Mit der mechanischen Prüfeinrichtung werden Wind- und Schneelasten simuliert. Bild: ISAAC

Anders als die gängigen Modulnormen fordert Quality Tested regelmässige Laborkontrollen mit längeren Testzeiten, mehr Stichproben und regelmässigen Qualitätstests in den Produktionslinien, heisst es beim VDE.

Der wesentliche Unterschied sei, so die Photon-Analyse, dass die Testmodule bei PV+Test nicht von den Herstellern eingereicht, sondern anonym eingekauft würden, was Schmu vorbeuge.

Photovoltaik: Hochkonjunktur für Modul-Zertifikate

(©SR) Immer mehr Prüfinstitute bieten immer neue Gütesiegel für Solarmodule an. Banken und Endkunden fordern sie zum Nachweis der Produktqualität, doch der Nutzen mancher Zertifikate ist fraglich.


Der ostdeutsche Photovoltaik (PV)-Hersteller Q-Cells muss sparen. Weil er wegen anhaltenden Absatzproblemen im zweiten Quartal 2011 einen Verlust von 355 Millionen Euro hinnehmen musste, sollen Personal abgebaut und ein Grossteil der Produktion ins günstigere Malaysia verlagert werden. Für die Solarmodul-Zertifizierung scheint dagegen weiterhin genug Geld da zu sein. Im Juni dieses Jahres erwarb Q-Cells als weltweit erster Produzent das neue Gütesiegel „Quality Tested“ des Verbands für Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE). „Wir unterstreichen damit unseren hohen Qualitätsanspruch“, sagt Unternehmenssprecherin Ina von Spies.

Kassenschlager

Der neu entwickelte Testansatz geht laut VDE über bestehende Standards hinaus. Anders als die gängigen Modulnormen fordert Quality Tested regelmässige Laborkontrollen mit längeren Testzeiten, mehr Stichproben und regelmässigen Qualitätstests in den Produktionslinien, heisst es beim VDE. Das neue Zertifikat könnte sich für den Verband zum Kassenschlager entwickeln. „Alle namhaften Produzenten zeigen Interesse“, sagt Manfred Disser, Koordinator Photovoltaik im VDE.

Gütesiegel wie Quality Tested haben in der PV derzeit Hochkonjunktur. Es gibt Zertifikate für bestimmte Komponenten von PV-Systemen, für den Bau und die Inbetriebnahme von PV-Anlagen, für Wechselrichter und Stromzähler sowie für Module. Inzwischen gibt es sogar Zertifikate, die den Einsatz zertifizierter Komponeten nachweisen, also quasi Doppelbelege für Qualität. Mit dem Anlagenpass des Bundesverbands Solarwirtschaft zum Beispiel kann sich ein PV-Betreiber vom Handwerker dokumentieren lassen, dass in seiner Anlage nur Markenteile eingesetzt wurden und Planung und Installation nach den Regeln der Technik erfolgt sind – mehr Sicherheit geht nicht.

Wichtig fürs Marketing

Das Angebot an Gütesiegeln wächst so stark, dass mittlerweile selbst Experten die Übersicht verlieren. „Besonders im Modulbereich findet sich ein Dickicht von Zeichen und Siegeln. Schwer zu sagen, wer alles was mit welcher Autorität prüft, kennzeichnet und zertifiziert“, sagt der Zertifizierungsexperte Konrad Fredrich vom Berliner Solaranbieter Solon. Bisher reichten der Industrie zwei Tests: die Eignungs- sowie die sicherheitstechnischen Prüfung nach den internationalen Modulnormen IEC 61215, IEC 61646 und IEC 61730 (siehe Kasten). Dabei müssen die Paneele mehr als einen Monat lang bei Frost und Hitze in Klimakammern verbringen, werden mit Lichtblitzen malträtiert und erhalten Spannungsstösse. Nur wenn sie diese Tortur schadlos überstehen, kriegen sie die Bauartzertifikate. Dennoch entwickeln Testlabore und Zertifizierer immer neue Testreihen, die noch konkreter Auskunft über die Langlebigkeit, die Produktionskette und die Produktsicherheit von Modulen geben sollen. Bei den Marktführern TÜV Rheinland und VDE lassen sie sich einfach wie Apps beim Handy zu den Standardtests buchen. Neu im Programm der Institute sind zum Beispiel Zertifikate für die Resistenz gegen Ammoniak oder Salzwasser, für höchste Schneelast-Zonen oder für die Zulassung für bestimmte Märkte. Weitere Apps sind in der Entwicklung, etwa ein „Green Label“ für einen ressourcenschonenden, energieoptimierten Lebenszyklus von Modulen, die nachhaltig produziert und recycelt werden oder Umweltzeichen. So prüft derzeit die Deutsche Umwelthilfe, unter welchen Voraussetzungen Module den „Blauen Engel“ des Bundesumweltminiteriums für emissionsarme Produkte tragen können. Und es gibt noch viel mehr Ideen, beispielsweise für ein Zertifikat für Abwasserrecycling, für die Vollversorgung eines Solarwerks mit Regenerativenergien oder eine effiziente Werkslogistik.

