„Wir brauchen rund 2.5- bis 5-mal mehr Fachkräfte als heute, sprich 5000 bis 13’000 Personen“, resümierte Sabine Perch-Nielsen ihre Arbeit. Bild: Swissolar

„Aufgrund unserer Modullieferungen konnten auch wir eine Zunahme der grösseren Anlagen feststellen“, wusste David Galeuchet, Leiter Marketing Solarmarkt GmbH. Bild: Swissolar

Swissolar schätzt, dass 2019 eine zusätzliche Leistung von 350 Megawatt installiert wurde, was einer Zunahme um 30 % gegenüber dem Vorjahr entspräche. Es werden auch wieder mehr Grossanlagen gebaut. Bild: Swissolar

„In Australien zum Beispiel“, wusste Lionel Perret zu berichten, „lieferten rund 2.2 Millionen Kleinanlagen mit einer Leistung von 13 GW an einem Sonntag im Oktober 2020 80 % des Strombedarfs.“ Bild: Swissolar

Roger Nordmann (links): „Das Potenzial der Solarenergie ist riesig und auch realistisch, doch die Schweiz muss faire Regeln aufstellen, um es zu verwirklichen und echten Fortschritt zu ermöglichen.“ Bild: Swissolar

Auch wenn einige Teilnehmer erwarteten, am Swiss Tech Convention Center der EPFL vor geschlossenen Türen zu stehen, nahm die 18. Nationale Photovoltaiktagung am Donnerstag ihren Anfang. Bild: Swissolar

18. Photovoltaiktagung: Vermag das Coronovirus den wachsenden Markt in die Knie zu zwingen?

(AN) Der Photovoltaikbranche geht es deutlich besser als in den vergangenen Jahren: „Nach Schätzungen von Swissolar wurden 2019 rund 350 MW Photovoltaik zugebaut“, wusste David Stickelberger, Geschäftsleiter von Swissolar, an der Nationalen Photovoltaiktagung vom 12. und 13. März zu berichten. 2018 waren es 270 MW. „Für 2020 könnten es sogar bis zu 400 MW werden.“ Doch die Befürchtung lag im Raum, dass der Coronavirus der Branche einen Einbruch beschert.


Etwas beklemmend war für viele die Anreise nach Lausanne am Donnerstag, den 12. März. Über das Wochenende hatte Italien bereits die Schliessung aller Schulen und Läden bekannt gegeben. Der Bund, der inzwischen auch „Social Distancing“ proklamierte, warnte Risikopersonen bereits eindringlich davor, aus dem Haus zu gehen, und stellte weitere Massnahmen in Aussicht. Doch auch wenn einige Teilnehmer erwarteten, am Swiss Tech Convention Center der EPFL vor geschlossenen Türen zu stehen, nahm die 18. Nationale Photovoltaiktagung am Donnerstag ihren Anfang, auch wenn deutlich weniger Teilnehmende anwesend waren.

Wieder mehr Grossanlagen
Nach den schwierigen Jahren 2015-2018 scheint sich der Markt im vergangenen Jahr wieder erholt zu haben. Weil das Bundesamt für Energie die Daten zum Photovoltaikmarkt erst im Juli veröffentlicht, hat Swissolar eine Umfrage unter seinen Mitgliedern gemacht: „Swissolar schätzt, dass 2019 eine zusätzliche Leistung von 350 Megawatt installiert wurde, was einer Zunahme um 30 % gegenüber dem Vorjahr entspräche. Es werden auch wieder mehr Grossanlagen gebaut, sprich für die Industrie, das Gewerbe und im Bereich Mehrfamilienhäuser“, erklärte David Stickelberger. Treiber sind die Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (ZEV) und auch der Speichermarkt. Bei letzterem ginge es primär darum, den Eigenverbrauch zu erhöhen. Doch übers Ganze gesehen mahnt David Stickelberger: „Um bis 2050 50 Gigawatt Photovoltaikleistung und eine Produktion von 45 Terawattstunden zu erreichen, müssen wir deutlich schneller zubauen“!

Markttreiber ZEV
Die Erhebung von Swissolar zeigt einen weiteren deutlichen Trend bei den ZEV: Bei einem Wachstum gegenüber dem Vorjahr von 133 % werden vor allem ZEV-Anlagen im Neubau umgesetzt: „Lediglich 30 % werden im Bestandsbau umgesetzt“, erläuterte David Stickelberger. Nach der nicht repräsentativen Umfrage von Swissolar wurden 9570 kW ZEV-Leistung zugebaut. Der Grossteil davon in einem Gebäude, weniger als 10 % betreffen ZEV-Anlagen, die mehrere Gebäude umfassen. Knapp 5 % des gesamten Marktzubaus bei der Photovoltaik fand 2019 im Rahmen von ZEV statt. 2020 könnten es 7.5 % sein, was auch zeigt, dass die ZEV zum Markttreiber v. a. im Segment Mehrfamilienhäuser werden.

