Lior Handelsman: „Gemäss den aktuellsten Zahlen erzielen wir rund 50 % unseres Umsatzes in den USA und 50 % im Rest der Welt, davon 40 % in Europa.“ Bild: SolarEdge

Lior Handelsman: „Wenn wir so weiter wachsen würden wie bisher, wären wir theoretisch bald grösser als der Markt!“

(©AN) The Smarter E, Intersolar Europe, EES, alles abgesagt. Das hat SolarEdge, den weltweit grössten Produzenten von Wechselrichtern, dazu bewogen, Mitte Juni eine virtuelle Show anzubieten. Grund für uns, das jährliche Interview mit Lior Handelsman auch 2020 zu führen, Gründer von SolarEdge und VP Marketing, Product Strategy : „Weil unser Marktanteil bereits sehr hoch ist, können wir nicht mit denselben Wachstumsraten weiterwachsen wie in den vergangenen Jahren, als sie jährlich 40 bis 50 % betrugen.“


2010 belegte SolarEdge Rang 10 der Wechselrichterproduzenten weltweit, 2019 waren Sie auf Platz eins. Herzliche Gratulation!
Danke schön!

Können Sie sich nun zurücklehnen?
Nein!

Nein? Überhaupt nicht?
Nicht im Geringsten. Denn erstens: Wenn man sich zurücklehnt, dann geht alles wieder zurück, es gibt kein Ausruhen. Zweitens gibt es laufend sehr spannende technologische Herausforderungen und Entwicklungen, der Markt entwickelt sich, es gibt immer etwas zu tun!

Es gäbe spannende Firmen, wie zum Beispiel Fronius, die nicht an der Börse kotiert sind. Haben Sie Akquisitionen im Auge?
Wir haben einige Akquisitionen getätigt, hauptsächlich ausserhalb der Wechselrichtersparte, zum Beispiel im Bereich E-Mobilität. In der Wechselrichtersparte haben wir nichts gefunden, was für uns interessant genug wäre. Aber sicher sind wir offen, Firmen zu kaufen, das gehört zu unserer Wachstumsstrategie.

Vor 10 Jahren startete SolarEdge in drei Ländern
Genau, wir starteten vor 10 Jahren mit unseren ersten Verkäufen. Das Unternehmen wurde aber bereits 2006 gegründet, wir mussten ja zuerst unsere Produkte entwickeln.

Und nun sind Sie in über 30 Märkten tätig. Sind die USA immer noch der wichtigste Markt?
Die USA sind immer noch unser stärkster Markt, aber die geographische Verteilung ist nicht mehr so ausgeprägt, sie ist viel besser ausbalanciert mit den Hauptmärkten USA und Europa. Aber wir verkaufen zum Beispiel auch in Australien, Japan, Südostasien und in Südafrika.

Wir gross sind die Anteile der USA und Europas?
Gemäss den aktuellsten Zahlen erzielen wir rund 50 % unseres Umsatzes in den USA und 50 % im Rest der Welt, davon 40 % in Europa.

Wie soll die geographische Aufteilung in fünf Jahren aussehen?
Fünf Jahre ist ein etwas schwieriger Zeitraum. Die längerfristigen strategischen Ziele sind: ein Drittel USA, ein Drittel Europa und ein Drittel für den Rest der Welt. Es wird Zeit brauchen, um diese Ziele zu erreichen, denn nicht alle Märkte haben dieselbe Grösse und wachsen in denselben Segmenten. Aber auf lange Sicht ist das unser Ziel. Das Potenzial im Rest der Welt ist sehr, sehr gross, aber die Märkte sind sehr fragmentiert und zum Teil sehr auf den Kraftwerkssektor ausgerichtet, und da sind wir im Moment noch weniger stark.

Immer noch keine Pläne, in China Fuss zu fassen?
Nein, wir planen in absehbarer Zukunft keinen Markteintritt in China. Vielleicht verkaufen wir einmal in China, aber Pläne gibt es noch nicht.