Zertifikate als Abgrenzung zur Konkurrenz

Der Boom auf dem Zertifikatemarkt kommt nicht von ungefähr. Einerseits fordern Banken seit der Finanzkrise 2009 für eine Finanzierungszusage mehr Sicherheiten. „Gütesiegel sind zur Beurteilung von Projekten unerlässlich geworden“, erklärt Tom Clarius, Leiter Qualitätsmanagement beim Torgauer Dünnschichthersteller Avancis. Andererseits werden Zertifikate als Verkaufsargumente immer beliebter. Solarkunden ticken offenbar einfacher als man denkt: Je mehr Auszeichnungen ein Produkt zieren, desto hochwertiger erscheint es ihnen und desto stärker ist der Kaufreiz. Gerade deutsche Unternehmen investieren viel in Zertifikate, weil sie sich über die Auszeichnungen von der preisaggressiven chinesischen Konkurrenz abgrenzen können. „Wir sind teurer und müssen uns daher als Qualitätsanbieter auf dem Markt präsentieren“, sagt Clarius. Avancis hat dafür viele Gütesiegel eingekauft, angefangen bei den Zertifikaten nach IEC 61646 und IEC 61730 bis zum Microgeneration Certification Scheme (MCS)-Zertifikat des British Standard Institute, das Voraussetzung für den Verkauf von Modulen auf den britischen Markt ist.

Allerdings haben inzwischen auch die asiatischen Produzenten erkannt, dass Zertifikate gut fürs Marketing sind, und lassen ihre Module von renommierten deutschen Instituten wie dem TÜV Rheinland testen. Das setzt die deutschen Hersteller unter Zugzwang, noch mehr Labels einzukaufen. Den Zertifizierern kommt der Hype natürlich gelegen: Sie können immer neue Tests kreieren und verkaufen.

Reine Gel
ddruckmaschinen?
Die Frage ist nur, ob die neuen Zeichen auch wirklich bessere Qualität versprechen? „Mit Quality Tested können Hersteller Solarstrom-Kunden die höhere Zuverlässigkeit und Ertragsstabilität von Solarmodulen unabhängig bestätigen“, wirbt VDE-Experte Disser für das neue Zertifikat seines Hauses. Kritiker sehen das anders. „Hier wird eine Zertifizierungs-Notwendigkeit suggeriert, die gar nicht da ist“, sagt Solon-Labelexperte Dirk König. Die IEC-Zertifizierung eines Moduls liefere genug Informationen darüber, ob die Grundvoraussetzungen für eine lange Lebensdauer geschaffen sind, so König.

Die Kritik ist nicht ganz von der Hand zu weisen, denn bei genauerer Betrachtung unterscheidet sich das Quality Tested-Verfahren kaum von der standardmässigen Eignungsprüfung nach IEC 61215/61646. Nur die Kontrolle im Fertigungsprozess ist strenger: Statt einem kommen die Prüfer vier Mal jährlich in die Fabriken, um sicherzustellen, dass die laufend produzierten Module mit den gleichen Materialien und Prozessen wie die Prüfmuster gefertigt werden. Ob die dadurch zusätzlich gewonnene Sicherheit den hohen Aufwand für Quality Tested rechtfertigt, ist fraglich. Zertifikate sind teuer. Allein schon die reguläre IEC-Zertifizierung, die zwar nicht verpflichtend, aber ohne die ein Modul eigentlich unverkäuflich ist, kostet bis zu 45000 Euro. Bonuszertifikate wie Quality Tested treiben die Prüfungskosten weiter. Diese Kosten zahlen am Ende auf die Kunden, obwohl ihnen dafür möglicherweise kein besseres Produkt geboten wird.

25 000 Euro für „Modul-Schulnote“

Ähnlich kritisch wie Quality Tested beurteilen Experten das neue Gütesiegel „PV+Test“ des TÜV Rheinland. Anders als bisherige Zertifikate wird das zusammen mit der Berliner Solarpraxis entwickelte Siegel in Form einer Schulnote erteilt. „So können Kunden sofort erkennen, welches Modul sie guten Gewissens kaufen können“, erklärt Wilhelm Vaassen, Leiter des Geschäfsfelds Regenerative Energien beim TÜV Rheinland. Transparenz ist gut, nur hapert es auch hier am Preis-Leistungs-Verhältnis. 25000 Euro müssen Hersteller nach Informationen des Fachmagazins Photon für PV+Test zahlen, obwohl ein Grossteil des Prüfprogramms bereits durch den IEC-Test abgedeckt werde. Der wesentliche Unterschied sei, so die Photon-Analyse, dass die Testmodule bei PV+Test nicht von den Herstellern eingereicht, sondern anonym eingekauft würden, was Schmu vorbeuge. Schummeln könnten die Firmen dafür nach dem Test, denn wenn ihnen die Note nicht gefalle, würden die Ergebnisse nicht veröffentlicht. Hersteller schlechterer Paneele können sich bei PV+Test also einfach wegducken.

