Fernando Porté-Agel ist Direktor des Labors für Windengineering und Erneuerbare Energien (WiRE) an der EPFL. Bild: B. Vogel

Large-Eddy-Simulation (LES) einer Vestas-Windturbine mit 112 m Rotordurchmesser. Simulation: WiRE

Das kleine Windrad ist kein Spielzeug, sondern ein herunterskaliertes Windrad für Tests im Windkanal. Bild: B. Vogel

Durch das Gieren kann die Nachlaufströmung abgelenkt und so gesteuert werden, dass es bei der hinteren Windturbine zu einer Leistungserhöhung kommt. Grafik: WiRE

Die untere Grafik veranschaulicht die Leistung des darüber dargestellten Windparks aus acht mal zehn Windkraftwerken abhängig von der Windrichtung. Grafik: WiRE

Die verbesserte Anordnung der Windturbinen (rechts) wurde mit dem analytischen Strömungsmodell der EPFL erzielt. Grafik: WiRE

Die Nachlaufströmung der Windkraftwerke in einem dänischen Offshore-Windpark wird durch Kondensation sichtbar. Bild: Vattenfall/Christian Steiness

Im Windkanal der EPFL bringt ein Laser die mit Helium gefüllten Seifenblasen zum Leuchten, damit Kameras diese in der Folge erfassen können. Bild: WiRE

Ein Windpark im Windkanal der EPFL. Bild: WiRE

EPFL-Forschung: Auf der Suche nach dem optimalen Design und Betrieb von Windparks

(BV) Die Wissenschaftler um Prof. Fernando Porté-Agel an der EPFL suchen nach dem optimalen Design und Betrieb von Windparks, sprich der Anordnung der einzelnen Windturbinen innerhalb von Windparks. Denn leistungsfähige Computermodelle von Windströmungen könnten in Zukunft helfen, die Energieausbeute bei Planung und Betrieb von Kraftwerken weiter zu verbessern. (Texte en français >>)


Windkraftanlagen gehören an Standorte mit gutem Wind, das versteht sich von selbst. Damit dort der Wind in einen guten Stromertrag umgesetzt werden kann, müssen die Betreiber von Windturbinen zahlreiche Faktoren berücksichtigen. Leistungsfähige Computermodelle entwickelt ein Forscherteam der ETH Lausanne (EPFL) um Prof. Fernando Porté-Agel. Sie helfen, bei der Planung von Windparks die Windturbinen da zu platzieren, wo der Wind am stärksten und die Wechselwirkung mit anderen Windrädern möglichst gering ist.

Rekordjahr 2019
2019 war ein exzellentes Windjahr: Die 37 Schweizer Windkraftwerke konnten einen Rekordertrag von 146 Mio. kWh Strom vermelden, was dem Strombedarf von gegen 50'000 Vier-Personen-Haushalten entspricht. Der Windertrag lag damit 20% über dem, was die gleiche Anzahl von Windturbinen im Vorjahr erzeugt hatte. Diese Zahl macht nur deutlich, was Menschen auch aus ihrer Alltagserfahrung wissen: Der Wind bläst in verschiedenen Zeiträumen unterschiedlich stark, und so ist es nur folgerichtig, dass auch die Produktion von Windturbinen erheblichen Schwankungen unterliegt.

Ein überaus komplexes Phänomen
Das heisst nun aber nicht, dass sich die Produktion von Windkraftwerken überhaupt nicht prognostizieren liesse. Der Stromertrag für einige Tage lässt sich aufgrund von Wetter- bzw. Windprognosen vorhersagen und auch längerfristig abschätzen. Diese Ertragsprognosen von Windturbinen sind aber nicht hinreichend genau. Wind ist nämlich ein überaus komplexes Phänomen, besonders in unebenem Gelände. Neben Windstärke und -richtung beeinflusst der Standort einer Windturbine ihren Ertrag: Hügel, Bäume oder Gebäude lenken die Luftströmung ab und beeinflussen die Windgeschwindigkeit und das Ausmass von Turbulenzen in unterschiedlichen Höhen. Darüber hinaus beeinflussen Veränderungen der Temperatur am Boden und während des Tagesverlaufs Windgeschwindigkeit und Turbulenzen.

