HSR-Forscher Ivo Caduff „füttert“ das Funktionsmuster der Erzeugereinheit für Wärme und Strom mit einem Stück Alufolie. ©Bild: B. Vogel

Die Grafik zeigt die monatliche und jährliche Wärmebilanz des Systems, wobei die Wärmebeiträge aus der Erzeugereinheit für Wärme und Strom dunkelgrau dargestellt sind. ©Grafik: HSR/SPF

Die Geschwindigkeit der Reaktion von Aluminium ist sowohl abhängig von der Konzentration der aktivierenden Natronlauge, als auch von der verfügbaren Oberfläche für den Angriff der Reaktion. ©Grafik: HSR/SPF

Die Grafik zeigt die monatliche und jährliche Bilanz der elektrischen Energie, wobei die Beiträge, welche über die Brennstoffzelle aus der Aluminium-Reaktion gewonnen werden, in Orange dargestellt sind. ©Grafik: HSR/SPF

Beim Konzept des Aluminiumspeicherzyklus' arbeiten die Einfamilienhausbesitzer, die Energie produzieren und konsumieren, mit den Netzbetreibern und den Energieversorgungsunternehmen (EVU) zusammen. ©Grafik: HSR

Entwickeln an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) einen Energiespeicherzyklus auf der Basis von Aluminium (v.l.n.r.): Michel Haller, Mihaela Dudita, Ivo Caduff und Dominik Amstad. ©Bild: B. Vogel

Aus einem Kilogramm Aluminium können mit Hilfe einer chemischen Reaktion und einer Brennstoffzelle 2 kWh elektrische Energie und 6 kWh Wärme gewonnen werden. ©Grafik: HSR/SPF

HSR-Forschungsprojekt: Aluminium bringt die Sonne in den Winter

(©BV) Die Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) entwickelt einen chemischen Energiespeicherzyklus auf der Basis von Aluminium. Dieser soll es möglich machen, im Sommer produzierten Solarstrom in Form von Aluminium zu speichern, um im Winter daraus sowohl Wärme als auch wieder Strom zu erzeugen. (Article en français >>).

Siehe auch Artikel "SPF: Taugt Aluminium – mit einer doppelt so hohen Speicherdichte wie Erdöl – als Saisonspeicher für Wärme und Strom?" ee-news.ch 27.9.18 >>


Die Erzeugereinheit, die die in Aluminium gespeicherte Energie in Wärme und Strom umwandelt, liegt als Funktionsmuster vor. Bis der vollständige Speicherzyklus steht, müssen die HSR-Forscher weitere Herausforderungen technischer und konzeptioneller Art meistern. Im Erfolgsfall entsteht ein Energiesystem, das in Kombination mit einer Photovoltaikanlage und einer Wärmepumpe ganzjährig die Strom- und Wärmeversorgung eines Einfamilienhauses ohne Strombezug aus dem Netz ewährleisten kann.

Saisonale Energiespeicher sind das „missing link“
Wenn der Ausbau der Photovoltaik (PV) weiter voranschreitet, sind saisonale Energiespeicher in einigen Jahren möglicherweise das 'missing link' – das fehlende Verbindungsstück – der Schweizer Energieversorgung. Dann wird in den Sommermonaten mehr Solarstrom produziert als gebraucht wird, und es bestünde die Dringlichkeit, diese Energie vom Sommer in die Wintermonate zu übertragen, um den erhöhten Energiebedarf in der kalten Jahreszeit zu decken. Saisonale Stromspeicher lassen sich heute schon bauen. Doch mit den verfügbaren Technologien kommen hinreichend grosse Batterien zu teuer zu stehen. Eine andere Möglichkeit besteht in der Einlagerung von Wärmeüberschüssen in Erdspeichern oder Wassertanks. Allerdings sind solche Speicher auf Wärmeenergie beschränkt und haben einen hohen Platzbedarf, was ihre Einsatzmöglichkeiten limitiert.

