Biogas aus Gülle, Deponiegas und Abwasseranlagen hat in den USA nach der Studie ein Potential von 41.2 Mrd. kWh elektrischer Energie, genug für fast dreieinhalb Millionen Haushalte. ©Bild: Martin Egbert

"Wir verbrauchen die Hälfte des in der Anlage erzeugten Stroms selbst – das entspricht erfreulicherweise unseren Erwartungen.“ Farmer Don Jensen hier mit seiner Tochter. ©Bild: Martin Egbert

Die Kühe der Lawnhurst Dairy Farm liefern seit Oktober Strom und Wärme für die unmittelbar daneben liegende Glacéfabrik, die hier auch ihre organischen Abfällt entsorgt. ©Bild: Martin Egbert

Die Biogasanlage der Michigan State University (MSU) in Lansing wurde 2013 zu Biogasanlage des Jahres gekürt. ©Bild: Martin Egbert

„Die staatlichen Netzbetreiber haben immer noch das Monopol in den USA und sind nicht besonders interessiert an der Durchleitung grüner Energie.“ Bernie Sheff, Vorsitzender des American Biogas Council (ABC) ©Bild: Martin Egbert

Ausschliesslich mit organischen Abfällen arbeitet in diesem Bundesstaat die Biogasanlage der Deponie von Dane County im Landkreis Madison. Die Anlage wird zur Zeit um 300'000 Tonnen erweitert. ©Bild: Martin Egbert

Fair Oaks Farms, Tankstelle für CNG, die 42 LKW's der Fair Oaks Diary Farm werden mit CNG Gas. ©Bild: Martin Egbert

„Wir fahren damit 3.2 Millionen Dollar Gewinn pro Jahr ein und entlasten so den Steuerzahler“, sagt John Welch. ©Bild: Martin Egbert

Um einen Farmer von dem Nutzen einer Biogasanlage zu überzeugen, setzt Steve McGlynn auf zwei zentrale Argumente: Kosten reduzieren und die Verwendgülle der Gärreste als Einstreu, Bedding genannt. ©Bild: Martin Egbert

USA: Biogas trotz Fracking?

(©KS) Die Potentiale in den USA sind riesig. Farmen mit über 1000 Kühen im Stall sind in den USA keine Seltenheit. Aber hat Biogas angesichts extrem niedriger Energiepreise eine Chance im Land der unbegrenzten Möglichkeiten? Der Eigenverbrauch von Strom und Wärme spielt eine grosse Rolle, wie ein Blick über den grossen Teich zeigt.


Big Size Country. Die Fair Oaks Farm in Indiana löst alle Vorstellungen von den besonderen Dimensionen in den USA ein: Bereits bei der Anfahrt geht es an Mais- und Sojafeldern vorbei, die erst am Horizont zu enden scheinen, dazwischen ducken sich riesige Ställe für jeweils über 1100 Kühe unter dem weiten Himmel. Die Fair Oaks Farm hält an zwei Standorten 38‘500 Schwarzbunte, 35‘000 davon produzieren 1.4 Millionen Liter Milch am Tag.

Abhilfe gegen schlechte Gerüche
Dafür drehen sie sich auf hochmodernen Melkkarussels im Neonlicht. Gemolken wird jede drei Mal pro Tag. „Wir brauchen pro Kuh nur acht Minuten.“ Mark Stoermann schaut durch die Scheibe in einen der Melkräume und nickt zufrieden. Dann eilt er zu seinem Pickup, der so hoch ist, dass man hineinklettern muss, und braust ab in Richtung Biogasanlage. „Wir mussten etwas tun wegen der Nachbargemeinden“, erklärt er den wichtigsten Grund für die Investition in grüne Energietechnik. Zwar kann der Betrieb den anfallenden Gülle auf seinen sechstausend Hektar eigener Anbaufläche ausbringen, mit denen er etwa die Hälfte des Futterbedarfs deckt. Aber die Geruchsbelästigung war nicht mehr tragbar.


