eine detaillierte Analyse der Kostenentwicklung sowie Rücksprache mit Vertretern des Handwerks legt den Schluss nahe, dass insbesondere im Bereich der Installation vorhandene Kostensenkungspotenziale durch die Handwerker nicht realisiert werden.“

Bäder statt Kollektoren
Diese Beobachtung hat auch Gerhard Stryi-Hipp von der Europäischen Solarthermie-Technologieplattform (ESTTP) gemacht. Nach seinen Angaben liegen die reinen Hardwarekosten bei einem Systempreis von 5000 Euro für eine Kollektoranlage zur Brauchwassererwärmung für einen Vier-Personen-Haushalt heute nur noch bei etwa 2000 Euro. „Über die Hälfte des Preises kassiert also der Installateur für seine Arbeitszeit“, so Stryi-Hipp. Zum Vergleich: In der Photovoltaik liegt der Anteil der Installationskosten bei privaten Dachanlagen derzeit bei 30 Prozent. Und der Installationsaufwand ist bei Solarstrommodulen nicht geringer als bei den Kollektoren. Wäre der Anteil der Montagekosten in der Solarthermie ähnlich wie in der Photovoltaik, würden Kollektoranlagen vermutlich längst stärkeren Absatz finden.

Solarthermie als Nebengeschäft
Aber an Preissenkungen denken die Handwerksbetriebe offensichtlich nicht. In der Regel übernehmen Firmen aus dem Bereich Heizung, Sanitär, Klima (SHK) die Installation der solarthermischen Anlagen. „Sie sind sehr gut im Geschäftsfeld Sanitär etwa mit der Modernisierung von Bädern ausgelastet, die Solarthermie ist für die meisten nur ein Nebengeschäft“, erklärt Stryi-Hipp. Wer bei ihnen eine Anlage ordert, muss deshalb satte Aufschläge für die Montage einkalkulieren. Hohe Preise können die Installateure auch relativ problemlos durchsetzen. „Es ist ein grosser Nachteil für die Kunden, dass die Hersteller keine konkreten Angaben zu der Leistungsfähigkeit ihrer Anlagen machen. Das heisst, Kunden können nicht beurteilen, welche Anlage eine bestimmte Menge Solarwärme am günstigsten erzeugt“, kritisiert Stryi-Hipp. In der Photovoltaik herrscht mehr Transparenz: Der Preis einer Solarstromanlage bemisst sich an der Leistung pro Watt. Zu teure Anbieter sind daher leicht ausgemacht.

Nachweis über Systemertrag erbringen
Klare Orientierungswerte fordern die ESTTP und der europäische Solarthermieverband ESTIF daher auch für die Solarthermie. Ihr Vorschlag: Die Hersteller in Europa sollen künftig einen Nachweis über den Systemertrag ihrer Anlagen erbringen. Der Systemertrag gibt an, wie viel Solarwärme eine Anlage unter bestimmten Bedingungen wie zum Beispiel der meteorologischen Situation pro Jahr erzeugt. „Damit können die Kunden leicht die Kosteneffizienz eines Systems einschätzen“, erklärt Stryi-Hipp. Die Produzenten sträuben sich allerdings gegen diesen Kennwert. „Die aktuelle Marktsituation zwingt uns zu Kosteneinsparungen. Der Ertragsnachweis wäre aber mit einem hohen Prüfungsaufwand verbunden und würde die Kosten steigern“, gibt Helmut Jäger, Chef des Braunschweiger Heiztechnikanbieters Solvis, zu bedenken. Die Sorge ist nicht unbegründet: Solarthermische Systeme lassen sich vielfältig zusammenstellen. Viele Firmen stellen sowohl Flach- als auch Röhrenkollektoren her, die sie mit kleinen oder grossen Speichern und speziellen Reglern kombinieren. Um die Forderung der ESTTP und der ESTIF zu erfüllen, müssten sie für jede angebotene Systemvariante in speziellen Testverfahren die Wärmeausbeute simulieren. Und das für verschiedene Standorte. Denn in sonnenreichen Regionen erzielt eine Anlage in der Regel höhere Erträge als in trüben Gefilden. Ob der Nutzen des Kennwerts den immensen Aufwand rechtfertigt, ist fraglich.