Solarstrom in Aluminium saisonal gespeichert
Ein Forscherteam der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) arbeitet an einem Konzept, mit dem die Vision eines saisonalen Energiespeichers für Ein- und Mehrfamilienhäuser in einigen Jahren Realität werden könnte. Und so würde die Idee im Endausbau funktionieren: Eine ca. 60 Quadratmeter grosse PV-Anlage (ca. 10 kWp) liefert über die Sommermonate rund 8000 kWh 'überschüssigen' Strom, der für die Energieversorgung des Hauses im Winter herangezogen wird. Mit diesem Strom wird in einer industriellen Anlage Aluminiumoxid in elementares Aluminium umgewandelt und die Solarenergie auf diese Weise gespeichert. Das Aluminium, welches zum Beispiel als Granulat an die Haushalte geliefert wird, wird über die Wintermonate im Keller des Hauses zur Produktion von 4000 kWh Wärme und Strom genutzt, was den Energiebedarf des Hauses in Kombination mit der PV-Anlage und einer Wärmepumpe auch in der kalten Jahreszeit deckt. Die 500 Kilogramm Aluminium, die dafür benötigt werden, finden in einem Behälter von der Grösse einer Waschmaschine Platz. Diese Erzeugereinheit für Wärme und Strom stellt die Eigenversorgung des Hauses mit Solarstrom über das ganze Jahr hinweg sicher.

Bisher besteht die Erzeugereinheit als Funktionsmuster. Wissenschaftler des Instituts für Solartechnik (SPF) der HSR haben es in den letzten Monaten auf der Grundlage einer 2018 abgeschlossenen Vorstudie gebaut: Das Aluminium wird in ein Edelstahlgefäss gegeben, wo es unter Einsatz eines Aktivators zu Aluminiumhydroxid (Al(OH)3) reagiert und dabei Wärme und Wasserstoff abgibt (siehe unten). Die entstandene Wärme wird mittels Wärmetauscher für Raumheizung und Warmwasser genutzt, während der Wasserstoff zu einer Brennstoffzelle geführt wird, die das Gas zur einen Hälfte in Strom, zur anderen Hälfte in Wärme umwandelt. Auf diesem Weg lassen sich aus der Energie, die in einem Kilogramm Aluminium gespeichert ist, 8 kWh Nutzenergie erzeugen, nämlich 6 kWh Wärme und 2 kWh Strom. Bei Verwendung von 500 kg Aluminium erhält man die 4000 kWh, die für die Wärme- und Stromversorgung eines Einfamilienhauses über die Wintermonate inklusive Betrieb einer Wärmepumpe benötigt werden.

Speicherkreislauf schliessen
Das Funktionsmuster der HSR hat derzeit eine elektrische Leistung von 10 Watt. Im Zuge eines laufenden Projekts, das vom Bundesamt für Energie (BFE) unterstützt wird, wollen die Forscher einen Demonstrator mit 100 Watt elektrischer Leistung bauen, aus dem später ein kommerzielles Gerät (1 bis 2 kWel) hervorgehen könnte. „Eine der offenen Fragen ist, in welcher Form und auf welche Weise das Aluminium dem Prozess, bei dem Aluminium unter Abgabe von Wärme zu Wasserstoff oxidiert, zugeführt wird“, sagt Projektleiter Michel Haller, Leiter Forschung am SPF. Damit die chemische Reaktion wunschgemäss abläuft, muss das Aluminium eine grosse spezifische Oberfläche haben, wie das zum Beispiel bei einem Granulat der Fall ist. Eine weitere Herausforderung besteht darin, den im Funktionsmuster benutzten Batch-Prozess in einen kontinuierlichen Prozess überzuführen, der eine dauerhafte Wärme- und Wasserstoffproduktion erlaubt.

Ist die Produktion von Strom und Wärme durch Umsetzung von Aluminium in Aluminiumhydroxid geklärt, wollen die Wissenschaftler die zweite und vermutlich auch höhere Hürde in Angriff nehmen: die Herstellung von Aluminium aus Aluminiumhydroxid unter ausschliesslicher Verwendung von elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen, also quasi den „gegenläufigen“ Prozess, der den Speicherkreislauf erst schliesst. Dafür könnte der altbekannte Hall-Héroult-Prozess genutzt werden, der 1886 patentiert wurde und seither die Grundlage der industriellen Aluminium-Herstellung darstellt. Die HSR-Forscher wollen allerdings nicht auf dieses Verfahren zurückgreifen, weil hier Kohlendioxid (CO2) in beträchtlichem Umfang entsteht. Grund dafür sind die Kohlenstoffelektroden, die während der Aluminium-Produktion konsumiert und in das Klimagas umgesetzt werden.

