Solaxess hatte im Frühling einen neuartigen Typ vom Photovoltaik-Modul für gebäudeintegrierte Anwendungen entwickelt, kann diesen aber wegen der verzögerten Lieferung einer Produktionsmaschine erst im Herbst auf den Markt bringen. Bild: Solaxess

Das Start-up Methanology entwickelt Geräte, die aus atmosphärischem CO2, Wasser und erneuerbarem Strom den Energieträger Methanol erzeugen. Bild: Methanology

Die COVID-19-Pandemie geht an den Cleantech-Start-ups nicht spurlos vorüber. Bild: Innovation Monitor

Die Start-ups nennen verschiedene Vorteile für ihre Geschäftstätigkeit. Bild: Innovation Monitor

Christina Marchand, Co-Autorin der ‹Innovation Monitor›-Studie. Bild: Conradin Frei

Yves Loerincik, Co-Autor der ‹Innovation Monitor›-Studie. Bild: zVg

‹Innovation Monitor›: Fühlt den Puls bei Energie- und Umwelt-Start -ups - Cleantech wird die Pandemie überdauern

(BV) Start-ups im Bereich der Energie- und Umwelttechnologien sind von der Coronakrise grundsätzlich ebenso betroffen wie andere Unternehmen. Doch da die Gesellschaft weiterhin dringend auf Cleantech-Lösungen angewiesen ist, können die Jungunternehmen auf mittlere Sicht mit guten Geschäftsbedingungen rechnen. Das ist die Kernaussage einer Umfrage des ‹Swiss Environment & Energy Innovation Monitors›, eines vom Bundesamt für Energie unterstützten Monitoring-Programms. Einzelne Cleantech-Start-ups können von der COVID-19-Krise sogar direkt profitieren. (Texte en français >>)


Eine Krise ist immer auch eine Chance, sagt man. Diese Redewendung mag für Unternehmen, die durch die COVID-19-Pandemie in existenzielle Nöte geraten sind, wohlfeil klingen. Und doch hat sie einen wahren Kern, und das kurz- wie mittelfristig: Gewissen Unternehmen bietet die Pandemie auf kurze Frist einen neuen Absatzmarkt für ihre Produkte. Das gilt beispielsweise für das Umwelt-Start-up Aquama (Tolochenaz/VD), das biologisch abbaubare Desinfektionsmittel herstellt. Oder für die 2009 gegründete Firma greenTEG, deren Wärmesensoren während der COVID-19-Krise zwar im Bausektor weniger gefragt sind, dafür als Fieberthermometer in der Grippe-Prävention herangezogen werden können.

Mittelfristig intakte Geschäftsaussichten
Auch mittelfristig warten auf Cleantech-Start-ups neue Chancen. Die Bereitstellung von ressourcenschonenden und effizienten Energie- und Umwelttechnologien ist eine Notwendigkeit, die über die Pandemie hinausweist. «Start-ups im Cleantech-Sektor bieten Lösungen für dringende Klima- und Umweltprobleme an; sie haben mittelfristig intakte Geschäftsaussichten, wenn sie Wege finden, die konjunkturelle Delle der COVID-19-Krise zu überdauern», sagt Dr. Christina Marchand, Betriebswirtschafterin am ‹Institut für Innovation und Entrepreneurship› der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW). Die Forscherin verweist in diesem Zusammenhang auf den ‹Green New Deal› der Europäischen Union, der die Nachhaltigkeit zu einer Toppriorität des Kontinents erklärt hat.

Jährliche Befragung von Jungunternehmen
Grundlage für diese Einschätzung ist der ‹Swiss Environment & Energy Innovation Monitor›. Diese Datenbank beruht unter anderem auf einer alljährlichen Online-Befragung von gut 500 Cleantech-Start-ups, die Christina Marchand gemeinsam mit der Westschweizer Umweltberatungs-Firma Eqlosion durchführt. Der ‹Innovation Monitor› wurde 2014 für Energie-Start-ups ins Leben gerufen, 2018 wurde er auf Umwelt-Start-ups ausgeweitet, und die Daten sind seither für jedermann zugänglich. Das Monitoring-Programm verdankt sich unter anderem dem Umstand, dass seit 2011 – dem Jahr des Atomunfalls von Fukushima – eine stattliche Zahl von Neugründungen zu beobachten ist, die sich am Umbau der Schweizer Energieversorgung beteiligen. Die im ‹Innovation Monitor› erhobenen Daten zeigen, dass diese Start-ups mit ihren innovativen Geschäftsideen einen langen Atem brauchen: Die meisten Firmen sind mehrere Jahre nach der Gründung noch relativ klein (weniger als zehn Mitarbeiter) und fokussieren ihre Geschäftstätigkeit vorwiegend auf die Schweiz.

Besonders schwierig im regulatorischen Umfeld
Der Aufbau eines neuen Unternehmens bis zum Markterfolg ist in jedem Fall ein Kraftakt. Start-ups im Energiesektor haben zusätzliche Herausforderungen zu meistern: Sie bewegen sich in einem regulatorischen Umfeld, das geprägt ist durch einen erst teilweise liberalisierten Markt mit nach wie vor dominanten Energieversorgern, wie die Ergebnisse des ‹Innovation Monitors› der letzten Jahre deutlich machen. Dank des Monitoringprogramms weiss man heute, dass Jungunternehmen im Cleantech-Sektor mit einem Kapitalbedarf von über 2 Mio. Fr. in der Regel auf ausländische Kapitalgeber angewiesen sind.

