Das bayerische Bauunternehmen Max Bögl, das den Speicher aus Beton entwickelt hat, hofft mit dem Pilotprojekt für diese sogenannte „Wasserbatterie“ auf einem internationalen Markt Interesse wecken zu können. ©Bild: Max Bögl Wind AG

Bei einer Leistung der Wasserturbinen von 16 MW und einer Kapazität der Speicher von 70 MWh reichen volle Wassertanks für gut vier Stunden Produktion mit Nennleistung. ©Bild: Max Bögl Wind AG

Windtubinen kombiniert mit Speicherwasserkraft: Weltrekord durch Wassertanks

(©BJ) Im deutschen Landkreis Schwäbisch Hall gehen Windräder mit angebundenem Pumpspeicher ans Netz. Sie sollen in der Lage sein, rund um die Uhr zu laufen. In Dorf Gaildorf gehören Stromerzeugung und Speicherung baulich unmittelbar zusammen. Binnen 30 Sekunden kann zwischen Pumpbetrieb und Stromerzeugung gewechselt werden.


Der Anblick ist ungewöhnlich, der Ausblick ebenso. Befindet man sich am Fusse der Windkraftanlagen von Gaildorf, steht man gleichwohl nicht auf dem Erdboden. Um zum Turm zu gelangen, müssen Besucher als erstes über eine stählerne Aussentreppe einen 40 Meter hohen Betonzylinder von 16 Meter Durchmesser besteigen – die Anlagen wurden auf einem oberirdisch angelegten Wassertank errichtet.

155 bis 178 Meter über Grund
Die vier Windmühlen auf den Limpurger Bergen im baden-württembergischen Landkreis Schwäbisch Hall sind derzeit die höchsten der Welt. Ihre Nabenhöhen liegen 155 bis 178 Meter über Grund, die Blattspitzen reichen bei einem Rotordurchmesser von 137 Metern auf bis zu 246.5 Meter empor. Eine Höhe, bei der die Krantechnik an ein vorläufiges Limit stösst.

Noch spektakulärer als die äusseren Dimensionen der Bauten ist – bildlich gesprochen – ihr innerer Wert. Der Grund für die Höhe ist ein Pumpspeicherwerk, das integraler Bestandteil des Projekts ist. Aus einem See am Rande des Flusses Kocher, 200 Meter tiefer gelegen, soll künftig bei Stromüberschuss Wasser empor gepumpt werden, in die Fundamente der Windräder. Bei anschliessendem Strombedarf fliesst das Wasser über ein Druckrohr ins Tal zurück, wo es wieder verstromt wird. 78 Prozent des eingesetzten Stroms gewinne man dabei zurück, sagt Alexander Schechner, Geschäftsführer der Betreiberfirma Naturspeicher, die zur Firmengruppe Max Bögl gehört.

Bislang einmaliges Konzept
So traditionell Pumpspeicherwerke sind – bereits in den 1920er Jahren wurden solche Anlagen in Süddeutschland in grossem Stil gebaut –, in Kombination mit Türmen von Windkraftanlagen ist das Konzept bislang einmalig. Überhaupt ist die Nutzung der Türme zur Unterbringung von Speichern noch ein recht neues Terrain.

Zwar tüfteln Anlagenbauer schon geraume Zeit an Speicherlösungen, aber ihre Konzepte sind andere. Der Turbinenbauer Enercon zum Beispiel setzt auf eine Schnittstelle in den Anlagen, um sie für Speicheroptionen aller Art nutzbar zu machen. So können dann Batterien, Power-to-Gas-Anlagen oder auch Ladestationen für Elektrofahrzeuge von der Windkraftanlage versorgt und angesteuert werden. Die Speicher werden in Containern untergebracht – über die eingesetzte Speichertechnologie entscheidet der jeweilige Projektbetreiber.

In Gaildorf hingegen gehören Stromerzeugung und Speicherung baulich unmittelbar zusammen. Die Windkraftanlagen sind seit Dezember in Betrieb, am Unterbecken wird allerdings noch gearbeitet. Das komplette System soll Ende 2018 einsatzbereit sein.