Suche nach CO2-freier Aluminiumproduktion
„Wir brauchen ein alternatives Verfahren der Aluminiumherstellung“, sagt Michel Haller. „Dabei kommt uns zupass, dass die Industrie die CO2-Problematik der Aluminiumproduktion erkannt hat und bereits an CO2-freien Herstellungsverfahren arbeitet.“ Ziel ist, die Kohlenstoffelektroden durch sogenannte Inert-Elektroden abzulösen. Die beiden grossen Aluminium-Hersteller Alcoa (USA) und Rio Tinto (Kanada) arbeiten im Elysis-Projekt an dem neuen Verfahren und planen die Markteinführung bis 2024. Unabhängig davon wollen die HSR-Forscher gemeinsam mit externen Experten nach einem geeigneten Herstellungsverfahren suchen. Eigene Lösungen zu finden sei sinnvoll, weil für industrielles Aluminium höhere Reinheitsanforderungen gelten würden als für eine Speicher-Anwendung, betont Haller.

Die Herstellung von Aluminium aus Aluminiumhydroxid ist ein metallurgischer Prozess, der nicht dezentral in einem Einfamilienhaus durchgeführt werden kann. Vielmehr ist eine zentrale Anlage nötig. Das „abgebrannte“ Aluminium (Aluminiumhydroxid) muss somit am Ende der Heizsaison in den Einfamilienhäusern gesammelt und in die zentrale Anlage gebracht werden, wo es über den Sommer unter Verwendung von PV-Strom in Aluminium rückverwandelt wird. „Die Energieversorger verfolgen unseren Ansatz mit grossem Interesse. Sie könnten die zentrale Anlage, die der Regeneration des „abgebrannten“ Aluminiums aus den dezentralen Erzeugereinheiten dient, zum Beispiel für eine Stadt oder eine Region betreiben“, blickt Haller in die Zukunft. „Dafür würden sie den PV-Strom der beteiligten Einfamilienhäuser verwenden.“

Teil eines grösseren Energiesystems
Was die Erzeugereinheit für Wärme und Strom dereinst kosten könnte, lässt sich zur Zeit erst grob abschätzen, denn die zwei zentralen Elemente des Aluminium-Speicherkreislaufs – die dezentrale Erzeugereinheit zur Umwandlung von Aluminium in Strom und Wärme (inkl. zugehörigem Wärmetauscher) und die zentrale Anlage zur Aluminiumherstellung – liegen noch nicht als baureifes Konzept vor, zudem ist der Betriebsaufwand noch ungewiss. Anhaltspunkte zu den Kosten liefert eine Vorstudie, in welcher die HSR-Forscher das Aluminium-basierte Energiespeichersystem am Beispiel eines Einfamilienhauses dargestellt haben. Zur Energieversorgung des Hauses braucht es demnach nicht nur die PV-Anlage (9.6 kWp) und die Erzeugereinheit (bestehend aus dem Reaktionsgefäss zur Produktion von Wärme und Wasserstoff und dem Brennstoffzellen-Gerät mit 0.6 kW Gesamtleistung), sondern zusätzlich einen Batteriespeicher (10 kWh), eine Wärmepumpe (4 kW) und einen Warmwasserspeicher (1 m3). Brennstoffzellen-Geräte sind heute technologisch ausgereift, profitieren jedoch noch nicht von grossen Verkaufszahlen und kosten deshalb derzeit für sich alleine noch mehr als eine herkömmliche Gasheizung.

Die HSR-Forscher haben die Investitionskosten in der Machbarkeitsstudie auf 64'000 Fr. veranschlagt, wobei für die Einheit mit dem Reaktionsgefäss, das aus Aluminium Wasserstoff und Wärme produziert, 5000 Fr. angesetzt werden. Über den Lebenszyklus hinweg kommen die Wissenschaftler bei heutigen Kosten für Batterie, Brennstoffzelle, PV-Anlage und die weiteren Komponenten auf einen Energiepreis von 51 Rp. pro Kilowattstunde Strom bzw. Wärme, was deutlich über den aktuellen Marktpreisen liegt. Trotzdem ist das Aluminium-Speichersystem für Dr. Elimar Frank, Leiter des BFE-Programms 'Solarwärme und Wärmespeicherung', ein vielversprechender Ansatz: „Mit Ausschöpfung von Kostensenkungspotenzialen, insbesondere im Bereich von Batterien und Brennstoffzellen, lässt sich derzeit für ein Einfamilienhaus ein zukünftiger Preis von ca. 31 Rappen pro Kilowattstunde abschätzen, für ein Mehrfamilienhaus könnte man auf etwa 20 Rappen pro Kilowattstunde Wärme und Strom kommen. Eingedenk der noch nicht monetarisierten Kosten für verringerte Notwendigkeiten des künftigen Stromnetzausbaus kann dies betriebs- und volkswirtschaftlich von grossem Interesse sein. Die Rapperswiler Forscherinnen und Forscher arbeiten daher an einem zukunftsweisenden Ansatz, Strom und Wärme im Verbund zu denken.“