7 kg Gülle pro Kuh
Eine Kuh hinterlässt siebzig Kilogramm Gülle am Tag. Da ist es keine Überraschung, dass auch die Biogasanlage auf der Fair Oaks Farm nicht gerade klein ist. In drei gut fünf Meter tiefen, abgeschlossenen Becken der Anlage vom Hersteller DVO in Wisconcin, die jeweils einhundert Meter lang und neunzig Meter breit sind, gären fast 23.5 Millionen Liter Gülle vor sich hin. Das ist die Hinterlassenschaft von 14‘000 Kühen: In einer weiteren Anlage vergärt noch einmal die Gülle von 3500 Kühen.

4 MW-
Leistung möglich
Lastwagen bringen ständig Nachschub in die Halle mit der Aufbereitungsanlage, wo der Sand aus den Ställen in drei Schritten aus dem Gülle gefiltert wird. Immer wenn in einem der Ställe eine Reihe Kühe zum Melken geführt wird, saugt ein Spezialfahrzeug die Gülle ab. Und da die Kühe auf der Fair Oaks Farm auf Sand stehen, verschwindet dieser zunächst mit im Tankwagen. „Nachdem wir ihn herausgefiltert haben, lässt er sich aber wieder verwenden“, sagt Mark Stoermann. So weit so gut. Nur wie die Investition von 15 Millionen US-Dollar für die Gäranlage wieder reinholen? Mit ihrer grossen Menge Kuhgülle könnte die Fair Oaks Stromgeneratoren mit vier Megawatt Leistung betreiben. „Fünf weitere Millionen US-Dollar für die Motoren zu investieren wären wir bereit gewesen.“ Nur bei einer Einspeisevergütung von derzeit 3.5 Cent pro Kilowattstunde in Indiana würde das wenig Sinn machen. „Wo doch die Gestehungskosten bei alleine sieben bis siebeneinhalb Cent liegen.“

95% Verfügbarkeit
Also nahm der Milchriese noch einmal viel Geld in die Hand, um in eine Aufbereitungsanlage für CNG zu investieren. Nun läuft auf der Farm lediglich ein GE Jenbacher-Generator mit einer Leistung von 1.063 Megawatt, um den Strom für die Reinigung und Kompression des CNG zu produzieren. Das spart der Farm immerhin neun Cent pro Kilowattstunde. Und die Abwärme des Generators heizt die Gäranlage. Die ersten 10‘000 Betriebsstunden sind um. „Bislang sind wir bei einer Verfügbarkeit von 95 Prozent sehr zufrieden“, sagt Mark Stoermann.

Biogas für 42 Trucks mit 12-Liter CNG-Motoren
Der überwiegende Teil des Methans aber geht in die 6.5 Millionen US-Dollar teure Gasaufbereitungsanlage, um danach weiter komprimiert und zu den zwei Gastankstellen gepresst zu werden. Dort wird die eigene Fahrzeugflotte betankt: 42 Trucks mit 12-Liter CNG-Motoren, alle angeschafft zwischen Juni 2013 und diesem Sommer. „Die meisten sind 24/7 unterwegs, wir transportieren mittlerweile neunzig Prozent unserer Milch mit den Erdgastrucks, jeder legt täglich im Durchschnitt 680 Meilen zurück.“ Das spart Fair Oaks den Einsatz von 5.7 Millionen Liter Diesel pro Jahr.

Eigenverbrauch entscheidend
Auch was das CNG angeht, liegt der Schlüssel zur Wirtschaftlichkeit im Eigenverbrauch. Denn durch den Boom des in fast allen Bundesstaaten der USA erlaubten Frackings sind die Erdgaspreise im Keller. In den letzten vier Jahren sind sie auf ein Viertel ihres vorherigen Niveaus gefallen. Die Preise für Benzin dagegen sind im gleichen Zeitraum um fast ein Drittel gestiegen. „Wir produzieren unser CNG zwar so teuer wie wir es einkaufen müssten, erzielen aber zusätzlich Einnahmen aus dem Handel mit Zertifikaten“, erklärt Mark Stoermann.