Was sind die Gründe?
Der chinesische Markt ist sehr preisorientiert und die chinesischen Firmen werden unterstützt. Auf lange Sicht ist China nicht unbedingt der Markt, in dem wir tätig sein sollten.

Wie sieht es bezüglich der Entwicklung in den verschiedenen Segmenten aus? 2019 war der Wohnungsmarkt immer noch sehr deutlich am stärksten. Wie sehen die Langzeitziele aus?
Wir sind die Nummer eins im Wohnungssektor. Hätten Sie mich vor rund drei Jahren gefragt, da deckte dieser noch rund 80-85 % unseres Umsatzes ab. Heute sind es 70 %. Wir gehören inzwischen weltweit zu den drei Top-Playern im Industrie- und Gewerbebereich. Der Kraftwerksbereich liegt noch im tiefen Prozentbereich. Doch wir möchten strategisch längerfristig eine gute Verteilung der drei Bereiche Wohnungssektor, Industrie und Gewerbe sowie Kraftwerk (Utility) erzielen, die sollen in Megawatt je etwa ein Drittel unseres Geschäfts ausmachen.

Doch was den Umsatz angeht, wird der Wohnungssektor immer noch stärker sein. Denn dort verkaufen wir u. a. auch Batterien und Speicher, Managementsysteme und Ladestationen. Im Industrie- und Gewerbebereich verkaufen wir auch immer mehr Zusatzprodukte. Aber im Kraftwerksbereich ist der Umsatz pro verkaufte Kilowattstunde nur rund halb so hoch wie im Wohnungssektor, weil das Potenzial der zusätzlichen Produkte kleiner ist. Wir können die drei Segmente also bezüglich der Leistung ausbalancieren, aber nicht bezogen auf den Umsatz. Hier wird der Wohnungssektor immer der grösste sein.

Seit diesem Jahr verkaufen Sie Batterien für den Wohn- und den Industrie- und Gewerbesektor sowie Wechselrichter für den Kraftwerksbereich.
… ja und wir verkaufen auch Speichersysteme für den Kraftwerksbereich seit vergangenem Jahr. Die Industrie- und Gewerbebatterien sind erst Ende Jahr verfügbar, die für den Wohnungssektor sind aber schon am Markt.

Sind die Speichersysteme für den Kraftwerksbereich erfolgreich?
Der gesamte Speichermarkt floriert heute. Ich denke, dass unsere Strategie klug war, Kokam aufzukaufen und damit Zugang zum Kraftwerkssegment zu haben.

Seit vergangenem Jahr verkauft SolarEdge auch Solarmodule. Erfolgreich?
Sehr erfolgreich, die Zahlen steigen stetig. Wir stellen fest, dass viele unserer Kunden gerne alles aus einer Hand kaufen.

Damit sind sie insbesondere im Wohnungsbereich unterwegs?
Genau, und es gibt keine Pläne für den Industrie- und Gewerbebereich.

Und warum verkaufen Sie neu auch schwarze Module?
Im Wohnungssektor ist die Ästhetik sehr wichtig.

Können Sie Angaben zu den verkauften Megawatt machen?
Die geben wir nicht bekannt, und da wir ein börsenkotiertes Unternehmen sind, darf ich Ihnen die nicht nennen. Aber es handelt sich bei den Modulen um ein Segment, dessen Wachstumszahlen sehr erfreulich sind.