Rückenwind für digitale Geschäftsmodelle
Die diesjährige Befragung des ‹Innovation Monitors› wurde im Mai durchgeführt und fiel auf den Peak der Corona-Krise während des Lockdowns. Die Ergebnisse gewähren einen Einblick, wie die Start-ups von der Pandemie betroffen sind – und welche Gegenstrategien ihnen bei der Krisenbewältigung helfen könnten. 125 Firmen gaben in der Onlineumfrage Auskunft über ihre aktuelle Situation. Mit elf Unternehmen wurden vertiefende Interviews geführt. 72% der Befragten gaben einen negativen Impact durch die Corona-Krise zu Protokoll. Start-ups in der Westschweiz und im Tessin waren etwas stärker betroffen als in der deutschsprachigen Schweiz, was insofern nicht überrascht, als diese Landesteile von der Pandemie stärker betroffen waren.

Solaxess: Verzögerung von Lieferung von Produktionsmaschine
14% der Firmen spürten zum Zeitpunkt der Umfrage keine Auswirkungen der Krise, weitere 14% nahmen sogar positive Effekte wahr, so wie in den eingangs erwähnten Fällen. «Neben der Adaption von Produkten konnten teilweise die Kosten gesenkt werden, z.B. durch Homeoffice oder Verzicht auf Reisen», benennt Christina Marchand eine Begleiterscheinung der Krise. Der Online-Lebensmittelhändler ‹Magic Tomato› (Genf) und andere Anbieter von digitalen Technologien profitierten von einer grösseren Nachfrage nach ihren Dienstleistungen. Andere Start-ups wiederum machten in der Krise frustrierende Erfahrungen. Die Firma Solaxess (Marin-Epagnier/NE) hatte im Frühjahr einen neuartigen Typ vom Photovoltaik-Modul für gebäudeintegrierte Anwendungen marktreif entwickelt, kann diesen aber wegen der verzögerten Lieferung einer Produktionsmaschine erst im Herbst 2020 auf den Markt bringen. Halte die COVID-19-Krise noch längere Zeit an, drohten vielen Start-ups existenzielle Schwierigkeiten, warnen die Verantwortlichen des ‹Innovation Monitors›.

Innovationen stärken Nachhaltigkeit
Die Pandemie hat die Wirtschaftsentwicklung abrupt gebremst. Verkaufszahlen schrumpfen, Projekte werden verzögert, Geldgeber agieren vorsichtiger. Eine Mehrheit der befragten Start-ups (55%) war in der Krise auf Hilfe angewiesen; gut ein Viertel der unterstützten Unternehmen taxieren die Hilfe als ungenügend. «Kommt hinzu, dass es etlichen Start-ups aufgrund der aktuellen Corona-Krise schwerer fällt, auf den gängigen Wegen Wagniskapital zu beschaffen», sagt Yves Loerincik, Co-Autor der ‹Innovation Monitor›-Auswertung. Damit droht ein herber Rückschlag, denn 80% der Start-ups brauchen in naher Zukunft mehr als 100‘000 Fr. neues Kapital, 27% sogar mehr als zwei Millionen Franken.

Eine Momentaufnahme
Die Ergebnisse des ‹Innovation Monitors› sind eine Momentaufnahme. Wie die Cleantech-Start-ups am Ende der COVID-19-Krise dastehen werden, lässt sich im Augenblick noch nicht vorhersehen. Die generellen Aussichten in dem Sektor bleiben grundsätzlich intakt, denn wichtige Entwicklungen spielen Jungunternehmen mit zukunftsgerichteten Energie- und Umwelttechnologien in die Hände, wie Annina Faes, Leiterin des BFE-Programms ‹Wissens- und Technologietransfer› festhält: «Cleantech ist weltweit und auch in der Schweiz ein stark wachsender Markt. Nachhaltige Wertschöpfungsketten, ressourcenschonende Produktion und steigende CO2-Preise sind langfristige Trends, die die Arbeitsbedingungen für Cleantech-Unternehmen begünstigen und bei der Überwindung der aktuellen Krise helfen können.»

  • Weitere Informationen zum Innovation Monitor sowie die Studie zu den Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die Cleantech-Start-ups finden Sie unter www.innovation-monitor.ch.

  • Auskünfte zum Thema erteilt Annina Faes (annina.faes[at]bfe.admin.ch), Leiterin des BFE-Programms Wissens- und Technologietransfer.

  • Weitere Fachbeiträge aus dem Bereich Wissens- und Technologietransfer finden Sie unter www.bfe.admin.ch/ec-ewg.

Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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1 Kommentare

Ray Neubauer

Vielen Dank für diese spannenden Einsichten - vieles kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.

Die Energiebranche in der Schweiz ist in doppelter Hinsicht herausfordernd für Startups, da es sich um einen teilmonopolisierten Markt handelt (mit entsprechend fehlender Dynamik) und - zumindest teilweise - der Anreiz für echte Innovation fehlt.

Auf der anderen Seite impliziert dieses Umfeld für mich im positiven Sinne aber auch, dass in der Schweiz erfolgreiche Startups grundsätzlich gute Voraussetzungen für eine Expansion ihrer Geschäftstätigkeit auf andere Länder haben (im Sinne einer "Test Bench Switzerland" oder "If you can make it here, you can make it anywhere").

Dennoch finde ich es immer wieder interessant zu beobachten, wie schwerfällig unsere heutige Gesellschaft mit Innovation und Veränderung umgeht - nicht nur im Energiebereich. Dies insbesondere auch mit dem Hintergrund, dass unser heutiger Wohlstand auf Pioniergeist, Innovation und Mut vergangener Generationen beruht.

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