Der Energiehunger von grossen Container- und Kreuzfahrtschiffe ist riesig: Sieverbrauchen mit bis zu elf Megawatt Strom in Spitzenzeiten so viel wie eine Kleinstadt. Erzeugt wird der vom Motor.Bild: Ralph Häusler/Pixabay.com

Bereits im Frühjahr 2019 hat Siemens für den Seehafen Kiel in Schleswig-Holstein eine Steckdose für Schiffe errichtet, die seitdem rund 1000 Tonnen CO2 eingespart hat. Bild: Siemens

Statt Strom aus Schweröl und Marine-Diesel: Eine Steckdose für Kreuzfahrschiffe

(AS) Ankern Kreuzfahrtschiffe und Fähren in den Häfen, laufen die Generatoren weiter, um Strom für Klimaanlage, Kühlschränke und Licht zu produzieren. Nun bieten immer mehr Hafenbetreibern Steckdosen an, damit sich die Schiffe im Hafen mit Strom vom Netz versorgen können. Damit können 95% der Stickoxidoxid- und Partikel-Emissionen vermieden sowie den CO2-Ausstoss um bis zu 30% reduziert werden.


Wenn die Passagiere im Hafen von Bord der luxuriösen Kreuzfahrtschiffe gehen, laufen die Maschinen weiter. Klimaanlage, Kühlschränke und Licht brauchen Strom. Der Energiehunger ist gewaltig. Grosse Container- und Kreuzfahrtschiffe verbrauchen mit bis zu elf Megawatt Strom in Spitzenzeiten so viel wie eine Kleinstadt. Erzeugt wird der vom Motor. Zwar läuft der im Hafen statt mit Schweröl mit Marine-Diesel, da seit 2010 der Schwefelgrenzwert im Treibstoff von 0.1 Prozent laut Gesetz nicht überschritten werden darf. Dennoch stossen die Schiffe neben CO2 und Stickoxiden vor allem Feinstaub und Schwefeloxide aus, der vom Wind in die Städte getragen wird.

CO2-Ausstoss um 30% reduzieren
Eine umweltfreundlichere Alternative ist Landstrom, der möglichst aus erneuerbaren Energien stammt. Die Energie aus der Steckdose ermöglicht den Kreuzfahrtschiffen, die Generatoren an Bord weitgehend abzuschalten und damit rund 95 Prozent der Stickoxidoxid- und Partikel-Emissionen zu vermeiden sowie den CO2-Ausstoss um bis zu 30 Prozent zu reduzieren. Die Häfen in Los Angeles, San Francisco, Seattle, Vancouver und Shanghai bieten dies bereits für Kreuzfahrt- und zum Teil für Containerschiffe an. In China gilt bereits ab 2021 für Kreuzfahrtschiffe und ab 2022 für Fähren sowie Containerschiffe eine Landstrompflicht.

Landstrom bislang zwei- bis dreimal so teuer
Deutschland hinkt dem noch hinterher. Zwar gibt es seit 2015 in Hamburg einen Landstromanschluss für Kreuzfahrtschiffe. Die rund zehn Millionen Euro teure Anlage wird bisher aber kaum genutzt. Reedereien rüsten nur zögerlich um. Denn die Investition dafür gehen nach Angaben des Verband Deutscher Reeder (VDR) in die Millionen. Hinzu kommt, dass Landstrom bislang zwei- bis dreimal so teuer wie die Nutzung des bordeigenen Hilfsdiesel ist, wofür vor allem die EEG-Umlage verantwortlich ist, die bei 6.756 Cent pro Kilowattstunde liegt.

Auch in Spanien und Schweden
Um den Strom aus der Steckdose attraktiver zu machen, wird er in Spanien mit einer Ermässigung der Hafengebühren für Reedereien gefördert, in Schweden mit einer Verringerung des Stromsteuersatzes. Auch Deutschland will auf diesen Zug aufspringen. Der Bund plant, die EEG-Umlage für Landstrom um 80 Prozent zu verringern. Gleichzeitig soll ein Förderprogramm im Umfang von 140 Millionen Euro aufgelegt werden, um die Länder und Häfen beim Ausbau der notwendigen Hafeninfrastruktur zu unterstützen. Bundeswirtschafts- und Energieminister Peter Altmaier (CDU) will die notwendigen Gesetzesänderungen noch bis zum Sommer auf den Weg bringen.