Die Branche wächst wieder
„70 % der Unternehmen, die auf unsere Umfrage geantwortet haben, erwarteten für 2019 einen positiven Jahresabschluss“, führte David Stickelberger aus. „Doch mit einer Bruttomarge von durchschnittlich 10 % bleibt es für unsere Unternehmen weiter eng.“ Ein weiteres positives Zeichen sind die Angaben der Unternehmen zum Personalbestand: Deutlich über zwei Drittel gaben an, dass sie den Personalbestand erhöhen werden.

Lieferengpässe
Und die Coronakrise hat auch einen direkten Einfluss auf die Branche: Nach einem für die meisten Marktteilnehmenden erfreulichen Jahresbeginn mit einer steigenden Nachfrage nach Photovoltaikanlagen in verschiedenen Segmenten waren bald schon Lieferengpässe bei chinesischen Modulen festzustellen. Während sich diese Situation allmählich wieder entspannt, stehen nun Sorgen wegen des krankheitsbedingten Ausfalls von Arbeitskräften im Zentrum. „Der Bund zeigt, dass er bezüglich des Coronavirus schnell und drastische Massnahmen einleitet. Warum tut er das angesichts der Klimakrise nicht?“ fragt sich David Stickelberger.

Bund senkt die Förderung
Ein Treiber für die gute Marktentwicklung der Photovoltaik ist sicher auch der Abbau der Warteliste bei den Einmalvergütungen, insbesondere für grosse Anlagen, auf unter ein Jahr. Da aber die Anlagen nur mit Eigenverbrauch wirtschaftlich sind, wird das ganze Photovoltaikpotenzial von Dachflächen meist nicht ausgeschöpft. Denn die Anlagen für den Eigenverbrauch bedecken nur einen Teil davon. Davon war auch Joëlle Fahrni vom Bundesamt für Energie überzeugt. Zudem musste sie die schlechte Nachricht überbringen, die in der Branche grösstenteils schon bekannt ist: Alle Fördergelder werden auf den 1. April 2020 gesenkt.

Hier ein Überblick:

 

 

Bis zum 31.03.2020

Ab dem 01.04.2020

Einmalvergütung
Grundvergütung

KLEIV und GREIV

1’400 CHF

1’000 CHF

Einmalvergütung
Leistungsabhängige Vergütung

KLEIV
< 30 kWp

340 CHF/kWp

CHF 340 CHF/kWp

 

GREIV
> 30 kWp

300 CHF/kWp

300 CHF/kWp

KEV

> 100 kWp

10 Rp./kWh

9 Rp./kWh

 

Der Bund möchte, dass zudem Grossanlagen auf grossen Dachflächen gebaut werden, deren Produktion direkt von den Netzbetreibern ins System eingeplant werden können. Dies wurde übrigens auch von einer parlamentarischen Initiative efordert. Joëlle Fahrni wusste zu berichten, dass dafür bereits Ausschreibungsmodelle angedacht werden. Langfristig soll dies für eine Leistung von mindestens 5 GW geschehen.

Bezüglich der Kürzung der Fördergelder waren sich viele Tagungsteilnehmer einig: Angesichts der Coronakrise sollte der Bund deren Inkrafttreten nicht wie geplant auf den 1. April umsetzen, sondern erstmals auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschieben.

Hamsterkäufe
„Aufgrund unserer Modullieferungen konnten auch wir eine Zunahme der grösseren Anlagen feststellen“, wusste David Galeuchet, Leiter Marketing Solarmarkt GmbH, zu berichten. Der Grossteil der Bestellungen bei Solarmarkt ist zwar für Anlagen mit 4-20 kW Leistung bestimmt, aber alle Segmente ab 50 kW Leistung konnten auch zulegen. „Je grösser das Segment, desto grösser der Zuwachs. Leider ist die Wirtschaftlichkeit dieser Anlagen nur mit Eigenverbrauch gegeben, weil die Förderung darauf ausgelegt ist. Daher werden immer noch Anlagen gebaut, die nicht ganze Dächer abdecken“, fügte auch David Galeuchet hinzu. „Auch in der Solarbranche hatten wir aufgrund des Produktionseinbruchs in China mit Hamsterkäufen zu kämpfen, doch die Situation hat sich wieder entspannt, weil bei unseren Lieferanten die Produktion wieder fast normal läuft.“