Zertifikatenhandel
Der Renewable Fuel Standard (RFS) der US-Umweltbehörde EPA schreibt Treibstoffherstellern Mindestanteile für Erneuerbare vor. Können oder wollen sie diese nicht erfüllen, müssen sie Zertifikate bei den Herstellern alternativer Treibstoffe erwerben. Der vorgeschriebene Anteil wird in jedem Jahr neu festgeschrieben, den Preis für die Zertifikate bestimmen Angebot und Nachfrage. „Gestern lag er zum Beispiel bei gut 22 Cent für einen Liter Dieseläquivalent.“ Und für den grünen Strom aus der Biogasanlage erhält Fair Oaks zusätzlich RECS-Zertifikate. Alles in allem gehen die Betreiber davon aus, so ihre Investition in gut zehn Jahren erwirtschaftet zu haben. Zusammen mit der Verbesserung des CO2-Footprints und dem Imagegewinn wird so ein Schuh draus. Trotzdem geht Mark Stoermann mit der Energiepolitik seines Landes hart ins Gericht, vor allem wegen der niedrigen Einspeisevergütungen für Strom aus Biomasse. „Biogas fehlt im Gegensatz zu Wind und Solar die Lobby in Washington.“

Biogas Opportunities Roadmap
Das will Bernard Sheff, Vorsitzender des Amercan Biogas Council (ABC), ändern. „Strom aus Solar bekommt um die 40, aus Wind über 20 Cent pro Kilowattstunde und zwar in allen Bundesstaaten - das ist einfach unfair. Der Verband verwendet einen Grossteil seines Budgets darauf, in Washington besser Bedingungen für die Biogasbranche zu erreichen. Erst im August hat er gemeinsam mit dem Agrar-, dem Umwelt- und dem Energieministerium eine Biogas Opportunities Roadmap herausgegeben. Biogas aus Gülle, Deponiegas und Abwasseranlagen hat in den USA nach der Studie ein Potential von 41.2 Milliarden Kilowattstunden elektrischer Energie, genug für fast dreieinhalb Millionen Haushalte.

Nur 239 landwirtschaftliche Biogasanlagen
Bislang gibt es aber im Land der unbegrenzten Möglichkeiten erst zweitausend Anlagen, ein Viertel der in Deutschland betriebenen. Die meisten nutzen Methan aus Abwasseranlagen oder Deponien. Verhältnismässig unterentwickelt mit 239 Biogasanlagen auf Milchfarmen sowie Schweine- und Geflügelbetrieben ist der Agrarsektor. Energiepflanzen kommen in den USA fast überhaupt nicht zum Einsatz. Das liegt an den Rahmenbedingungen. In den meisten Bundesländern wird Strom aus Biogas ähnlich niedrig vergütet wie in Indiana. Im Bundesstaat New York und in Delaware liegt er etwas drüber. Jetzt schon verhältnismässig gute Bedingungen herrschen in Massachusetts mit zehn bis zwölf Cent pro Kilowattstunde und in dem kleinen Vermont. In dem idyllischen Bundesstaat im Norden der USA gibt es mit Cow Power einen erfolgreichen Stromtarif zur Förderung von Bioenergie auf dem Land. Eine zunehmende Anzahl von Verbrauchern berappt freiwillig mit 18 Cent für die Kilowattstunde das Doppelte des üblichen Preises, um die Umwelt zu schonen und die lokale Landwirtschaft zu unterstützen. Flankiert wurde der Fördertarif von einer Aufklärungskampagne, in der die monatlichen Mehrkosten für eine Familie herunter gebrochen wurden auf einen Besuch bei Pizza Hut. Neben der Lobbyarbeit für bessere Einspeisetarife will sich ABC zudem um Vermarktungsstrategien der Gärreste kümmern. „Wir könnten sie zum Beispiel als erdölfreien Dünger in Gartenmärkten verkaufen.“