Experimente mit Simulationen kombinieren
Wissenschaftler der Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) haben das Ziel, Windströmungen bestmöglich zu beschreiben. Im Labor für Windengineering und Erneuerbare Energien (Wind Engineering and Renewable Energy Laboratory, kurz WiRE) haben sie einen Windkanal aufgebaut, in dem sie Luftströmungen unter kontrollierten Bedingungen an miniaturisierten Windrädern und Windfarmen untersuchen. Daneben führen sie an Windkraftanlagen im Feld Messungen durch und entwickeln Computersimulationen, um Windströmungen wirklichkeitsnah nachzubilden

Verluste bis zu 20% der Jahresproduktion
In einem vom BFE unterstützten Projekt, das Ende 2019 abgeschlossen wurde, haben die Wissenschaftler um Prof. Fernando Porté-Agel nach dem optimalen Design und Betrieb von Windfarmen gesucht. Design meint in dem Zusammenhang die Anordnung der einzelnen Windturbinen innerhalb von Windfarmen. Hierbei soll nicht nur die beste Position für die Windturbinen in der Landschaft gefunden werden, der Designprozess berücksichtigt auch die Wechselwirkungen zwischen Windkraftwerken. Obwohl Windkraftanlagen mehrere Hundert Meter voneinander entfernt stehen, wird der Luftstrom hinter den Turbinen (engl. wake flow) abgebremst. Das vermindert den Ertrag der dahinterliegenden Windturbinen. Im Extremfall können diese Verluste bis zu 20% der Jahresproduktion betragen. Zudem entstehen in Windfarmen Turbulenzen, welche die Rotoren mechanisch belasten und schneller altern lassen.

Effizienz von Windfarmen maximieren
Die Lausanner Forscher möchten beide Negativeffekte soweit möglich unterbinden. Sie erstellen hierzu Computermodelle, welche die Luftströmungen rund um Windturbinen exakter als bisher beschreiben. Diese Vorhersagen können genutzt werden, um Design und Betrieb von Windfarmen zu verbessern. «Mit unseren Methoden können wir nicht nur den Ertrag von Windparks optimieren, sondern auch ihre Kosten senken und damit ihre Profitabilität um mehrere Prozentpunkte steigern. In der heutigen Welt, in der der Klimawandel zu einem dringenden Problem geworden ist, kann unsere Arbeit dabei helfen, den Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energien zu beschleunigen, indem wir Windenergie wettbewerbsfähiger machen», sagt EPFL-Professor Porté-Agel.

Zur Modellierung von Windströmungen sind heute einfache Computermodelle (bekannt als ‹analytische Modelle›) verfügbar, aber auch komplexe Modelle wie z.B. die ‹Large Eddy Simulation› (LES). Letztere ist genauer, braucht aber mehr Rechenleistung. Will man das Verhalten ganzer Windfarmen mit LES modellieren, schaffen das selbst Supercomputer nur mit langwierigen Rechenoperationen.

Wissenschaftler greifen deshalb zu einem Kunstgriff: Sie verwenden komplexe Modelle und Experimente, um einfache (‹analytische›) Modelle zu validieren und deren Genauigkeit zu verbessern. «Die neue Generation analytischer Modelle liefern in kurzer Zeit Vorhersagen von vernünftiger Genauigkeit», sagt Porté-Agel. «Innerhalb des BFE-Projekts konnten wir sowohl die komplexen als auch die einfachen Modelle für Windkraftwerke verbessern.»

Nachlaufströmung gezielt steuern
Sollen die Modelle die Wirklichkeit möglichst exakt beschreiben, müssen die Wissenschaftler Daten aus Feldmessungen an bestehenden Windkraftanlagen und aus Experimenten im Windkanal, wo die wirklichen Verhältnisse im Massstab 1 zu 1000 nachvollzogen werden, mit einbeziehen. Die Modelle aus dem WiRE-Labor an der EPFL dürften in Zukunft helfen, die Erträge von Windkraftanlagen und Windfarmen zuverlässiger abzuschätzen als bisher möglich. Wichtige Hilfestellungen liefern die Modelle auch im Betrieb: Sie machen es möglich, innovative Steuerungssysteme für Windparks zu entwickeln, welche genutzt werden können, um in Windfarmen die negativen Effekte der Nachlaufströmung wie Leistungsverluste und Ermüdungsbelastung zu minimieren. Das unterstützt den Unterhalt und senkt Kosten.

Aktive Gierstreuerung
Eine Steuerungsstrategie, die im WiRE-Labor getestet wird, wird aktive Gierstreuerung (engl. ‹active yaw control›) genannt: Indem Betreiber von Windturbinen den Rotor aktiv aus der Richtung des einströmenden Windes herausdrehen, können sie die Nachlaufströmungen beeinflussen (vgl. Textbox 2). Durch geschickte Steuerung der Rotoren kann die Strömung so abgelenkt werden, dass der negative Einfluss auf die nachgeordneten Windturbinen reduziert wird. Windtunnel-Experimente und Computersimulationen im WiRE-Labore haben gezeigt, dass aktive Giersteuerung den Ertrag von Windfarmen um bis zu 20% erhöhen kann (bezogen auf die ungünstigsten Windrichtungen). Die Lausanner Forschung hilft bei der Entwicklung der besten Steuerungsstrategien für Windfarmen. Auf diesem Weg kann der Ertrag an Windstrom in Windparks weiter optimiert werden.

