Trotz intensiver Diskussion haben 27 Prozent der Befragten nicht wahrgenommen, dass es Möglichkeiten der finanziellen Beteiligung am Windpark gab. 62 Prozent finden es wichtig, dass finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten möglich waren. ©Bild: AEE

Im April und Mai 2020 sind drei Anlagen im Hünfeldener Wald ans Netz gegangen. Die Kommune war von Anfang an an der Projektierung beteiligt und ist auch Miteigentümerin des Windparks. ©Bild: AEE

Vergleich kommunaler Wertschöpfung des Windparks Hünfeldener Wald je nach regionalen Anteilen der beteiligten Akteure. ©Bild: AEE

Kommunale Wertschöpfung beim Windpark Hünfeldener Wald. ©Bild: AEE

Mit Blick auf verschiedene Bereiche der Wertschöpfung zeigt sich, dass „Nein-Antworten“ dort überwiegen, wo es tatsächlich keine Wertschöpfungseffekte gab. ©Bild: AEE

Erste Rewa-Forschungsergebnisse: Hünfelden profitiert finanziell vom Windpark – Bevölkerung von Anfang an stark eingebunden

(AEE) Die ersten Ergebnisse des Forschungsvorhabens Rewa liegen vor. Am Beispiel des Windparks Hünfeldener Wald in Hessen wurden die lokalen Wertschöpfungseffekte berechnet und eine Akzeptanzanalyse durchgeführt. Besonderer Fokus lag dabei auf dem finanziellen Beteiligungsmodell und der Hypothese, dass faire Beteiligungsmöglichkeiten die Akzeptanz in der Bevölkerung fördern. Das interdisziplinäre Konsortium besteht aus dem Institut für Zukunftsenergie- und Stoffstromsysteme (Iues), dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (Iöw) und der deutschen Agentur für Erneuerbare Energien e. V. (AEE).


Im April und Mai 2020 sind drei Anlagen im Hünfeldener Wald ans Netz gegangen. Die Gemeinde hat 2013 zusammen mit dem regional ansässigen Projektentwickler Land + Forst GmbH eine Projektierungsgesellschaft gegründet, zwei Jahre später kam die Naturstrom AG als Projektpartner hinzu. Die Kommune war von Anfang an, vor allem in Person der Bürgermeisterin Silvia Scheu-Menzer, an der Projektierung beteiligt und ist auch Miteigentümerin des Windparks. Hünfelden ist eine von sechs Kommunen im Forschungsprojekt, an deren Projekt die Berechnungen und Erhebungen erfolgen.

Hoher Anteil der lokalen Wertschöpfung bleibt in Gemeinde
Die Berechnungen des Iöw zum Hünfeldener Windpark zeigen, dass insgesamt ein hoher Anteil der lokalen Wertschöpfung in der Gemeinde verbleibt. Die Kommune ist Grundstückeigentümerin und nimmt somit die Pacht ein, sie hat selbst investiert und erhält zudem 100 Prozent der Gewerbesteuer aus dem Anlagenbetrieb. Nicht zuletzt spielen die Möglichkeiten der Eigentumsbeteiligung am Windpark für die Bevölkerung selbst eine wichtige Rolle. Etwa ein Viertel des Eigenkapitals der GmbH & Co. KG kommt von Privatpersonen mit Erstwohnsitz in der hessischen Gemeinde.

Die lokal verbleibende Wertschöpfung liegt in Hünfelden in einem durchschnittlichen Betriebsjahr bei 322‘100 Euro. Wertschöpfung wird hier verstanden als die Summe aus Einkommen der Beschäftigten, Gewinne nach Steuern von lokalen Unternehmen und Gesellschafter*innen sowie kommunalen Steuereinnahmen.