Auch auf die neuen Add ons, die eine besonders hohe Beständigkeit gegen Feuer, hohe Schneelasten oder Schweinegase zertifizieren, liesse sich wohl verzichten. Sie sind wegen ihrer Signalwirkung durchaus gefragt, nur welche Aussagekraft haben diese Zusatztests, wenn Themen wie Brand- oder mechanische Sicherheit bereits mit den Basistests angeklärt wurden? Schon bei der Bauartzertifizierung werden Feuer, hohe Lasten und schwierige Klimate simuliert. Wozu also noch mal Geld für den gleichen Check ausgeben?

Strenge Standard-Zertifizierung

Die beiden wichtigsten Modul-Zertifikate, die IEC 61215 (für Dünnschicht: IEC 61646) und die IEC 61730, dokumentieren die Ertragsstabilität und Sicherheit der Paneele. Um nachzuweisen, dass ein bestimmter Modultyp auch nach 20 Jahren Hagel, Schnee und Sturm noch verlässlich Strom produziert, müssen Exemplare aus einer laufenden Serienfertigung diverse Alterungstests bestehen. Die Klimakammer dient zur Nachbildung von Umgebungsbedingungen. Hier werden die Module 1000 Stunden lang ständig wechselnden Bedingungen wie hoher Luftfeuchtigkeit und Hitze ausgesetzt. Beim Stresstest erhitzen die Prüfer die Zellen auf 85 Grad Celsius und lassen sie dann plötzlich auf minus 40 Grad abkühlen. Zur Lichtalterung werden die Module mehrmals hintereinander mit hohen Lichtdosen bestrahlt, während sie bei der mechanischen Prüfung im Anschluss mit Eiskugeln mit 25 Millimeter Durchmesser beschossen und mit 240 Kilogramm pro Quadratmeter belastet werden. Wiederkehrende Kontrollen in den Fabriken stellen schliesslich sicher, dass alle produzierten Module mit den gleichen Materialien und Prozessen und in der Qualität wie die Prüfmuster gefertigt werden. Nur wenn die Prüfer keine Schäden feststellen, die elektrische Leistung nach Standardtestbedingungen nach jeder Testsequenz um weniger als acht Prozent gesunken und die gemessene maximale Ausgangsleistung nach dem Lichtalterungstest nicht geringer als 90 Prozent des vom Hersteller angegebenen Minimalwerts ist, wird das IEC 61215-Siegel ausgestellt. Die sicherheitstechnische Prüfung nach IEC 61730 baut auf diesen Eignungscheck auf. Sie dient als Nachweis der mechanischen und elektrischen Betriebssicherheit von Modulen und ist Voraussetzung für das CE-Zeichen. Es hat hohe Bedeutung, denn damit erklären Hersteller, dass ihre Produkte geltenden europäischen Richtlinien entspechen. Das IEC 61730-Zertifikat wird ausgestellt, wenn Module alle in der Norm definierten Konstruktionsmerkmale aufweisen und zudem spezielle Isolations- und Stromprüfungen sowie einen Feuertest bestehen.

B
ald Klasse statt Masse?
Generell für überflüssig halten Experten Zertifikate aber nicht. Die Lage auf dem PV-Markt ist angespannt: Die Hersteller müssen massiv Kosten senken, um konkurrieren zu können. Da sei die Versuchung, am Material zu sparen, gross, sagt König. „Qualitätsnachweise sind für Kunden daher unbedingt notwendig.“ Allerdings müssen die Zertifikate dafür sinnvoll weiterentwickelt werden. Was ein gutes Modul vor allem ausmacht, ist der Ertrag. Darauf geben Siegel aber noch zu wenig Hinweise. Regelmässig sacken selbst qualitätsgeprüfte Module in Langzeittests zusammen, weil sie unvorhergesehene Leistungsschwächen bei Schwachlicht oder hohen Temperaturen haben. Vielleicht kann man mehr Tests unter Freilandbedingungen in die Basisprüfung integrieren, um die realen Arbeitsbedingungen eines Moduls besser abzubilden? Vielleicht kann man Modulen mittels Elektroluminiszenz oder Thermographie noch stärker auf die Zelle fühlen, um Fehlern, Kurzschlüssen und Mikrorissen, die für Ertragsabfälle verantwortlich sind, von vornherein auszuschliessen. Vielleicht setzt sich bei den Modulzertifikaten bald Klasse statt Masse durch.

©Text: Sascha Rentzing

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