Aktiv- und Passivbecken
Die oberen Wasserspeicher auf dem Bergrücken sind zweiteilig aufgebaut. Neben den so genannten Aktivbecken, auf denen die Windräder stehen, gibt es noch jeweils ein nach oben offenes Passivbecken. Dieses umgibt die Türme, ist nur zwölf Meter hoch, nimmt aber aufgrund seines Durchmessers von 63 Metern den grössten Teil des gepumpten Wassers auf. Zum einen sind diese Zusatzbecken nötig, um überhaupt ausreichende Wassermengen speichern zu können (sie bieten rund 80 Prozent der Kapazitäten), zudem übernehmen sie aus technischer Sicht die Rolle eines Wasserschlosses. Ein solches offenes Becken ist nötig, um den Druckstoss in den Rohrleitungen zu dämpfen, der beim Schliessen oder Öffnen von Schiebern entsteht.

Bei einer Leistung der Wasserturbinen von 16 Megawatt und einer Kapazität der Speicher von 70 Megawattstunden reichen volle Wassertanks für gut vier Stunden Produktion mit Nennleistung. Die Anlage kann flott auf die Bedürfnisse des Netzes reagieren: „Binnen 30 Sekunden können wir zwischen Pumpbetrieb und Stromerzeugung wechseln“, sagt Ingenieur Schechner, der früher bei der Wasserkraftfirma Voith Hydro tätig war und heute in Gaildorf noch ein historisches Wasserkraftwerk betreibt.

Internationales Interessen wecken
Das bayerische Bauunternehmen Max Bögl, das den Speicher aus Beton entwickelt hat, hofft mit dem Pilotprojekt für diese sogenannte „Wasserbatterie“ auf einem internationalen Markt Interesse wecken zu können. Da alle Komponenten salzwasserfest seien, könne man beispielsweise Anlagen an Steilküsten errichten und Meerwasser für die Speicher einsetzen. Als Höhendifferenz seien dabei mindestens 150 Meter nötig. Rund 30 Prozent aller Windprojekte böten eine solche Topografie, schätzt Schechner. Auf die Weise könnte etwa auf kleinen Meeresinseln Strom völlig autark erzeugt werden.

Trotz der Dimension der Anlagen verlief das Genehmigungsverfahren in Gaildorf zügig. Zwar gab es vor Ort eine Bürgerinitiative gegen die Windriesen, doch nachdem ein kommunaler Bürgerentscheid im Dezember 2011 zugunsten des Projekts ausgegangen war, trieb das Rathaus den Planungsprozess zügig voran. Bürgermeister Frank Zimmermann zeigt sich heute „stolz auf die Innovationskraft“ seiner Stadt.

13.6 Megawatt Windleistung
Die Anlagen des Herstellers GE Wind Energy kommen zusammen auf eine Nennleistung von 13.6 Megawatt. Sie wurden eigens für Standorte mit schwächerem Wind im Binnenland entwickelt: „Bereits bei acht bis neun Metern pro Sekunde erreichen die Maschinen ihre Nennleistung“, sagt Thorsten Mack, Projektleiter GE Renewable Energy.

75 Millionen Euro wird das Projekt in Gaildorf bis zur Vollendung kosten, davon bezahlt das Bundesumweltministerium 7.15 Millionen Euro aus dem Umweltinnovationsprogramm. Fast zwei Drittel der Gesamtkosten entfallen auf das Speicherkonzept. Dieses werde in Zukunft allerdings für etwa die Hälfte des Preises realisierbar sein, ist die Firma Naturspeicher überzeugt. Sie geht davon aus, dass Investitionskosten von 300 bis 400 Euro pro speicherbarer Kilowattstunde erreichbar sind. Solarbatterien im heimischen Keller kosten mitsamt Installation mindestens das Doppelte, bei deutlich geringerer Lebensdauer.