Gewinnberechnungen basieren noch auf Ertragsprognosen
Da die Anlagen erst 2020 ans Netz gingen, gab es als Datengrundlage noch kein volles Betriebsjahr, weshalb die Gewinnberechnungen und Pachteinnahmen auf Ertragsprognosen basieren (Windvollaststunden). Von der gesamten Wertschöpfung verbleiben etwa 80 Prozent als verschiedene Einnahmen bei der Kommune. Diese Einnahmen setzen sich zusammen aus Gewerbesteuer- und Einkommensteuereinnahmen, Pachteinnahmen und Einnahmen der Kommune als Anlageneigentümerin. Weiterhin profitieren etwa 150 Privatpersonen aus der Gemeinde, die ebenfalls an der Anlage beteiligt sind.

Verschiedene Szenarien bewertet
Um die tatsächlichen Einnahmen der Kommune in ein Verhältnis zu setzen, hat das Iöw mit Blick auf beteiligte Akteur*innen verschiedene Szenarien bewertet, in denen sich die regionale Ansässigkeit dieser Akteur*innen unterscheidet. Denn Wertschöpfung, die beispielsweise an auswärtige Investor*innen oder Grundstückseigentümer*innen abfliesst, würde nicht der Gemeinde zugerechnet. Die Darstellung zeigt, dass die Wertschöpfung also geringer ausfallen würde, wenn die Investor*innen von ausserhalb kämen und die lokale Eigenkapitalbeteiligung entsprechend bei null Prozent läge. In solchen Szenarien blieben der Kommune meist nur die Pachteinnahmen sowie die Gewerbesteuereinnahmen.

Wäre im Gegensatz zu diesem Szenario jedoch 100 Prozent des Eigenkapitals in Hünfelden aufgebracht worden, würde der Kommune noch einmal etwa 95‘000 Euro mehr zukommen. In einem eher hypothetischen Szenario, in welchen sämtliche Wertschöpfungsschritte von Akteur*innen vor Ort besetzt wären, würde die Wertschöpfung entsprechend bei etwa 638‘000 Euro liegen. Das wäre der Fall, wenn zudem Wartung und Instandhaltung, Versicherungsleistungen etc. durch Akteur*innen in der Kommune geleistet und getätigt worden wären. Der Vergleich dieser Szenarien zeigt also, dass die Gemeinde Hünfelden über 135‘000 Euro mehr durch den ansässigen Windpark einnimmt als es ohne das Engagement der Gemeinde möglich gewesen wäre.

Mehrheit der Befragten befürwortet finanzielle Beteiligungsmöglichkeit
Weitere Ergebnisse mit Blick auf Hünfelden liefert die Akzeptanzanalyse. Hier hat das Izes sowohl qualitative Akteursinterviews geführt als auch eine standardisierte Online-Befragung innerhalb der Bevölkerung ausgewertet. Ziel der Online-Befragung ist es unter anderem festzustellen, inwiefern Wertschöpfungseffekte in der Bevölkerung wahrgenommen und mit dem Windpark in Verbindung gebracht werden. Mit Blick auf verschiedene Bereiche der Wertschöpfung zeigt sich, dass „Nein-Antworten“ dort überwiegen, wo es tatsächlich keine Wertschöpfungseffekte gab. Denn in Hünfelden sind, wie bei Windenergieanlagen üblich, keine lokalen Arbeitsplätze im Anlagenbetrieb entstanden, weil Wartungsunternehmen, Versicherungen und kreditgebende Banken nicht direkt in der Kommune ansässig sind.

Hälfte der Befragten kennt Wertschöpfungseffekte durch Windpark nicht
Hinsichtlich der tatsächlichen Einnahmen für die Kommune, Gewerbesteuer und Pachteinnahmen, liegt die Einschätzung der Bevölkerung hingegen mit 50 bzw. 54 Prozent „Ja-Antworten“ deutlich höher. Dennoch wird auch hier deutlich, dass auf der anderen Seite die Hälfte der Befragten nicht in Kenntnis über die Wertschöpfungseffekte durch den Windpark ist. Dies könnte beispielsweise durch eine gezieltere Kommunikation seitens der Kommune bzgl. der Einnahmen und deren Verwendung verbessert werden.

