Vermessen und duchgecheckt: Die Rotorblätter warten auf ihren Transport nach Krummendeich. Bild: DLR

Da die Rottorblätter bei modernen Windenergieanlagen immer grösser und leichter werden, spielt ihr Biege- und Schwingungsverhalten eine grosse Rolle. Bild: DLR

Ein spezielles Rüttelgerät versetzt das Rotorblatt an unterschiedlichen Stellen in Schwingung. Bild: DLR

Da die Rottorblätter bei modernen Windenergieanlagen immer grösser und leichter werden, spielt ihr Biege- und Schwingungsverhalten eine grosse Rolle. Bild: DLR

DLR, IWES und Enercon: Auf Biegen und Schwingen - sechs Rotorblätter mit rund 1500 Sensoren ausgestattet

(DLR) Mit dem Forschungspark Windenergie WiValdi (WindValidation) baut das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im niedersächsischen Krummendeich eine in dieser Form einmalige Anlage auf. Die zwei Windenergieanlagen des Forschungsparks verfügen dazu über spezielle Rotorblätter: Sie wurden bereits während der Herstellung beim Industrieunternehmen Enercon mit rund 1500 Sensoren ausgestattet. Mit ihnen wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen, wie sich Windenergieanlagen leiser, langlebiger und effizienter auslegen und nachhaltiger betreiben lassen.


Bevor die Rotorblätter im Forschungspark Windenergie montiert werden, haben sie im Sommer 2022 einen Zwischenstopp in Bremerhaven gemacht. Am Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES) wurden alle sechs Blätter umfassenden strukturdynamischen Tests unterzogen. Bei diesen grundlegenden Untersuchungen konnte das Team des DLR-Instituts für Aeroelastik sowie für Faserverbundleichtbau und Adaptronik mit Unterstützung des IWES wichtige Eigenschaften der Rotorblätter bestimmen und einen weltweit einmaligen Datenschatz gewinnen.

Digitaler Zwilling“ der Rotorblätter
Die Daten ermöglichen sehr genaue Aussagen zum Verhalten der Blätter und tragen dazu bei, Simulationen zu bestätigen und weiterzuentwickeln. Ausserdem können die Forschenden so einen „digitalen Zwilling“ der Rotorblätter aufbauen. Dieser hilft Forschung und Industrie dabei, neue Standards zu entwickeln und die Blatt-Fertigung zu verbessern. „Mit diesen Tests haben wir den Grundbaustein gelegt, um später mit den Rotorblättern vor Ort in Krummendeich forschen zu können“, beschreibt Dr.-Ing. Yves Govers vom DLR-Institut für Aeroelastik und Leiter des Arbeitspakets zur Instrumentierung der Rotorblätter.

Video-Einblick: Hightech-Rotorblätter im Test
Wie testet man Rotorblätter, die 57 Meter lang und 20 Tonnen schwer sind? Im Video geben die DLR-Forschenden einen Einblick, wie sie mit einer Vielzahl an Messgeräten und Sensoren die Hightech-Rotorblättern ganz genau unter die Lupe genommen haben. Das Ziel: die Windenergie leiser, nachhaltiger und...


Video: DLR

Im Fokus: Biege- und Schwingungsverhalten
Für die Versuche hängte das Test-Team die je rund 20 Tonnen schweren und 57 Meter langen Rotorblätter nacheinander mit Gummiseilen an einen Kran. Dafür kamen am vorderen und hinteren Ende der Blätter jeweils 500 Seile zum Einsatz, wie man sie vom Bungee-Jumping kennt. Dann wurden die Blätter mit einem speziellen Rüttelgerät oder mit Hammerschlägen in Schwingung versetzt. Durch diese spezielle Aufhängung konnten die Forschenden die natürliche Schwingung des Blattes ohne den Einfluss von Umweltbedingungen bestimmen.

1500 Sensoren direkt verbaut
Gleichzeitig nutzten sie den Versuch, um die bereits während der Produktion an und in den Blättern verbauten rund 1500 Sensoren einzurichten und zu testen. Zusätzlich brachten sie speziell für diese Versuche viele weitere Messpunkte und Sensoren über die komplette Länge der Blätter an und massen sie ein. „Beim Anbringen, Dokumentieren und Prüfen muss man sehr sorgfältig vorgehen, sonst sind die Messungen nachher nicht korrekt. Entsprechend waren wir bei sechs Blättern eine Weile beschäftigt und brauchten im Schnitt drei Tage pro Rotorblatt für Aufbau, Test und Abbau“, schildert DLR-Forscher Govers. Bei einer zweiten Art von Test montierten die Forschenden eines der baugleichen Blätter an einen Prüfstand und zogen an ihm, um so Statik, Deformation und innere Belastung zu testen.

Längere und leichtere Rotorblätter: technologische Herausforderung für mehr Effizienz
Bei modernen Windenergieanlagen werden die Blätter immer länger und gleichzeitig dank neuartiger Werkstoffe immer leichter. So können die Anlagen effizienter betrieben und auch Standorte genutzt werden, die weniger windintensiv sind. Damit sind jedoch auch neue technische Herausforderungen verbunden: „Die Blätter stehen niemals wirklich still, sondern sind immer in Schwingung – ob durch Luftbewegungen oder selbst durch kleinste Vibrationen im Untergrund, die sogenannte Mikroseismik.“

Früherkennung von Schäden
„Für einen effizienten, leisen und sicheren Betrieb muss man deshalb das Verformungsverhalten der Rotorblätter gut kennen. Ein Blatt biegt sich durch, verdreht sich dabei aber auch. Besonders der Grad dieser Verdrehung ist wichtig, um die Effizienz zu steigern“, erklärt Yves Govers. „Wir schauen uns aber auch die Belastung der Rotorblätter an. Dazu haben wir über mehrere Blattabschnitte spezielle Sensoren integriert. So können wir über die ganze Länge des Blattes die Belastung aufgrund der Anströmung im Betrieb auswerten. Weitere Sensoren dienen der Früherkennung von Schäden. Mit dieser umfassenden Instrumentierung erhoffen wir uns ganz neue Erkenntnisse über die Blattverformung und Blattbelastung.“

Bereits jetzt melden sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Europa beim DLR-Team und zeigen Interesse an dessen Arbeit. „Ich kenne nichts Vergleichbares“, bilanziert Yves Govers. „Die Anlage ist wahrscheinlich die weltweit am umfassendsten mit Sensoren ausgestattete Windenergieanlage und wird auf Jahre ihresgleichen suchen.“ Die sechs Hightech-Rotorblätter machen sich im Herbst 2022 auf den Weg in den Forschungspark Windenergie des DLR nach Krummendeich und werden dort dann montiert.

Text: Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

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