Biogas an der Uni für Landwirtschaft
Ein innovatives Konzept sieht Bernard Sheff in der Biogasanlage der Michigan State University (MSU) in Lansing, die das ABC 2013 zu Biogasanlage des Jahres gekürt hat. Die 1855 gegründete MSU war die erste Universität in den USA, die Agrarwissenschaften und Ingenieurswesen gelehrt hat. Heute bevölkern 44‘000 Studenten den Campus. Es gibt Felder für den Testanbau, Tierfarmen und vieles anderes. Bislang versorgt die Universität sich mit einem Kohlekraftwerk aus den 1950er Jahren, dem letzten von einer Hochschule in den USA betriebenen. Das beschert ihr viel Kritik. Doch vor kurzem hat sie eine 450 Kilowatt Biogasanlage der Anaergia Inc. in Betrieb genommen. Mit der elektrischen Energie wird eine Teil der Studentenwohnheime versorgt, ein Teil der Wärme verbraucht neben der Anlage selbst ein gegenüber liegendes Labor.

Auseinandersetzung mit Netzbetreiber
Die Anlage vergärt Lebensmittelabfälle einer grossen Supermarktkette, die auch Partner in dem Projekt ist, und Speiseabfälle aus der grossen Mensa. Hinzu kommt Gülle aus der universitären Milchfarm. „Darin liegt die Zukunft“, ist Sheff sich sicher. Zudem wurde in einer langen Auseinandersetzung mit dem örtlichen Netzbetreiber erreicht, dass dieser keine hohen Durchleitungsgebühren bekommt. „Das war ein wichtiger Präzedenzfall - die staatlichen Netzbetreiber haben immer noch das Monopol in den USA und sind nicht besonders interessiert an der Durchleitung grüner Energie.“

Tipping Fees
Als eigenständige Public Private Partnership erhält das Projekt von der Universität 12 Cent pro Kilowattstunde. „Zusammen mit den Einnahmen für die Entsorgung der Lebensmittelabfälle ist das eine Basis, um die Anlage wirtschaftlich zu betreiben“, sagt Bernhard Sheff. In den so genannten Tipping Fees für organische Abfälle sieht er eine gute Chance für die Branche. Vor vier Monaten hat zum Beispiel die Stadt New York gesetzlich verboten, organische Abfälle unbehandelt zu deponieren. „Das heisst, sie müssen kompostiert oder in einer Biogasanlage behandelt werden.“ Zudem hofft der Mann von ABC, dass auch in den USA sich langsam die Erkenntnis durchsetzt, dass Fracking mit erheblichen Belastungen der Umwelt einhergeht.

Kosten reduzieren und Einstreu produzieren
An tipping fees und Zertifikate glaubt Steve McGlynn weniger, zumindest nicht für mittelständische Landwirte. „Die Laufzeit der Regelungen für die Zertifikate überzeugen keine Bank und um die Entsorgung von organischen Abfällen muss man mit den Biogasanlagen der Deponien konkurrieren.“ Der Leiter von EnVitec USA trifft uns auf der Lawnhurst Diary Farm in Stanley im Bundesstaat New York. Dort läuft seit 2013 eine Anlage von EnviTec mit einem 541 Kilowatt Generator von GE Jenbacher, die erste der Firma aus Niedersachsen in den USA. Der Weg zur Farm führt durch eine seichte Hügellandschaft, eingefärbt in den leuchtenden Farben des Indian Summer. Am Strassenrand stehen Verkaufsstände mit Kürbis, Kohl und Maiskolben. Um einen Farmer von dem Nutzen einer Biogasanlage zu überzeugen, setzt Steve McGlynn auf zwei zentrale Argumente: Kosten reduzieren und die Verwengülle der Gärreste als Einstreu, Bedding genannt. „Man muss die Kühe schön weich betten, damit es ihnen gut geht und sie Milch von hoher Qualität geben.“ Bedding ist arbeitsintensiver als Sand. Ohne Biogasanlage muss die Gülle dafür in einem speziellen Trockner behandelt werden, ein aufwändiges und energieintensives Verfahren. „Die Gärreste aus der Bioanlage eignen sich hervorragend für das Bedding, sie können direkt aus der Schnecke entnommen werden, in der die Flüssigkeit herausgepresst wird.“