Trotz der technischen Überlegenheit der Pumpspeicher hat der Energieversorger EnBW allerdings erst im vergangenen Oktober das Grossprojekt Atdorf im Südschwarzwald gestoppt. Der Stromkonzern sah auch langfristig keine wirtschaftliche Perspektive, weil die Strommärkte Flexibilität kaum noch honorieren, seit es immer mehr Anbieter gibt, die Stromerzeugung oder -verbrauch bedarfsgerecht anpassen können.

Nahezu uneingeschränkten Betriebszeit
Obwohl die „Wasserbatterien“ im Gaildorfer Stil – bezogen auf die jeweilige Speicherkapazität – auch bei Nachfolgeprojekten noch teurer sein werden als das aufgegebene Werk Atdorf, ist Ingenieur Schechner davon überzeugt, dass die Technik betriebswirtschaftlich rentabel sein wird. Er geht von deutlich höheren Laufzeiten der Pumpen und Turbinen aus, als sie die heute in Deutschland aktiven Pumpspeicher erreichen. Er spricht gar von einer „nahezu uneingeschränkten Betriebszeit“: 3000 Stunden im Jahr sollen die Pumpen laufen, 5000 Stunden die Turbinen. Die Anlagen wären damit fast rund um die Uhr in Betrieb – im ständigen Wechsel der Betriebsart, je nach Bedarf.

Klassische Pumpspeicheranlagen, sagt Schechner, bräuchten immer eine Mindestleistung und das zwinge die Anlagen oft in den Stillstand. In Gaildorf aber habe man konstruktionsbedingt die Möglichkeit, mit geringer Drehzahl und minimalem Wasserverbrauch zu arbeiten, und könne daher jederzeit sofort die Betriebsweise – vom Pumpen zur Stromerzeugung und umgekehrt – wechseln. Das bringe an den Flexibilitätsmärkten entsprechende Erlöse.

Strom für den Spothandel speichern
Es sind unterschiedliche Märkte, an denen das Unternehmen diese Flexibilität anbieten will. Dabei geht es gar nicht so sehr darum, Strom aus Windkraftanlagen gelegentlich zwischenzuspeichern, sondern vor allem darum, Strom am Markt einzukaufen. Die Sekundärregelenergie sieht Schechner „als dauerhaft attraktiven Markt für den hochflexiblen und zyklenfesten Speicher“. Mit günstig eingekaufter Überschussenergie würden dann ständig verschiedene Märkte im kurzfristigen Spothandel bedient. Aus Marktsicht werden Speicher und Windkraft in diesem Fall also weitgehend unabhängig voneinander betrieben. Beim netzfernen Einsatz der „Wasserbatterie“ wäre das freilich anders.

In Gaildorf jedoch werde das Kraftwerk seine Erlöse immer aus einer Kombination aus Regelleistung und Energiehandel erwirtschaften. Schechner erwartet zudem, dass das reine Arbitragegeschäft – einkaufen, wenn der Strom am Spotmarkt günstig ist, verkaufen, wenn er teurer ist – in den kommenden Jahren wieder etwas rentabler wird. In den vergangenen zehn Jahren waren die Spannen zwischen Hochpreis- und Tiefpreisphasen geschrumpft.

Die Entwicklungen am Strommarkt dürften damit für das Projekt mehr Unsicherheiten bergen als die Technik. Von ihnen wird es vor allem abhängen, ob es gelingt, die erhoffte hohe Zahl an Betriebsstunden tatsächlich zu erreichen – und damit die prognostizierten Erlöse einzuspielen.

Mehr Informationen zum Projekt >>

©Text: Bernward Janzing

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1 Kommentare

Max Blatter

Wow - das ist jetzt mal ein Projekt, das mich vollumfänglich überzeugt: Die Kombination aus bewährter Technologie zur Nutzung einer volatilen Ressource und einem Speicher, der guten Wirkungsgrad, verzögerungsfreie Verfügbarkeit und bei Bedarf auch lange Speicherdauer bietet. Und zudem keine seltenen oder ökologisch bedenklichen Rohstoffe benötigt. Wenn es gelingt, solche Anlagen kostengünstig zu bauen, wird man davon künftig mit Sicherheit mehr hören!

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