Der Projektleiter Daniel Philippen auf dem Dach der Versuchsanlage. ©Bild: HSR Magazin

Der Kindergarten Säntisstrasse in Rapperswil-Jona ist aufgrund seines Baujahres und der kubischen Gebäudestruktur mit vielen Aussenflächen ein forderndes Pilotobjekt. ©Bild: HSR Magazin

Im Sommer heizt sich das Speicherwasser bis auf 55 Grad Celsius auf. Die Wärme wird dem Wasser im Winter kontinuierlich bis zum Gefrierpunkt entzogen. Beim Aggregatswechsel von flüssig zu fest wird zusätzliche latente Wärme frei. ©Bild: HSR Magazin

Simulierte Energieflüsse in einem 30 m3-Eisspeicher. ©Bild: HSR Magazin

SPF: Eisspeicher, der Wärme speichert

(©DP/SPF) Ein neues Anlagendesign soll die Effizienz von Solarheizsystemen um ein Drittel verbessern. Ein unterirdisches Speicherbecken überbrückt dabei die kalten Jahreszeiten. Die Resultate der Versuchsanlage des Schweizer Institut für Solartechnik SPF im Auftrag des Elektrizitätswerks Jona-Rapperswil sind vielversprechend.


Ein sechsfach höherer Gewinn im Verhältnis zum Einsatz ist in der Regel hoch spekulativ und riskant – zumindest in der Finanzbranche. Der Fall liegt anders in der Wärmeerzeugung für Warmwasser und Heizung. Eine intelligent designte Anlage mit Sonnenkollektoren und einem Speicher erntet über das ganze Jahr die sechsfache Energiemenge des Einsatzes. Risikolos.

Überschüssige Wärme im Eisspeicher

Die Anlage speichert überschüssige Wärme im Sommer in einem sogenannten Eisspeicher und bezieht diese in den kälteren Monaten. Der Speicher speichert nicht, wie der Name vermuten lässt, Eis, sondern Wärme. Diese Wärme ist wertvoll, entfallen doch vier Fünftel des Energieverbrauchs von Schweizer Haushalten auf die Raumwärme und das Warmwasser.

Konventionelle Wärmepumpen, die Wärme aus der Umwelt nutzbar machen, haben ihre Effizienz im Vergleich zu Öl- und Gasheizungen in den letzten Jahren erhöht. Mit einem Teil Strom werden in der Regel drei bis vier Teile Wärme gewonnen. Thermische Solarkollektoren erhöhen diese Effizienz weiter. Das Problem ist aber, dass die Sonne dann am schwächsten scheint, wenn es am meisten Wärme braucht: im Winter. Hier kommt der Eisspeicher ins Spiel. Der Name ergibt sich aus seinen Eigenschaften: Beim Wechsel des Aggregatszustands von flüssigem Wasser zu Eis wird viel latente Wärme frei – der Speicher nutzt dieses physikalische Phänomen und kann daher in einem vergleichsweise kleinen Wasservolumen viel Wärme speichern.


Gesamte Anlage mit einem Teil Strom liefert sechsfache Wärmemenge
Im Auftrag des Elektrizitätswerks Jona-Rapperswil EWJR erforschte das SPF bereits früher Systeme mit kombinierter Solarthermie und Wärmepumpen. Nun sollte das SPF als Anschlussprojekt ein System mit einem Eisspeicher ausarbeiten und verwirklichen, das eine Jahresarbeitszahl von sechs erreichen sollte. Das heisst, dass die gesamte Anlage mit einem Teil Strom die sechsfache Wärmemenge liefert. Die Ingenieure des SPF Institut für Solartechnik wählten unterschiedliche Systemkonzepte auf Basis einer Marktrecherche und werteten die wissenschaftliche Literatur aus. Sie ermittelten danach das grundsätzliche Anlagendesign mittels Simulationen. Es galt, die energetisch optimale Kombination von Kollektorfläche, Wärmespeicher, Eisspeicher sowie Wärmepumpenart zu finden und den Materialeinsatz möglichst gering zu halten. Von sieben Varianten fiel die Wahl auf ein System mit einer Solewasser-Wärmepumpe, welche die Wärme ausschliesslich aus einem sogenannten Eisspeicher bezieht, der wiederum von Sonnenkollektoren erwärmt wird. Andere Varianten hätten zwar ähnliche Jahresarbeitszahlen ergeben, aber zu grösseren Kollektorflächen oder einem komplizierteren Anlagendesign geführt. Nebst Platzbeschränkungen musste auch der Kostenfaktor berücksichtigt werden.