Speicherkreislauf mithilfe von Aluminium
Die Herstellung von Aluminium braucht grosse Mengen Energie. Anders ausgedrückt: Aluminium verfügt über eine hohe Energiedichte. Das machen sich die Erfinder der mit Aluminium betriebenen Erzeugereinheit für Wärme und Strom in Rapperswil zunutze. Ein Weg, um die im Aluminium gespeicherte Energie freizusetzen, besteht darin, das Aluminium unter stark basischen Bedingungen, zum Beispiel in hochkonzentrierter Natronlauge, zu oxidieren (2 Al +6 H2O => 2 Al(OH)3 + 3 H2). Dabei entstehen Wasserstoff und Wärme. Die Natronlauge wird dabei nicht verbraucht, sondern nur benötigt, um das Aluminium zu aktivieren. Die Aktivierung ist deshalb nötig, weil Aluminium in der Gegenwart von Sauerstoff auf der Oberfläche eine passivierende Oxidschicht bildet, welche eine weitere Reaktion verhindert. Die Natronlauge, welche im Reaktionsbehälter bleibt, ist zwar ätzend, jedoch ungiftig. Die Entsorgung der Natronlauge ist nach Auskunft der Wissenschaftler unproblematisch, da sie mit Salzsäure neutralisiert werden kann, wobei gewöhnliches Salzwasser entsteht, wie es zum Kochen verwendet wird.

Für den „Rückweg“ – also die Umwandlung von Aluminiumhydroxid zu Aluminium – ist ein zweistufiges Verfahren nötig: Im ersten Schritt wird Aluminiumhydroxid bei 1000 °C bis 1200 °C in Aluminiumoxid umgewandelt. Während dieser sogenannten Kalzinierung wird dem Aluminiumhydroxid in einem mit Solarstrom beheizten Ofen Wasser ausgetrieben. So entsteht Aluminiumoxid, das nun im zweiten Prozessschritt mittels Schmelzfluss-Elektrolyse zu Aluminium reduziert wird (bei 750 bis 950 °C). Anders als in der industriellen Aluminiumherstellung bisher üblich, wollen die Entwickler des Alu-Speicherzyklus' auf Kohlenstoffelektroden verzichten. Stattdessen planen sie den Einsatz von Inert-Elektroden. Letztere bestehen aus Metall, Keramik oder einer Mischung aus beidem, dem Verbundwerkstoff Cermet.

Wirkungsgrad von 60 bis 65 % möglich
Aus heutiger Sicht dürfte es der Alu-Speicherzyklus möglich machen, Solarstrom mit einem Wirkungsgrad von rund 50 % vom Sommer in den Winter zu übertragen: Zur Herstellung von 1 kg Aluminium braucht es ca. 15 kWh Solarstrom. Aus diesem entstehen bei der Oxidation im Reaktionsgefäss 4 kWh Wärme und 4 kWh Wasserstoff. Letzterer wird von der Brennstoffzelle zu 50% in Strom umgesetzt, während die anderen 2 kWh als Wärme verfügbar sind. Somit bleiben von den 15 kWh Solarstrom im Winter 8 kWh nutzbare Energie in Form von Wärme und Strom. Durch Einsatz von Inert-Elektroden, so die Hoffnung der HSR-Forscher, könnte der Wirkungsgrad auf 60 bis 65% gesteigert werden. „Das wäre dann gleich viel wie bei der Power-to-Gas-Technologie, bei der Solarstom mit einem Elektrolyseur zur Herstellung des Energieträgers Wasserstoff genutzt wird, und in der Folge aus dem Wasserstoff eine speicherfähige Verbindung wie Flüssigmethan oder Methanol hergestellt wird“, sagt Mihaela Dudita, die als Chemikerin am HSR-Projekt mitarbeitet.

Schlussbericht zur Vorstudie 'Heat and Power Storage in Aluminium' >>

Weitere Fachbeiträge über Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Bereich Solarwärme und Wärmespeicherung >>

Auskünfte zum Projekt erteilt Dr. Elimar Frank (elimar.frank[at]frank-energy.com), Leiter des BFE-Forschungsprogramms Solarwärme und Wärmespeicherung.

©Text: Dr. Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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1 Kommentare

Jürgen Baumann

Das ist ein ganz spannendes Projekt und ich wünsche allen Beteilgten grossen Erfolg.

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