Wird es dereinst Offshore-Windparks geben, die ihren Strom direkt vor Ort in Wasserstoff umwandeln? ©Bild: Dierk Jensen

Deutschland: Windstrom von Offshore-Windanlagen – ohne EEG zum Wasserstoff?

(©DJ) Während derzeit in Deutschland an Land die ersten Schritte für den Aufbau einer zukünftigen Wasserstoff-Infrastruktur unternommen werden, wird es damit auf dem Meer wohl noch etwas dauern. Dennoch zeichnen sich erste Projekte im Kontext von Offshore-Windparks am Horizont ab. Auch Power Purchase Agreements (PPA) sind denkbar – dafür braucht es aber regulatorische Reformen. Einige können sich ab 2025 eine Wasserstoffproduktion in der Nordsee vorstellen.


Die Idee schwirrte Marten Jensen schon vor rund 20 Jahren im Kopf umher: Wasserstoffproduktion aus Offshore-Windparks. Was dem heutigen geschäftsführenden Direktor des GreenTEC Campus und dem Trainingszentrum OffTEC im nordfriesischen Enge-Sande schon damals vorschwebte – zu einem Zeitpunkt, als es noch keinen Offshore-Windpark in der deutschen Nordsee gab -, ist auch heute, nachdem schon über 5000 MW Leistung in der Nordsee installiert worden sind, noch Zukunftsmusik. Doch rückt diese zumindest näher. «Wir denken bei der ersten Erprobung an Elektrolyseure von 20 MW», sagt beispielsweise Volker Malmen, Geschäftsführer von Ørsted in Deutschland (früher Dong Energy). Der Länderchef des weltweit grössten Offshore-Windparkbetreibers schränkt jedoch gleich ein, so weit sind wir aber noch nicht, noch gibt es keine Elektrolyseure in dieser Grössenordnung». Allerdings, davon ist Malmen überzeugt, müsse man jetzt anfangen, um die Weichen für die Zukunft rechtzeitig zu stellen.

Vielleicht ab 2025?
Ab 2025 kann sich Malmen eine Wasserstoffproduktion in der Nordsee vorstellen. Und im Zeitraum von 2035 bis 2040, wenn diejenigen Offshore-Projekte an der Reihe sind, die weit draussen vor den Küsten liegen, dann wird Wasserstoff mit grosser Sicherheit in grossen Volumina kommen. Ob ein Konzern wie Equinor ASA, früher Statoil, der die beiden Europipe-Gasleitungen von der Draupner Plattform und nördlich von Stavanger bis zur ostfriesischen Küste betreibt, an diesem Thema dann mehr Interesse als gegenwärtig hat, bleibt indes abzuwarten. «Wir sehen in der Wasserstoff-Einspeisung derzeit keine ökonomische Relevanz und geben daher dazu aquch keine Kommentare ab», entgegnet Pressesprecher Elin A. Isaksen auf Anfrage ziemlich zugeknöpft.

Der zweite vor dem ersten Schritt
Tatsächlich wäre eine Wasserstoffproduktion direkt vor Ort im Offshore-Windpark der zweite vor dem ersten Schritt. So wird die Wasserstoff-Technologie in den nächsten Jahre wahrscheinlich zunächst an Land weiterentwickelt werden. „Wenn die Offshore-Windenergie als Strom angelandet wird, könnten in der Nähe der vorhandenen Umspannwerke oder Konverter-Stationen an Land auch kleinere Elektrolyseure in einer Grössenordnung von etwa 100 MW entstehen“, meint Jan Rispens, Geschäftsführer des Erneuerbare Energien Hamburg Clusteragentur GmbH (EEHH) und bezieht sich auf Offshore-Akteure, die um das Jahr 2021 solche Vorhaben für Standorte im Emsland angekündigt haben. „Dies ist auch eine sinnvolle zeitliche Staffelung, da zunächst die technische Marktreife bei der Elektrolyse in diesem Massstab an Land nachgewiesen werden sollte und dann Skaleneffekte erreicht werden müssen.“ Nach Einschätzung von Rispens würde eine Elektrolyse direkt auf See nur dann Sinn machen, wenn der Strom aus einem ganzen Windpark verwendet werden würde. „Weil nur dann die Stromanbindung wegfallen kann. Damit befinden wir uns im Leistungsbereich von 300 bis 500 MW und mehr. Dies ist sicher technisch frühestens Ende des kommenden Jahrzehnts zu erwarten - abgesehen von kleineren Pilotprojekten im Vorfeld.“

Apropos Pilotprojekte. Wäre ein Wasserstoffprojekt nicht auch in dem geplanten Testfeld in der Ostsee vor der mecklenburgischen Küste nicht eine interessante Option? Andreas Wagner, Geschäftsführer der Stiftung Offshore-Windenergie, hält zwar vieles für möglich, Konkretes läge aber noch nichts vor.