Latentwärme und sensible Wärme nutzen
Im ausgewählten Solarthermie-Wärmepumpen-Konzept verwenden die Ingenieure im Eisspeicher Wasser zur Speicherung von überschüssiger Wärme. Die Wärmezu- und -abfuhr erfolgt über Wärmeübertrager, die von Sole durchflossen werden, welche Wärme vom Dach einträgt und später an die Wärmepumpe weitergibt. Das Solewasser ist wichtig, weil die Sole auch bei Temperaturen unter 0°C flüssig bleibt. Entzieht man dem Eisspeicher Wärme mit Soletemperaturen unter 0 °C, vereist das Wasser im Speicher. Auf diese Weise wird die beim Phasenwechsel von flüssig zu fest frei werdende Wärme des Wassers genutzt. Im Herbst 2012 begannen die Bauarbeiten für die bislang am Computer designte Anlage. Die Stadt Rapperswil-Jona stellte das Gebäude des Kindergartens Säntisstrasse zur Verfügung, in dem die Anlage eine alte Gasheizung ersetzt. Der 75’000 Liter fassende Eisspeicher wurde ins Erdreich eingelassen und mit 60 cm Erde überdeckt. Zum Schutz der Pflanzen wurde der Speicher oben zusätzlich isoliert – aber nur dort. Die Wärmeverluste sind deswegen im Sommer zwar gross, wenn sich das Speicherwasser auf bis zu 55 Grad erwärmt. Durch den weitgehenden Verzicht auf eine Wärmedämmung konnte der Montage- und Kostenaufwand aber reduziert werden. Und durch die fehlende Isolation gewinnt der Speicher im Winter, wenn die Speicherwassertemperatur gegen 0°C sinkt, einen Teil der Wärme aus dem umliegenden Erdreich.

Anlagendesign: Das A und O für die Effizienz
Wie sich der Eisspeicher in der Praxis bewähren wird, zeigen die nächsten beiden Jahre. Während dieser Zeit wird die Anlage laufend untersucht und optimiert. Doch bereits nach dem ersten halben Jahr Betrieb zeigt sich, dass die simulierten Daten sehr nahe bei den gemessenen liegen. Und schon jetzt ist klar, dass Heizsysteme neben der Wärmedämmung von Gebäuden ein grosses Potenzial für effiziente Energiemassnahmen darstellen. Im Weiteren ist die Kombination von Wärmepumpen und Solarwärme sinnvoll, weil damit die Jahresarbeitszahl des Systems beträchtlich steigt. Und nicht zuletzt lässt sich mit der saisonalen Speicherung von Solarwärme die Effizienz nochmals deutlich erhöhen. Das Projekt demonstriert, wie mit optimalem Anlagendesign deutliche Effizienzgewinne möglich sind und wie mit vergleichsweise geringem Aufwand solare Wärme über lange Zeiträume speicherbar ist.

Systemvarianten im Vergleich

Systemvariante

Fläche der Kollektoren (m2)

Volumen warmer Speicher (m3)

Volumen-Eisspeicher (m3)

Wärmepumpen-Typ

JAZ

0

Luft WP ohne Sonnenkollektoren

-

0.5

-

Luft-Wasser

2.8

1

Luft-WP & Solar

16

1.8

              -

Luft-Wasser

3.6

2

Luft-WP & Solar

32

2

-

Luft-Wasser

4.1

3

Luft-WP & Solar

100

4

-

Luft-Wasser

6.2

4

Luft/Sole-WP &
Solar & Eisspeicher

32

2

0.3

Luft/Solewasser

4.8

5

Luft/Sole-WP &
Solar & Eisspeicher

32

2

5

Luft/Solewasser

5.1

6

Luft/Sole-WP &
Solar & Eisspeicher

45

2

5

Luft/Solewasser

5.9

7

Sole-WP &
Solar & Eisspeicher

32

2

35

Solewasser

6.0


Simulierte Jahresarbeitszahlen (JAZ) für verschiedene Heizsysteme, mit denen ein Gebäude mit Niedertemperaturheizkörpern und einer Energiekennzahl von 100 kWh/m2a (für Raumheizung) versorgt werden kann (WP: Wärmepumpe, Solar: Sonnenkollektoren).

©Text: Daniel Philippen, HSR Magazin

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