Am Windpark Hünfeldener Wald sind 150 Privatpersonen aus der Gemeinde selbst beteiligt. Diese Eigenkapitalbeteiligung geht mit Stimmrechten abhängig vom Kapitaleinsatz einher. Die Betreibergesellschaft wurde in Form einer Bürgerenergiegesellschaft (GmbH & Co. KG) gegründet: Die Bürger*innen vor Ort konnten sich mit einer Kommanditbeteiligung ab 1000 Euro einbringen und erhalten im Gegenzug Stimmrechte in der Gesellschaftsversammlung. Die Kommune hat von Anfang an grossen Wert auf einen fairen und transparenten Ablauf gelegt und entsprechend stark zum Windpark kommuniziert. Trotz intensiver Diskussion und transparenter Kommunikation haben jedoch 27 Prozent der Befragten nicht wahrgenommen, dass es diese Möglichkeiten der finanziellen Beteiligung gab. Dennoch zeigt sich, dass eine deutliche Mehrheit von 62 Prozent es wichtig findet, dass finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten in Hünfelden möglich waren.

Akzeptanz nimmt ab, je konkreter das befragte Projekt ist
Bei der Betrachtung der verschiedenen Konkretisierungsebenen von Akzeptanz fällt auf, dass die Akzeptanz abnimmt, je konkreter das befragte Projekt ist (Windenergie allgemein vs. ein spezifisches Projekt vor Ort). Dieses Ergebnis ist konsistent zu anderen Studien und gewissermassen nachvollziehbar, da bei einem konkreten Projekt mehr Bewertungsebenen wie Standort, Betreibermodell, Anlagentyp etc. zum Tragen kommen als bei der prinzipiellen Frage für beziehungsweise gegen Windenergie.

Wie es in der Gemeinde und im Forschungsprojekt weitergeht
Das Beispiel Hünfelden zeigt, welchen positiven Einfluss finanzielle Beteiligung und transparentes Vorgehen haben. Die erzielten Wertschöpfungseffekte sind durch das Engagement der Kommune und die Beteiligungsmöglichkeiten für die lokale Bevölkerung relativ hoch. Hünfelden nimmt somit eine Vorbildfunktion für andere Gemeinden ein. Die gemeinnützige Verwendung der Einnahmen wurde vertraglich festgehalten; dass die kollektive Wertschöpfung in der Region bleibt, war von Beginn an ein wichtiges Anliegen. Durch den Windpark tätigt die Gemeinde Investitionen in öffentliche Einrichtungen, wie etwa das örtliche Schwimmbad. Hinzukommt, dass auch nicht-monetäre Aspekte im Prozess entscheidend waren, weil beispielsweise die Kommune mit diesem Projekt zumindest einen Schritt in Richtung Energieautarkie gehen wollte.

Im Rahmen des Forschungsprojekts werden insgesamt zehn Erneuerbare-Energien-Projekte in insgesamt sechs Kommunen in Deutschland untersucht. Das Forschungsprojekt Rewa ist im Sommer 2020 gestartet und hat eine Projektlaufzeit von zwei Jahren. Die Berechnungen und Erhebungen laufen derzeit, werden zusammengeführt und verglichen. Dabei werden die regionalökonomischen Effekte von finanziellen Beteiligungsmöglichkeiten an den Erneuerbare-Energien-Projekten in den ausgewählten Kommunen mittels bewährter Berechnungsgrundlagen quantifiziert und diese in eine empirische Beziehung zu ihren Akzeptanzwirkungen auf unterschiedlichen Akteursebenen gesetzt. Ziel ist es, eine Antwort auf die Frage zu geben, ob und in welchem Umfang Wechselwirkungen zwischen den regionalwirtschaftlichen Effekten und Möglichkeiten der finanziellen Beteiligung sowie der lokalen Akzeptanz von Erneuerbare-Energien-Projekten bestehen. Mitte des Jahres 2022 werden alle Ergebnisse veröffentlicht und in Transferworkshops mit verschiedenen Zielgruppen geteilt.

Weitere Informationen zum Projekt >>

Steckbriefe der beteiligten Kommunen >>

Übersicht über die finanziellen Beteiligungsmodelle >>

Text: Deutsche Agentur für Erneuerbare Energien (AEE)

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