Um die Verkehrswende einzuläuten
Unterdessen versucht die Politik den Druck zu erhöhen, um die Wasserstoffherstellung schneller als bisher voranzubringen. Und zwar eben auch auf der Basis von Offshore-Windenergie, um die Verkehrswende mit einzuläuten. Stellvertretend für eine H2-Mobilität stehen hierfür der Brennstoffzellen-Zug von Cuxhaven nach Stade (siehe ee-news.ch 3.5.19 >>) und der Wasserstoff-Busverkehr zwischen Niebüll und Husum. Ebenso werde es in der Schifffahrt schon bald erste Wasserstoff-Pioniere geben, ist sich Andreas Wellbrock sicher. Obgleich die Offshore-Branche noch nicht Wasserstoff erzeugt, war dieses Thema ein besonderer Schwerpunkt auf der diesjährigen Windforce Conference in Bremerhaven vom Mai, die in diesem Jahr mit den Niederlanden als Partnerland stattfand. Der Geschäftsführer der Windenergieagentur Bremerhaven (wab) bricht eine Lanze für die Kombination von Offshore-Windstrom und Wasserstoffproduktion. „Erst beides zusammen ermöglicht die Sektorenkopplung und CO2-Reduktion im Bereich Verkehr, Wärme und Industrie im grossen Stil“, sagt Wellbrock und ärgert sich, dass die Klimaschutzziele von der aktuellen Bundesregierung weit verfehlt werden. Zwar habe sich das EEG als „Super-Vehikel für die Marktreife der erneuerbaren Energien erwiesen“, doch, so der wab-Geschäftsführer weiter, „muss nun endlich ein ganzheitlicher Masterplan her, der alle Systemkomponenten rahmenpolitisch umfasst, damit die Energiewende zum Erfolg geführt wird.“

WindSeeG müsste deutlich weiterentwickelt werden
Das beurteilen viele Beobachter der Offshore-Szenerie ähnlich. Braucht es also überhaupt noch ein EEG für eine zukünftige Wasserstoffproduktion auf dem Meer? „Die Kombination von EEG und des Gesetz zur Entwicklung und Förderung der Windenergie auf See, kurz WindSeeG, bestimmt alle wichtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen - und das wird auch so bleiben“, stellt indes Rispens fest. „Aber anders als früher, geht es dabei nicht mehr um den festgelegten Strompreis als Instrument für die Marktentwicklung. In Zukunft wird es vor Allem darum gehen, die Flächenausweisungsprozesse, Zuständigkeiten, Ausschreibungsverfahren und Infrastrukturanforderungen zu definieren. Der Preis für Strom und Wasserstoff wird dann durch die Märkte ermittelt. Wenn im kommenden Jahrzehnt Wasserstoff direkt auf See produziert werden soll, muss das WindSeeG bis dahin noch deutlich weiter entwickelt werden, damit dies planerisch auch gelingen kann.“

Ob nun der auf hoher See erzeugte Wasserstoff in Pipelines eingespeist wird oder ihn Tankschiffe an Land transportieren oder vielleicht sogar von Brennstoffzellen angetriebene Schiffe direkt auf dem Meer betankt werden, steht noch in den Sternen. „Deshalb wünsche ich mir eine technologieoffene Strategie“, fordert Wellbrock.

Öffnung für Power Purchase Agreements wünschenswert
Neben Wasserstoff ist, so die Überzeugung vieler Offshore-Experten, auch eine Öffnung für Power Purchase Agreements (PPA) wünschenswert, wie sie in anderen Ländern bereits praktiziert werden. Ob ein DAX-Unternehmen wie beispielsweise die Beiersdorfer AG so einen Grünstrombezug im Geheimen schon plant, ist zumindest nicht öffentlich bekannt. Sicher ist nur, dass Deutschland in Sachen Direktverträge mit Grosskunden noch hinterher hinkt. „Aber spätestens bei den Windparks, die um die Jahre 2023 und 2024 gebaut werden, werden die PPAs dann da sein, weil diese Windparks keine EEG-Vergütung erhalten werden“, prognostiziert Rispens. „Im Moment sind die Strommarktpreise am Terminmarkt aber hoch und auch die Preise für CO2-Zertifikate, so dass PPAs wirtschaftlich immer attraktiver werden. Der Trend passt.“ Auch Volker Malmen erwartet, dass PPA-Verträge eine grosse Zukunft haben werden: „Grössere Konzerne sind bestrebt, in grüne Energien zu investieren.“ Ohne Namen nennen zu wollen, verrät Ørsted-Chef Malmen doch, dass es gegenwärtig viele Gespräche mit grossen Unternehmen gäbe, die ausloten, wie eine solche Stromversorgung in Zukunft - ohne EEG - wirtschaftlich darstellbar sei. Ørstedt hat ja bekanntlich für 0 Cent in der Ausschreibung geboten und setzt daher auf Erlöse durch Marktpreise. Man wird sehen, was da kommt.

©Text: Dierk Jensen

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