Höhere Hürde für Containerschiffe
Aus Sicht von Ralf Nagel, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des VDR, ist dies zwar der richtige Weg. Allerdings nicht nur alle Schiffe. Während Schiffe im Linienverkehr immer dieselben Liegeplätze anlaufen, wechseln Container- und Massengutschiffe die Standorte. Nagel: „Diese alle mit flexiblen Landstromanlagen auszustatten, dürfte die Möglichkeiten der Häfen, aber auch vieler Schiffe übersteigen.“

Kiel hat aufgerüstet
Der Seehafen in Kiel ist dafür bestens geeignet: Er wird nicht nur von Kreuzfahrtschiffen angelaufen, sondern ist auch Ausgangspunkt für Fährverbindungen ins Baltikum sowie nach Skandinavien. Im Jahr 2018 liefen 32 verschiedene Kreuzfahrtschiffe den Kieler Hafen 174-mal an. Bereits im Frühjahr 2019 hat der Seehafen in der Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein eine Steckdose für Schiffe errichtet, die seitdem rund 1000 Tonnen CO2 eingespart hat. Vor kurzem wurde Siemens mit dem Bau einer weiteren Anlage beauftragt: mit einer Leistung von 16 Megavoltampere (MVA) ist es die bisher grössten Landstromanlage Deutschlands, die zwei Schiffe parallel mit Strom versorgen kann.

Verteilnetz mit 50 sowie dem Bordnetz mit 60 Hertz
Mit dem Umrichtersystem, das aus einem Frequenzumrichter sowie einer Software zur zentralen Steuerung der beiden Liegeplätze besteht, können zwei Mittelspannungs-Netze unterschiedlicher Frequenz miteinander verbunden werden: dem örtlichen Verteilnetz mit 50 sowie dem Bordnetz mit 60 Hertz. Das System synchronisiert beide Netze und übernimmt die Stromversorgung automatisch innerhalb weniger Minuten. In der kommenden Kreuzfahrtsaison nimmt die 13.5 Millionen Euro teuere Anlage ihren Testbetrieb auf und soll damit nach Angaben von Siemens jährlich bis zu 8000 Tonnen CO2 einsparen. Ein weiterer Vorteil: Werden die Generatoren abgeschaltet, wird es im Hafen deutlich leiser.

Projekte in den Niederlanden, Australien und China
Axel Mohr, Vertriebsleiter bei Siemens Smart Infrastructure ist davon überzeugt, dass solche Systeme vor dem Hintergrund der Klimaschutzziele auch über Deutschland hinaus künftig weiter an Bedeutung gewinnen werden. Bereits jetzt laufen Projekte in den Niederlanden, Australien und China. Auch Hamburg will weiter ausbauen. Die Hansestadt plant Investitionen von 76 Millionen Euro für Landstrom an insgesamt acht Anschlusspunkten. Als erster Hafen in Europa soll es damit ab 2023 eine umweltfreundliche Stromversorgung auch für die grossen Containerschiffe geben.

Auch auf Flughäfen sinnvoll
Nicht nur Schiffe ist Strom statt Diesel ein Thema. Auch parkende Flugzeuge brauchen Energie, um ihre Bordelektronik am Laufen zu halten. Zwar werden am Hamburg Airport seit einigen Jahren Flugzeuge an den terminalnahen Positionen mit klimatisierter Luft und Strom aus dem erdgasbetriebenen Blockheizkraftwerk versorgt. Im Rahmen einer rund 120 Millionen Euro teuren Vorfeld-Erneuerung, wird jetzt eine 400-Hertz-Stromversorgung aufgebaut, damit auch Flugzeuge an Aussen-Parkpositionen ihre Hilfsturbinen am Boden abstellen können.

Text: Angela Schmid

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1 Kommentare

Max Blatter

1.) Man kann entweder "den CO2-Ausstoss" reduzieren (Verb in der Aktivform, Substantiv im Akkusativ) oder "der CO2-Ausstoss" kann reduziert werden (Verb in der Passivform, Substantiv im Nominativ).
2.) Mein "ceterum censeo" – ja, ich weiss: Die Software lässt die korrekte Tiefstellung der "2" in CO2 nicht zu. Da sind die ee-news in zahlreicher, aber nicht in guter Gesellschaft und sollten sich von dieser jegliche Schreibkultur verachtenden Software verabschieden!

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