Hauptteil der „thermischen Plattform“ im Container ist eine spezielle Bremse, in der Fachsprache hydrodynamischer Retarder genannt. Sie erzeugt und regelt die Wärme abhängig von der jeweiligen Anwendung. Bild: DLR

Die Testanlage ermöglicht es, wertvolle Daten für die weitere Entwicklung zu sammeln und die Technologie in der Praxis zu testen. Bild: DLR

Vier potenzielle Nutzungsszenarien für Windthermie: Die Einsatzmöglichkeiten der Technologie sind vielfältig und reichen von industriellen Prozessen bis hin zur Entsalzung von Meerwasser und dem Speichern und Zurückverstromen von Wärme. Bild: DLR

Funktionsschema der Pilotanlage: Die zentralen Komponenten und Prozesse einer windthermischen Anlage. Bild: DLR

DLR: So wird Windstrom direkt zu Wärme - auch für Industrieanwendungen von bis zu 600 Grad Celsius

(DLR) Windenergie lässt sich auch nutzen, um sie direkt in Wärme umzuwandeln. Einsatzmöglichkeiten für Windthermie sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überall dort, wo Wärme auf niedrigem und mittlerem Temperaturbereich bis rund 300 Grad Celsius benötigt wird, wie zum Beispiel in der Papier-, Karton- oder Lebensmittelindustrie. Aber auch Hochtemperaturwärme bis zu 600 Grad Celsius ist möglich.


Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erforscht die technologischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Windthermie. Sie ist ein Ansatz, um den Wärmesektor zu dekarbonisieren und flexibler zu machen. Dazu hat das DLR-Institut für Flugsystemtechnik mit Unterstützung der beiden DLR-Institute für Technische Thermodynamik und für Vernetzte Energiesysteme einen ersten Prototyp entwickelt, aufgebaut und in Betrieb genommen. Mit Hilfe dieser kleinen Testanlage soll in den nächsten Jahren gezeigt werden, dass diese Technologie in der Praxis funktioniert und für bestimmte Anwendungen auch im industriellen Massstab geeignet ist. Dies ist vor allem der Fall, wenn Erzeugung und Nutzung der Wärme eng beieinander liegen.

Erhöhung Wirkungsgrad
„Der entscheidende Vorteil der Windthermie ist, dass wir direkt Wärme erzeugen. Das erhöht den Wirkungsgrad, weil wir uns einen Umwandlungsschritt sparen. Bisher nutzt man zum Beispiel gerade nicht benötigten Strom aus Windkraft, um daraus Wärme zu erzeugen und diese zu speichern. Dabei hat man einen Schritt mehr und entsprechend hohe Verluste bei der Umwandlung von Bewegungsenergie in Strom und dann erst Wärme“, beschreibt Projektleiter Malte Neumeier vom Institut für Flugsystemtechnik.

Auf für Industrieprozesse
Einsatzmöglichkeiten für Windthermie sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überall dort, wo Wärme auf niedrigem und mittlerem Temperaturbereich bis rund 300 Grad Celsius benötigt wird. Dazu zählen die Nah- und Fernwärmeversorgung von Gebäuden sowie viele Prozesse in der Papier-, Karton- oder Lebensmittelindustrie. Auch Anlagen für das Entsalzen von Meerwasser oder das Heizen von Gewächshäusern könnten von Windthermie profitieren.

Hochtemperatur-Wärmespeicher
Eine weitere Anwendung sind Hochtemperatur-Wärmespeicher: Sie speichern die Wärme auf einem Temperaturniveau bis 600 Grad Celsius über mehrere Tage und Wochen. Wenn der Wind nicht weht, kommt diese Wärme zum Einsatz, um Strom zu produzieren. Im Vergleich zu elektrischen Speichern wie Batterien sind Wärmespeicher wesentlich kostengünstiger.

Realisieren liessen sich Windthermie-Anlagen als dezentrale Kleinwindenergieanlagen, die Wärme bis zu 100 Grad Celsius bereitstellen, ebenso wie als grosse Windparks, die Hochtemperaturwärme bis zu 600 Grad Celsius ermöglichen könnten.

Erster Praxistest: Wärme erzeugen, speichern und Messdaten sammeln
Die DLR-Pilotanlage steht in Celle auf dem Gelände des Herstellers der Windenergieanlage PWS-Energiesysteme und setzt sich aus zwei Teile zusammen: einer kommerziell verfügbaren kleinen Windenergieanlage und einem Container. Dieser beinhaltet alle Komponenten, um die Bewegungsenergie des Winds in Wärme umzuwandeln. Die Windenergieanlage ist 22 Meter hoch und hat eine Dauerleistung von 15 Kilowatt – das entspricht in etwa dem jährlichen Energiebedarf eines Einfamilienhauses. Das Team um Malte Neumeier hat den elektrischen Generator ausgebaut und die Anlage für den neuen Einsatzzweck modifiziert. Hauptteil der „thermischen Plattform“ im Container ist eine spezielle Bremse, in der Fachsprache hydrodynamischer Retarder genannt. Sie erzeugt und regelt die Wärme abhängig von der jeweiligen Anwendung. Ein Warmwasserbecken dient als Wärmespeicher. „Wir gehen davon aus, dass sich windthermische Anlagen mit weniger Komponenten realisieren lassen als stromerzeugende Anlagen. Das könnte auch mit einem geringeren Gewicht, weniger Kosten für Investition, Wartung und Betrieb und einer geringeren Anfälligkeit für Störungen einhergehen“, erläutert Neumeier.

Schnell in die Umsetzung – mit bereits erhältlichen Komponenten
Für eine schnelle Entwicklung hin zur industriellen Anwendung arbeiten die DLR-Forschenden soweit wie möglich mit bereits am Markt erhältlichen Komponenten. „Wir sind optimistisch, dass sich so diese Technologie vergleichsweise einfach nach oben skalieren lässt – also in eine Grösse übertragen, die in der Praxis benötigt wird“, blickt Projektleiter Malte Neumeier in die Zukunft. Im Fokus der Arbeiten mit dem Prototyp stehen die Optimierung und Weiterentwicklung der Technologie sowie Analysen zur Wirtschaftlichkeit und das Erstellen von Anwendungsszenarien. Dazu gehört zum Beispiel, die Komponenten zur Wärmeerzeugung aus dem Container in die Gondel der Windenergieanlage zu verlagern. So sollen die mechanischen Verluste verringert und der Wärmetransport optimiert werden.

Text: Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

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