  • Auskünfte zu dem Projekt erteilt Lionel Perret (lionel.perret[at]planair.ch), Leiter des BFE-Forschungsprogramms Windenergie.

Ölivenöl macht den Wind sichtbar
Im Windkanal der EPFL wird eine turbulente Luftstrom-Grenzschicht mit einer Stärke von 50 cm über einen 28 Meter langen Testabschnitt erzeugt. Hier können Windturbinen bei verschiedenen Oberflächenbedingungen untersucht werden. Die turbulente Grenzschicht ist die herunterskalierte Nachbildung der Windverhältnisse, wie sie auf der Oberfläche der Erde herrschen. Um das Strömungsverhalten der Luft sichtbar zu machen, werden in der Luft Olivenöl-Partikel von einem Mikrometer Durchmesser versprüht. Ein Laser bringt die Tröpfchen zum Leuchten, so dass sie von mehreren Kameras Bildgrafisch erfasst und auf ihrem Weg verfolgt werden können. Damit lassen sich Luftströmungen mit hoher Auflösung messen. Alternativ werden mit Helium gefüllte Seifenblasen verwendet; sie sind grösser als die Olivenöl-Tröpfchen und für dreidimensionale Flussmessungen besser geeignet.

Dank seiner speziellen Ausgestaltung kann der EPFL-Windtunnel thermische Effekte imitieren, welche die Leistung von Windfarmen beeinflussen. Um die thermischen Effekte der Atmosphäre realitätsgetreu nachzubilden, kann auf dem Testabschnitt die Bodentemperatur gesteuert werden, und im Windtunnel können 16 Luftschichten mit unterschiedlicher Temperatur erzeugt werden. Teil des thermischen Steuerungssystems sind Rohre (grau im Hintergrund; siehe Bild 02), befüllt mit Flüssigkeiten unterschiedlicher Temperatur. Um sicherzustellen, dass die thermischen Effekte im Windtunnel jenen in der unteren Atmosphäre ähnlich sind, kann die Differenz zwischen der kühlsten und der wärmsten Luftschicht im Windkanal bis zu 120 Grad betragen.

Die Messungen werden an ca. 20 cm grossen Windrädern durchgeführt, die im Innern des Windkanals platziert werden. Dafür reicht es nicht, ein echtes Windrad im verkleinerten Massstab detailgenau nachzubauen. Vielmehr muss der Rotor des kleinen Windrads speziell designt werden, damit er den gleichen Prozentsatz an Energie aus dem Wind extrahiert wie sein grosser Bruder. BV


210 Szenarien
Die Forscherinnen und Forscher haben im Windlabor der EPFL 210 Szenarien durchgespielt um zu untersuchen, wie der Ertrag eines Windparkes variiert, wenn man die Gierwinkel der einzelnen Windturbinen verändert. Drei Strategien zur Steuerung des Gierwinkels waren von besonderem Interesse: Betraf die Giersteuerung nur die vorderste Turbine, auf die der Wind als erstes trifft, konnte die Effizienz des Windparks für die ungünstigste Windrichtung um bis zu 4% gesteigert werden. Bei der zweiten Strategie wurde auf alle Turbinen derselbe Gierwinkel angewendet, ausser auf die hinterste Turbine. In diesem Fall wurden Effizienzsteigerungen bis zu 12% erzielt, wobei dieser Zuwachs nicht zuletzt auf die höheren Erträge der letzten Turbine zurückzuführen ist. Die dritte Strategie bestand in der Maximierung der Effzienz mit einer systematischen Einstellung der Gierwinkel. Hierbei zeigte sich, dass die Effizienz dann am meisten steigern lässt, wenn die erste Windturbine einen relativ grossen Gierwinkel hat, der bei den dahinterliegenden Turbinen tendenziell abnimmt und bei der letzten Turbine gegen null geht.

Im ‹Journal of Renewable and Sustainable Energy› fassten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Prof. Porté-Agel die Erkenntnisse wie folgt zusammen: «Im Allgemeinen sehen wir bei den optimalsten Gierwinkel-Verteilungen eine homogene Leistungsverteilung innerhalb der Windfarm, wobei die Leistung der vordersten Turbine vermindert und jene der dahinter liegenden Windturbinen erhöht wird.» Und: «Das Maximum der erreichbaren Leistungsverbesserung mittels Gierwinkel-Kontrolle nimmt linear mit der Zahl der Turbinenreihen zu. Wir erwarten, dass diese Zunahme für grosse Windfarmen einen asymptotischen Wert annimmt.»

©Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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1 Kommentare

Max Blatter

Man sollte die Gelegenheit nutzen, um neben der Energieausbeute auch landschafts-architektonische Aspekte einzubeziehen: Energieproduktion ist proportional zur Energieausbeute und zur Anzahl realisierbarer Anlagen (= Akzeptanz = Anpassung des Erscheinungsbildes an die Landschaft).

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