Von 14.5 auf 654 GW in 10 Jahren
„Das Wachstum im Photovoltaikmarkt ist gewaltig: Betrug die weltweite installierte Leistung 2009 noch 14.5 Gigawatt, waren es 2019 bereits 635 Gigawatt“, erklärte Lionel Perret, der für die Schweiz in der IEA PVPS Task 1 sitzt. „In den letzten drei Jahren wurden jährlich 100 Gigawatt Leistung zugebaut.“ Die dabei führenden Länder sind China, die USA, Indien, die EU sowie Japan. „100 Gigawatt, das sind weltweit 14 Wattpeak pro Person, aber wir bräuchten 10 Kilowatt pro Kopf, um den Klimawandel einzudämmen.“ Und 100 GW entsprächen zwar 3% des weltweiten Strom-, aber nur 1% des weltweiten Energieverbrauchs. Doch, so unterstreicht Lionel Perret, der Markt sei durchs Band stärker gewachsen als die Branche selber prognostiziert habe.

2.2 Millionen Kleinanlagen in Südaustralien
„In Australien zum Beispiel“, wusste der Photovoltaikfachmann zu berichten, „lieferten rund 2.2 Millionen Kleinanlagen mit einer Leistung von 13 GW an einem Sonntag im Oktober 2020 80 % des Strombedarfs.“ In Australien werden 6 kW-Anlagen als Kit auf Hausdächern gebaut, die Strom für 0.80 Dollar pro Kilowattstunde liefern. Ein anderes eindrückliches Beispiel brachte Lionel Perret aus China mit: Dort konnte dank einer Freiflächenanlage die Wüste wieder begrünt werden. Gratis Fassadenmodule für arme Menschen in Seoul, schwimmende Anlagen in Malaysia und Korea oder Agro-Photovoltaikanlagen – die Vielfalt der Anlagenmodelle, die weltweit täglich zugebaut werden, scheint schier unbegrenzt.

Easy-Admin bis Ende 2020 umgesetzt
Zurzeit beträgt der administrative Aufwand für eine Photovoltaikanlage bis zu 12 Stunden. Kann dieser Aufwand für die Planung und den Bau reduziert werden, könnte auch günstiger gebaut werden. Genau darauf zielt das Informatikprojekt Easy-Admin ab, das vom BFE, Swissolar und der verantwortlichen Arbeitsgruppe entwickelt und bis anhin finanziert wurde. Wer über das Tool verfügt, soll dann online all seine Projekte und deren Stand auf einer Matrix sehen. Online sollen auch zu jedem Projekt die nötigen Formulare bearbeitet werden können, die anschliessend direkt bei den entsprechenden Ämtern und Institutionen, zum Beispiel den Verteilnetzbetreibern, Gemeinden, Kantonen, ESTI oder Pronova, per Mausklick eingereicht werden können. Beim ersten Release sollen 10 Formulare im System erfasst sein. Das CHF-750‘000-Projekt soll bis Ende Jahr umgesetzt werden. Noch fehlen aber 400‘000 CHF für die Realisierung des Projekts. Diese sollen über 5-jährige Darlehen, die zu 5 % verzinst werden, finanziert werden, so dass das Tool Ende 2020 starten kann.

Mehr Winterstrom bitte!
„Mehr Markt allein kann die Versorgungssicherheit nicht garantieren“, bekundete Michael Frank, Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE. Er diagnostizierte der Strombranche ein partielles Marktversagen, da wir auf eine massive Unterdeckung im Winter zusteuern würden. „Viel Photovoltaik bringt uns im Sommer einen enormen Überschuss, im Winter bleibt aber die Unterversorgung“, mahnte Michael Frank. So werden bis 2050, trotz der schrittweisen Abschaltung der AKW, zusätzliche Strom für Wärmepumpen und für die E-Mobilität. „Die Importstrategie kann keine Lösung sein. Der VSE sieht neben dem Stromabkommen mit der EU eine Lösung in spezifischen Ausschreibungen für Winterstrom. Wir sind hier im Kanton Waadt, der ein riesiges Windstrompotenzial hat, das aber aufgrund von Einsprachen ausgebremst wird. Ich sehe hier ein gesellschaftliches Problem.