Der Umsatz 2019 betrug rund 1.46 Milliarden Dollar. Wie sehen Ihre Umsatzziele für 2025 aus?
(lacht) Das ist zu weit weg! Doch weil unser Marktanteil bereits sehr hoch ist, können wir nicht mit denselben Wachstumsraten weiterwachsen wie in den vergangenen Jahren, als sie jährlich 40 bis 50 % betrugen. Wir sind also schneller gewachsen als der Markt. Wenn wir das beibehalten würden, wären wir grösser als der Markt, was mathematisch nicht möglich ist! Wir werden im Solarbereich etwas langsamer wachsen müssen, auch wenn wir heute noch immer sehr schnell wachsen. Aber im Bereich E-Mobilität und Speicherung, Batterien für E-Autos und USV-Geräte können wir schon stark wachsen. Den Analysten sagen wir, dass wir beabsichtigen, jährlich in einem tiefen zweistelligen Prozentbereich wachsen zu wollen. Das ist eine konservative Zielsetzung, hinter der wir stehen können.

Aber ehrlich gesagt, haben wir das schon vor Jahren gesagt und sind dann trotzdem um jährlich 40 bis 50 % gewachsen. Meine Mutter sagte mir immer, dass es besser ist, zurückhaltend zu sein. Sie war eine kluge Frau. Aber ich denke nicht, dass wir noch einmal über fünf Jahre jährlich 40 bis 50 % wachsen können. Ich hoffe allerdings, dass wir einen Teil davon realisieren können! Wir haben sehr hart gearbeitet in den letzten Jahren.

Davon bin ich überzeugt, und die Börse liebt SolarEdge dafür
Genau, die Börse liebt uns, aber wie ich auch schon gesagt habe, die Börse spielt auch mal verrückt. Volatilität an der Börse ist das eine, aber wir zielen darauf ab, kontinuierlich zu wachsen, so dass der Markt uns vertraut und wir damit an der Börse auch immer etwas zulegen können.


7.8 Mrd. Dollar Börsenwert
"Im Musterdepot von ÖkoInvest wurde bei einer Teilposition der SolarEdge Technologies ein Gewinn von 700% realisiert, die Aktie ist inzwischen weiter gestiegen," schreibt Max Deml, Herausgeber von ÖkoInvest. Seit November 11.15 steig die Aktie um 760%. Solaredge ist mit 7.8 Mrd. Dollar Börsenwert (19.6.20) inzwischen das wertvollste Unternehmen im PPVX! (siehe ee-news.ch vom 22.6. >>)


Besten Dank, ich hoffe, Sie in München an der The Smarter E 2021 wieder persönlich zu treffen!
Das hoffe ich auch. Wie ich an der Eröffnung der virtuellen Show schon gesagt habe: Ich komme seit 2007 jedes Jahr nach München. Das war für mich immer der beste Moment im Jahr für SolarEdge. Und für mich persönlich die Gelegenheit, um Spargel zu essen, weil dann immer Saison ist! Aber die Welt hat wohl grössere Probleme als meinen Wunsch, Spargel zu essen. Ich hoffe, dass wir uns nächstes Jahr wieder persönlich treffen können.

©
Interview: Anita Niederhäusern, leitende Redaktorin ee-news.ch

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1 Kommentare

Max Blatter

Ja, die Wucht exponentiellen Wachstums erstaunt immer wieder! Ich liess meine Studierenden als Übung ausrechnen, nach wie vielen Jahren in der Schweiz bei gleichbleibender Wachstumsrate (Mittel 2000–2018) gleich viel Energie aus PV-Anlagen erzeugt würde wie 2018 aus Kernkraftwerken. Es wären weniger als zehn Jahre ...

Zahlenspielerei, ja: Aber doch eine eindrückliche Illustration dafür, welche Bedeutung die lange belächelte Solarenergie in Wirklichkeit entfalten kann (und muss)!

Eine Kritik an Herrn Handelsman: "Wenn wir [die Wachstumsrate] beibehalten würden, wären wir grösser als der Markt, was mathematisch nicht möglich ist" ... ? Ja, schon, aber statt sich selbst einzubremsen, kann man eine Vergrösserung des Marktvolumens herbeiführen! Was m.E. zur Erreichung des Zieles "100% erneuerbar" auch notwendig ist.

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