Rettungsanker Prozesswärme?
Um den Nachweis dennoch auf den Weg zu bringen, schlagen die Verbände eine spezielle Förderung für durch Simulation getestet Anlagen vor. „Würde zum Beispiel über das Marktanreizprogramm ein Bonus für Systeme mit Nachweis gewährt, könnten Anbieter ihre Mehrkosten kostenneutral an Kunden weitergeben“, schlägt Stryi-Hipp vor. Doch an diesem Punkt hadert das für die Solarthermie-Förderung zuständige Bundesumweltministerium. Es gebe zu viele Unwägbarkeiten, daher sei eine Förderung vorerst nicht umsetzbar, sagt Karin Freier, Leiterin des BMU-Referats erneuerbare Energien. Im Eigenheimsektor stockt die Entwicklung der Solarthermie.

Einziger Weg aus der Nische: Grossanlagen
Damit bleibt der Solarwärme nur ein Weg aus der Nische: Grossanlagen müssen den Markt antreiben und die Technik über grosse Ansatzmengen billiger machen. Hoffnung machen zum Beispiel die grossen Kollektorfelder der dänischen Fernwärme-Genossenschaften, die Sonnenstrahlen bereits für rund vier Cent einfangen und somit günstiger Wärme erzeugen als konventionelle Öl- und Gasheizwerke. In Deutschland liessen sich ausgedehnte solarthermische Freilandanlagen aufgrund knapper und teurer Flächen zwar nur schwer realisieren, dafür böte sich aber auf grossen Mehrfamilienhäusern oder Gewerbehallen reichlich Platz. Die Anlagen könnten die Wohnparteien direkt mit Heizenergie versorgen oder der Industrie so genannte Prozesswärme liefern. Das Institut für Thermische Energietechnik (ITE) der Universität Kassel hat ermittelt, dass Unternehmen wie Autowaschstrassen, Brauereien oder Wäschereien deutschlandweit insgesamt 130 Terawattstunden Wärme pro Jahr benötigen. 16 Terawattstunden, also etwa zwölf Prozent des Bedarfs, könnte nach Berechnungen der Kasseler Forscher die Solarthermie beisteuern. Das entspräche etwa 40 Millionen Quadratmetern Kollektorfläche oder umgerechnet 28 Gigawatt thermischer Leistung, mehr als dem Dreissigfachen des Jahresabsatzes 2012.

Förderung
Um das gewaltige Potenzial der Prozesswärme zu nutzen, fördert die Bundesregierung seit einigen Monaten die Technik. Für Anlagen bis zu 1000 Quadratmeter Kollektorfläche, die Prozesswärme für Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft erzeugen, schiesst der Staat seit August 2012 im Rahmen des Marktanreizprogramms bis zur Hälfte der Kosten zu. Das ermöglicht bei guten Rahmenbedingungen laut ITE einen Wärmepreis von vier bis sechs Cent pro Kilowattstunde. Die staatliche Unterstützung könnte fruchten: Pionierfirmen der solaren Prozesswärme bahnen Kooperationen mit Maschinenherstellern an, Forscher erarbeiten Leitfäden für die Planung von solarthermischen Grossanlagen. So entwickelt ein Konsortium unter Koordination des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme seit Anfang dieses Jahres Konzepte, um Solarwärme in Wäschereien einzubinden. ITE-Forscher erstellten 2012 ein ähnliches Konzept bereits für Brauereien. Vielleicht kommt die Solarthermie doch noch vom Fleck.

©Text: Sascha Rentzing

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1 Kommentare

RolandK

Lange habe ich schonmal auf so einen Kommentar gewartet. Eben - Solarthermieanlegen sind gegenwärtig viel zu teuer. Die Chinesen machen vor, wie`s geht - siehe auch Preise für in China gefertigte Solar-Röhrenkollektoren: http://www.made-in-china.com/ oder http://german.alibaba.com/ - dort werden Hochvakuumröhren teilweise für unter 3$ feilgeboten. Da frage ich mich, warum in Europa eigentlich noch keiner auf die Idee gekommen ist, da mal fleissig zu importieren. Nein - bringt ja auch nix, wenn die Installation den wesentlichen Teil der Anlage ausmacht, und die Installation der Anlagen nur vom "Fachbetrieb" erfolgt, der auch gleich den Kollektor mit verkauft. Natürlich von Viessmann, Vaillant und co. Die Menschen müssen erst wach werden und wirklich günstige Anlagen "wollen". Und sich nicht erzählen lassen, die Installation wäre kompliziert und aufwändig und Solarthermie wäre teuer. Denn das ist sie nicht. Oder warum hat in China jeder sowas auf dem Dach? ( http://www.theatlantic.com/technology/archive/2009/05/what-do-you-notice-in-this-view-of-kunming/18526/ )

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