50% Eigenverbrauch
Milchbetriebe in den USA arbeiten hocheffizient: Durchschnittlich 42.5 Liter Milch pro Kuh geben die 1700 Schwarzbunten auf der Lawnhourst Dairy Farm am Tag. Der Milchpreis ist staatlich reguliert. Ihre Wirtschaftlichkeit können die Produzenten also nur über die eigenen Kosten beeinflussen, allen voran die für Energie. „Wir verbrauchen die Hälfte des in der Anlage erzeugten Stroms selbst – das entspricht erfreulicherweise unseren Erwartungen.“ Farmer Don Jensen steht im Blaumann vor den Ställen und hält ein Klemmbrett vor der kräftigen Brust. Der Selbstverbrauch spart ihm durchschnittlich 10 Cent pro Kilowattstunde. Der Preis variiert nach Angebot und Nachfrage. In kalten Wintern mit hoher Nachfrage – in den USA wird vor allem mit Strom geheizt – kann die Kilowattstunde 20 Cent kosten. Am höchsten ist der Stromverbrauch in den Milchbetrieben allerdings im Sommer, wenn die Ventilatoren in den Ställen und die Kühlanlagen für die Milch auf Hochtouren laufen. „Natürlich war es für uns auch wichtig, die Geruchsbelästigung und unseren CO2 Footprint zu reduzieren“, erklärt Don Jensen. Das belohnt ihm der Staat New York mit der Hälfte der Investitionskosten, die Don Jensen über einige Jahre verteilt erstattet bekommt. „Die Höhe von diesem Investitionszuschuss hängt aber davon ab, wie viel die Behörde noch an Budget hat“, erläutert Steve McGlynn.

Der Extratank für Lebensmittelabfälle an der Biogasanlage ist für die Farm nur ein kleines Zusatzgeschäft. Das meiste sind Abwässer aus einer Joghurtfabrik. Das bringt einen guten Cent für den Liter. „Der Anteil am Substrat liegt aber nur zwischen fünf und zehn Prozent, damit der Flüssigkeitsanteil in den Reststoffen nicht zu hoch wird.“

Strom und Wärme für Glacéfabrik
Die Familie von Steve McGlynns Frau betreibt eine grosse Milchfarm, er selbst hat einige Jahre eine gemanagt und weiss um die Interessen und Nöte der Farmer. „Die Investitionskosten für eine Biogasanlage rechne ich den Farmern nach der Anzahl der Kühe vor, pro Tier sind das zwischen 1500 und 3000 Dollar.“ Damit hat er Erfolg. Im Oktober nimmt EnVitec unweit der Lawnhurst Dairy Farm eine weitere Anlage in Betrieb, auch auf einem Milchviehbetrieb allerdings mit einem Megwatt elektrischer Leistung. Die Farm liegt direkt neben einer Glacéfabrik, die Strom und Wärme aus der Anlage verbrauchen und hier auch ihre organischen Abfällt entsorgen soll.

Abfallverwertung immer wichtiger
„Biogas-Technologie gewinnt in der Abfallverwertung von Lebensmittelherstellern an Bedeutung, vor allem an der Ostküste, wegen der Umweltschutzbestimmungen verschiedener Bundesstaaten“, sagt Corinna Jess, Expertin für erneuerbare Energien der Aussenhandelskammer (AHK) Chicago. Doch auch in anderen Bundesstaaten sieht die AHK grosses Potential für Biogas. Im Juni hat sie deshalb eine Geschäftsreise zum Thema Biogas und Reststoffverwertung nach Wisconsin und Kalifornien organisiert, an der sieben deutsche Biogasunternehmen teilnahmen. „Wisconcin und Kalifornien sind zwei wichtige Bioenergiemärkte“, so Corinna Jess weiter.

