Nicolas Gruber: «Der Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft hat längst begonnen und nimmt Fahrt auf. Doch die jetzige Geschwindigkeit des Wandels reicht leider nicht.» Bild: ETHZ

Prof. Nicolas Gruber: CO2-Ausstoss steigt weiter - das Klima braucht unseren Mut

(NG) Beim CO2-Ausstoss ist die Welt nicht auf Kurs. Die globalen CO2-Emissionen sind im Jahre 2018 um mehr als zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, und auch für 2019 wird ein Wachstum prognostiziert. Es braucht jetzt ein mutiges Engagement von uns allen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.


Das Global Carbon Project analysiert jedes Jahr die Quellen und Senken des menschgemachten CO2 und die entsprechenden Trends. Die jüngsten Zahlen, wie auch jene vor zwei Wochen veröffentlichten UNEP Emission Gap Report, zeigen ein ernüchterndes Bild: Die globalen CO2-Emissionen sind im Jahre 2018 um mehr als zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, und auch für 2019 wird ein Wachstum prognostiziert. Vier Jahre nach dem Durchbruch bei den Klimaverhandlungen in Paris gibt es noch immer kein Anzeichen eines Rückgangs.

Das Kohlenstoffbudget schwindet
Vielmehr stiegen die CO2-​Emissionen aus der Verbrennung von fossilen Energieträgern zum ersten Mal über zehn Milliarden Tonnen Kohlenstoff (Gt C). Zählt man die rund 1.5 Gt C dazu, die aus abgeholzten Regenwäldern stammen, dann lagen die menschgemachten Emissionen im Jahr 2018 bei über 11.5 Gt C. Das entspricht fast 43 Milliarden Tonnen CO2. Damit schwindet die Restmenge an CO2, welche die Menschheit im Rahmen des Pariser Abkommens noch ausstossen kann, rapide. Dieses Kohlenstoffbudget beträgt für das Zwei-​Grad-Ziel rund 1100 Milliarden Tonnen CO2 und wäre bei gleichbleibenden Emissionen in rund 25 Jahren aufgebraucht2. Weniger als zehn Jahre verbleiben bei einer Erwärmung von maximal 1.5 Grad. Nachdem das Kohlenstoffbudget aufgebraucht ist, muss jede zusätzlich emittierte Tonne CO2 wieder aus der Atmosphäre entfernt werden.

Wohl nicht nur als Wissenschaftler stellt man sich die Frage, ob die Pariser Klimaziele noch realistisch sind. Insbesondere da die Internationale Energie Agentur IEA in ihrem neuesten Outlook3 voraussagt, dass die fossilen Energieträger noch lange eine gewichtige Rolle haben werden.

Das Gros der Welt is immer noch im fossilen Zeitalter
Klar ist: Wir sind nicht auf Kurs. Der wichtigste Treiber für die steigenden CO2-Emissionen ist der wachsende Wohlstand und dadurch bedingt ein steigender Energiebedarf, den die meisten Staaten weitgehend mit fossilen Energieträgern decken. Da ein weiteres Wachstum des Wohlstands notwendig ist, um weltweit viele Menschen aus der Armut zu holen, lässt sich das Klimaproblem nur lösen, indem wir das Wirtschaftswachstum von den CO2-Emissionen entkoppeln. Diese Dekarbonisierung findet zwar statt, aber in viel zu geringem Masse. Das Gros der Welt befindet sich immer noch im fossilen Zeitalter.

Der Wandel findet statt
Es gibt aber auch viele Lichtblicke: 19 Länder, darunter einige aus der EU und die Schweiz, konnten in der letzten Dekade ihre CO2-Emissionen senken, ohne die Wirtschaft zu bremsen. Auch hat die IEA das Wachstum der neuen erneuerbaren Energien in der Vergangenheit wiederholt massiv unterschätzt5. Viele Erneuerbare haben imposante Lernkurven durchlaufen, so dass sie heute deutlich günstiger und teilweise bereits konkurrenzfähig sind. Letztes Jahr betrug der Anteil der Erneuerbaren an der global neu installierten Stromproduktion mehr als 60 Prozent. Zahlreiche Firmen und Städte erkennen die Risiken des Klimawandels und wollen handeln. Der politische Druck aus der Bevölkerung steigt.

Geschwindigkeit reicht nicht aus
Das zeigt: Der Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft hat längst begonnen und nimmt Fahrt auf. Doch die jetzige Geschwindigkeit des Wandels reicht leider nicht. Wir müssen die Dekarbonisierung stark beschleunigen, wollen wir das Pariser Ziel nicht verpassen.

Das Tempo erhöhen
Meiner Meinung nach bedarf es dreier Aspekte, um diese Beschleunigung zu erreichen: Erstens müssen wir Menschen die Gefahren des Klimawandels erkennen, ernst nehmen, und dann bereit sein, den Pariser Weg tatsächlich zu gehen. Zweitens müssen Forschung und Wirtschaft die Technologien und Prozesse bereitstellen, die notwendig sind, um unsere Bedürfnisse CO2-​neutral zu decken. Drittens müssen Politik und Wirtschaft geeignete finanzielle und politische Rahmenbedingungen bieten. In allen drei Bereichen ist viel Dynamik entstanden, aber sie agieren noch nicht synchron. Ich bin überzeugt, dass wir viel Potenzial freisetzen können, wenn wir es schaffen, die Interessen aller Akteure in Einklang zu bringen und ihr Tun zu koordinieren.

Während das CO2 in der Atmosphäre weiter zunimmt – dieses Jahr auf über 410 ppm (Anteile pro Million), das sind fast 50 Prozent über dem vorindustriellen Wert – wird unser Spielraum immer kleiner. Entsprechend gross ist der Handlungsbedarf. Wir alle sind nun gefordert – in der Schweiz und weltweit. Die UN-​Klimakonferenz in Madrid kann hier ein klares Signal setzen. Aber schlussendlich müssen wir selber den Mut aufbringen, die Massnahmen in die Wege zu leiten, um unsere Emissionen verbindlich und radikal zu senken.

Text: Nicolas Gruber, an der Erhebung des Kohlenstoffbudgets 2018 für das Global Carbon Project beteiligt. Beitrag erschienen auf ETH Zukunftsblog

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