Solarmedia: Wasserstrom aus Norwegen

Jetzt gibt es einen schlagenden Beweis für die Hypothese, Atomstrom werde zum Hindernis für die Einführung Erneuerbarer Energien.


Denn Norwegen versorgt sich zu 98 Prozent mit Wasserstrom - und könnte einen gewaltigen Überschuss nach Deutschland exportieren. Doch dort wird die Laufzeit der AKW verlängert - dabei wäre genug norwegischer Wasserstrom vorhanden und die Zuleitung gesichert.

Schlüsselprojekt von vorrangigem Gemeinschaftsinteressen
Die deutsche Bundesregierung behauptet, ohne Atomkraftwerke wäre die Versorgungssicherheit im Land nicht garantiert. Gleichzeitig erschwert sie den Ausbau erneuerbarer Energien wie jüngst das Beispiel von Norwegens Wasserkraft zeigt. Norwegen, reich an Flüssen, Seen und Pumpspeichern (siehe Bild), bietet sauberen und billigen Strom im Überfluss. Aus Sicht der EU-Kommission könnte Norwegens Wasserkraft zum "Schlüsselprojekt von vorrangigem Gemeinschaftsinteresse" werden. Das sieht Bundeswirtschaftsminister Brüderle offenbar anders und blockiert den Anschluss von Strom aus norwegischer Wasserkraft an das deutsche Netz.

Während die Atomversorger großzügige Zugeständnisse von der Bundesregierung erhalten, um ihre teuren Atommeiler auf Kosten von Steuergeldern weiter am Netz zu lassen, wird es Betreibern von erneuerbaren Energien schwer gemacht, ihren sauberen Strom einzuspeisen, wie jüngst ein Bericht des Politikmagazins 'Report Mainz' von Thomas Reutter aufdeckt.

Hunderte von Kraftwerken
Norwegen besitzt Hunderte von Wasserkraftwerken. Das Land produziert seinen Strom zu 98 Prozent aus Wasserkraft und kann noch Energie exportieren. Schon vor zwanzig Jahren gab es die Idee, ein Kabel von Norwegen nach Deutschland zu legen, um sauberen und billigen Strom per Seeleitung zu importieren. Der Spiegel prophezeite 1992, dies sei der Einstieg in den Atomausstieg. Das war einmal, denn aktuell ist eine heftige Diskussion in Deutschland entbrannt, weil die derzeitige Bundesregierung das Ende des mühevoll ausgehandelten Atomausstiegs plant.

600 Kilometer langes Kabel durch die Nordsee
Dabei sind die Zeiten für Norwegens sauberen Strom gut. Mehrere Unternehmen haben sich zum Projekt 'NorGer' zusammengeschlossen - darunter auch der zur Axpo gehöriger Schweizer Stromhändler EGL. Sie wollen gemeinsam ein 600 Kilometer langes Kabel durch die Nordsee nach Deutschland verlegen. Die Leistung: 1.400 Megawatt. Genau soviel, wie das Atomkraftwerk Unterweser, in dessen Nachbarschaft das Kabel ans deutsche Netz gehen soll. Aber NorGer fällt nicht unter die Kraftwerksnetzanschlussverordnung. Darin ist geregelt, dass Kraftwerke ständig Strom ins Netz einspeisen dürfen. Aber eben nur Kraftwerke, nicht Seekabel.

Vorrang für erneuerbaren Strom nötig
Das birgt ein Risiko für die Investoren, denn ohne Regelung könnte der Strom aus Norwegen einfach abgeklemmt werden. Gleiches geschieht bereits mit Windkraftanlagen. Sie werden bei zu viel Atomstrom im Netz abgeschaltet, obwohl dies dem Erneuerbaren-Energie-Gesetz (EEG) widerspricht, das eine vorrangige Einspeisung von erneuerbaren Energien garantiert. Was würde geschehen, wenn nicht nur Windenergie im Netz ist, sondern nun auch vermehrt Wasserenergie aus Norwegen?

Gleich viel wie der Strom von 60 AKW
Die Deutsche Umwelthilfe geht davon aus, dass das Potenzial Norwegens ausreicht, um den erneuerbaren Strom in Deutschland für eine Vollversorgung aus erneuerbaren Energien schon heute sicherzustellen. Und Norwegens Wasser kann noch mehr. Theoretisch könnte norwegische Wasserkraft den Strom von 60 europäischen Atomkraftwerken ersetzen. Damit wäre nicht nur die Atompolitik der Bundesregierung in Frage gestellt, sondern auch die von Frankreich oder England. Vor allem Leitungen durch die Nordsee sind dafür nötig und der Zugang zum Stromnetz. Aber schon beim ersten Kabel stellt sich die Bundesregierung quer.

Sauberer und günstiger Strom
Dabei könnte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle diesen Prozess mit einem einzigen Wort in Gang setzen. Er müsste der Kraftwerksnetzanschlussverordnung lediglich das Wort "Seekabel" hinzufügen und sauberer Strom aus Norwegen stünde unbegrenzt zur Verfügung. Auf eine Anfrage von 'Report Mainz' an Rainer Brüderle, warum er nicht für die nötige Anschlussverordnung sorge, gab es keine Antwort. Das Wirtschaftsministerium teilte auch NorGer mit, dass es derzeit 'keinen Änderungsbedarf' sieht. Dabei ist norwegischer Strom nicht nur sauber, sondern auch um ein Drittel billiger als deutscher. Und noch ein Plus: Mithilfe von Seekabeln wie das von NorGer könnte der überschüssige Strom aus der deutschen Windenergie nach Norwegen geleitet und dort in Wasserkraft umwandelt werden. Bei Bedarf kann dann dieser Strom jederzeit nach Deutschland zurückfließen.

Norwegen als Batterie Europas
Damit wäre auch ein Hauptproblem beim Umbau des deutschen Stromnetzes hin zu einer flächendeckenden Versorgung mit erneuerbaren Energien gelöst, die derzeit vorwiegend von Wind- und Solarstromanlagen produziert werden. Diese zeichnen sich durch eine stark fluktuierende Einspeisung aus, je nach Windstärke und Sonneneinstrahlung. Der Aufbau von Energiespeichersystemen ist notwendig, um Spitzenlasten abzufangen und das Energieangebot bedarfsgerecht zu steuern. Norwegen könnte somit eine Art Batterie für ganz Europa werden. Die Bundesregierung besteht auf Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke, weil sonst angeblich der Strom knapp würde. Gleichzeitig vergibt sie die Chance auf sauberen, billigen Strom aus Norwegen. Warum eigentlich?

© Text: Guntram Rehsche, Solarmedia

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