Modulproduktion verzehnfachen
„Kostet ein Kilowattstunde-Speicherleistung 2020 noch 135 Dollar, könnte sie 2030 auf 60 Dollar sinken“, rechnete Christophe Ballif, Direktor EPFL PV-Lab und CSEM PV-Center vor. Wie schnell die Preise sinken würden, hänge vom Wachstum des Batteriemarkts ab. Und er bot eine spannende Alternative der Interpretation des drastisch gesunkenen Erdölpreises: „Tesla hat heute einen Wert von 116 Milliarden Dollar ), BP von lediglich 86 Milliarden, Shell hat noch einen Wert von 130 Milliarden. Will Saudi-Arabien mit den anderen erdölproduzierenden Ländern mit den aktuell so günstigen Erdölpreisen der Energiewende den Wind aus den Segeln nehmen und Wärmepumpen und E-Mobilität bekämpfen?“ Wenn es die Welt mit der Energiewende ernst nehme, mahnt Ballif, dann bräuchten wir bis 2050 30 bis 40 TW Photovoltaikleistung Photovoltaik und 50 GW für die Schweiz: „Das heisst, wir müssen die jährliche Modulproduktion von heute 0.13 Terawatt auf 1-1.5 Terawatt steigern, sprich verzehnfachen!“

Wie bringen wir 30 TW auf die Dächer?
„2018 arbeiteten 3400 Fachkräfte in der Schweiz, um 270 Megawatt Leistung auf die Dächer zu bringen“, erklärte Sabine Perch-Nielsen von EBP. Sie hat für Swissolar berechnet, wie viel Fachleute es denn bräuchte, um bis 2050 Module für eine Produktion von 30 TWh auf die Dächer zu bringen. Dazu hat die Energiefachfrau verschiedene Szenarien gerechnet, mit verschiedenen Anteilen an kleinen und grossen Anlagen, mit Preissenkungen für die gesamte Anlage inklusive Planung und Installation von 25 oder 35 % bis 2050. „Wir brauchen rund 2.5- bis 5-mal mehr Fachkräfte als heute, sprich 5000 bis 13’000 Personen“, resümierte Sabine Perch-Nielsen ihre Arbeit. „Wie viele und welche Fachkräfte es braucht, ist stark von der Art des Zubaus abhängig. Und es ist zu bedenken, dass schon heute ein Mangel, vor allem bei Planern und Elektro-Installateuren, besteht ...“ Das zeigte auch eine kurze Umfrage an der Tagung, eine deutliche Mehrheit bekundete per Handheben, dass sie schon heute nicht genügend Fachleute einstellen kann.

PV-Ziel 2020 schon verdoppelt!
„Das alte Misstrauen gegen die Photovoltaik ist in der Energiestrategie 2050 immer noch ansatzweise spürbar. Dies lässt sich aus zu hohen Preisschätzungen pro Kilowattstunde und vor allem auch aus den Zwischenzielen herauslesen, die noch recht bescheiden waren: Der Bundesrat sah für 2020 eine Solarstromproduktion von 1.3 TWh und für 2035 nur 7 TWh vor“, erinnerte Roger Nordmann, Nationalrat und Präsident von Swissolar. „Wo stehen wir heute? 2019 produzierten Solaranlagen in der Schweiz nach meiner Schätzung zwischen 2.2 und 2.3 Terawattstunden, also fast das Doppelte des von der Energiestrategie 2050 festgelegten Ziels für 2020. In der Schweiz deckt die Photovoltaik heute demnach fast 4 % unseres Stromverbrauchs!“

Faire Regeln
Zwar übertreffe das Zubautempo sogar um Haaresbreite die Voraussetzungen, um die Photovoltaik-Ziele 2035 des Bundesrats zu erreichen – und wir könnten schon in absehbarer Zukunft die fehlende Produktion von Geothermie und Windkraft übers Jahr gerechnet auffangen. „Doch das ist immer noch nicht genug – unter anderem, weil der Ausbau nicht ausreicht, um die 2011 geforderte erneuerbare Jahresproduktion von 12 Terawattstunden für 2025 zu ermöglichen. Der langen Rede kurzer Sinn“, schloss Roger Nordmann: „Das Potenzial der Solarenergie ist riesig und auch realistisch, doch die Schweiz muss faire Regeln aufstellen, um es zu verwirklichen und echten Fortschritt zu ermöglichen.“

Am Freitag, den 13. März wurde die Photovoltaiktagung dann doch überraschend noch vor dem Mittag abgebrochen und die Teilnehmer mit einem Lunchpaket auf den Heimweg geschickt.

Alle Präsentationen der Tagung >>
Die Präsentationen der Tagung können mit Klick auf den Titel als schreibgeschützte PDF heruntergeladen werden. Falls Sie eine Präsentation weiterverwenden möchten, wenden Sie sich bitte direkt an den Referenten/die Referentin.

Text: Anita Niederhäusern, leitende Redaktorin ee-news.ch

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