20% Biomassestrom in Kalifornien
In Kalifornien sollen nach den ehrgeizigen Zielen der California Energy Commission zwanzig Prozent des erzeugten Stroms aus Biomasse stammen. Das Potential ist aufgrund der vielen landwirtschaftlichen Betriebe und zahlreichen Lebensmittelhersteller gewaltig, ebenso wie im „Käse- und Milchstaat“ Wisconcin. „Mit seinen für amerikanische Verhältnisse eher kleinen Farmen bietet Wisconcin gerade für mittelständische Anlagenbauer interessante Absatzchancen.“

4.5 MW-Deponieanlage
Ausschliesslich mit organischen Abfällen arbeitet in diesem Bundesstaat die Biogasanlage der Deponie von Dane County im Landkreis Madison. Schon von weitem ist die Deponie an den vielen Möwen und Krähen am Himmel auszumachen. Das Bild will so gar nicht passen, zu den sauberen Dörfern mit den weiss gestrichenen Holzhäusern und den US-Fahnen in den Vorgärten mit den gepflegten Rasenflächen. Die Deponie boomt. „Wir bauen zurzeit eine Erweiterung für 300‘000 Tonnen.“ John Welch zeigt über die Baustelle, auf der Bagger und Walzen 15 Millimeter dicke Folie auf einer eineinhalb Meter dicken Lehmschicht auslegen. Auch auf dem neuen Teil der Deponie werden Gassauger installiert. Bislang gibt es bereits fünfzig davon auf der Bestehenden. Sie saugen 55 Kubikmeter Methan pro Minute an und leiten sie in eine kleine und eine grosse Biogasanlage mit insgesamt sieben Generatoren von Caterpillar mit einer installierten Leistung von 4.5 Megawatt.

Noch wirtschaftlich
„Mit 96 Prozent Verfügbarkeit laufen die sehr zuverlässig.“ Im Gegensatz zur Fair Oaks Milchfarm hat die städtische Deponie eine Einspeisevertrag mit dem lokalen Stromversorger, der einen wirtschaftlichen Betrieb der Anlage ermöglicht. „Wir fahren damit 3.2 Millionen Dollar Gewinn pro Jahr ein und entlasten so den Steuerzahler“, sagt John Welch. Die Vereinbarung läuft seit sechs Jahren. Jährlich steigert sich die Vergütung, die bei derzeit 11.5 Cent liegt. „Damals waren die Gaspreise noch hoch und Wisconcin hatte einen Ausbau der Erneuerbaren auf zwanzig Prozent festgeschrieben.“ Den aber haben die mittlerweile im Bundesstaat regierenden Republikaner auf zwölf gekappt. Folglich gibt es ein Überangebot an grünem Strom. Und bald läuft die Einspeisevereinbarung der Deponie aus.

Seit vier Jahren setzen die Verantwortlichen von Dane County deshalb auch auf CNG. Die Füllstation hat ANGI Energy Systems gebaut, die Gasaufbereitung Bio CNG. Zehn Prozent der öffentlichen Fahrzeuge fahren schon mit Erdgas aus der eigenen Aufbereitungssanlage. Vielleicht auch irgendwann alle 550 Krankenwagen, Schneepflüge, Streifen- oder Leichenwagen in Dane County? Die Produktion von CNG auszubauen erfordert hohe Investitionen. In letzter Zeit haben sich neue Firmen dafür gegründet, die in Reinigungsanlagen und Gastankstellen investieren, Lieferverträge mit Biogasgaslieferanten und Abnahmevereinbarungen mit zum Beispiel Speditionen schliessen. Vor drei Jahren gab es in Wisconcin fünf Gastankstellen – heute sind es 25. „Der Markt wächst gerade sehr schnell, einige Firmen wollen in den nächsten Jahren einhundert Stationen bauen“, sagt John Welch.

©Text: Klaus Sieg, ©Fotos: Martin Egbert

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