Schweiz: Anteil Stunden mit negativen Preisen nach Tagesstunde und Jahr. Links Anteil von Stunde 1 bis 8 (von 00:00 - 08:00 Uhr), Mitte von Stunde 9 bis 16 (von 08:00 - 16:00 Uhr), rechts von Stunde 17 bis 24 (von 16:00 - 24:00 Uhr) Bild. Elcom

Anzahl der Stunden mit negativen Preisen an der EPEX SPOT Day-Ahead-Auktion nach Monaten und Jahr für Lieferort Schweiz (2020 Daten bis 31. Mai 2020). Bild: Elcom

Elcom: Negative Stundenpreise am kurzfristigen Strommarkt sind kein Grund zur Sorge - Analyse der negativen Preise für die Schweiz, Frankreich und Deutschland

(Elcom) In den letzten Jahren konnte an den Day-Ahead-Märkten in Deutschland, Frankreich und der Schweiz eine Zunahme von Stunden mit negativen Preisen beobachtet werden. In der Schweiz kommen negative Stundenpreise vor allem im März, April und Mai vor. Das sind die Monate, in denen die Schweiz durch die Schneeschmelze mehr Laufwasser als üblich zur Verfügung hat.


Der Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere Wind und Solar, die mit Grenzkosten nahe null in das Orderbuch der Börse einfliessen, begünstigt das Auftreten von negativen Preisen. Regulatorische Rahmenbedingen oder technische Restriktionen können auch dazu führen, dass Anlagen- oder Kraftwerksbetreiber bei negativen Preisen weiter produzieren.

Notwendiger Marktmechanismus
Negative Preise sind ein notwendiger Marktmechanismus, um sicherzustellen, dass die Stromnachfrage dem Angebot zu jeder Zeit entspricht. Negative Preise sind volkswirtschaftlich somit durchaus sinnvoll, es werden dadurch die richtigen Anreize gesetzt, um im Zuge der Umstellung auf erneuerbare Energien flexibler zu werden und jegliche Flexibilitätsoption zu nutzen.

Das Maximum an Stunden mit negativen Preisen erreichte die Schweiz bis jetzt im Jahr 2020. In der Studie werden die Anzahl der Stunden mit negativen Preisen, die Anzahl der Tage mit negativen Stundenpreisen und die Anzahl der Tage, während denen der Base-Preis negativ war, für Deutschland, Frankreich und die Schweiz seit 2015 näher untersucht. Auch der Anteil der Stunden mit negativen Preisen nach Tagesstunde wird erläutert.

Studienfazit

In den letzten Jahren konnte in den verschiedenen Märkten die Zunahme von Stunden mit negativen Preisen beobachtet werden. Negative Preise wurden am Day-Ahead-Grosshandelsmarkt der EPEX Spot im September 2008 auf Wunsch des Marktes eingeführt. Zuvor herrschte bei den Marktteilnehmern sehr viel Unsicherheit, weil die Verkäufer bei der damaligen Mindestgrenze von 0 EUR/MWh nicht ihre ganze Wunschmenge verkaufen konnten, ihr Gebot wurde von der Börse linear interpoliert. Nicht der Markt, sondern die Preisgrenze der Börse hat damals den Markträumungspreis und das Volumen festgelegt.

Ökonomische Anreize für Flexibilisierung?
Der Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere Wind und Solar, die mit Grenzkosten nahe Null in das Orderbuch der Börse einfliessen, begünstigt das Auftreten von negativen Preisen. Regulatorische Rahmenbedingen können auch dazu führen, dass Anlagebetreiber bei negativen Preisen weiter produzieren. Dies gilt insbesondere für Betreiber von Anlagen auf Basis erneuerbarer Energien, die ihre An-lage direkt vermarkten und somit zusätzlich zu den Erlösen aus der Direktvermarktung eine Marktprämie für jede erzeugte kWh erhalten. Sofern der Verlust einer Einspeisung bei negativen Preisen betragsmässig die ihnen ausgezahlte Marktprämie nicht übersteigt, werden sie ins Netz einspeisen. Die «6-Stunden-Regel» die im EEG 17 unter § 51 festgehalten wird (im Exkurs näher erläutert), steuert diesem Phänomen ein bisschen entgegen. Diese Regelung wird seit der Einführung kontrovers diskutiert. Die deutsche Bundesnetzagentur sagt im Bericht über die Mindesterzeugung 2019: «Bezogen auf die in den betrachteten Situationen am Netz befindlichen Kraftwerke sollte also eine weitere Flexibilisierung der Kraftwerke (auch im Hinblick auf ihre Wärmebereitstellung) den konventionellen Erzeugungssockel reduzieren. Eine solche Flexibilisierung bedarf entsprechender ökonomischer Anreize. Negative Preise, insbesondere länger andauernde stark negative Preise, setzen solche Anreize. Ein Abbau dieser Anreize durch eine Kürzung oder Streichung der Vergütung erneuerbarer Erzeugung in Abhängigkeit von negativen Börsenpreisen ist insofern nicht zielführend. »

Unflexible konventionelle Kraftwerke
Des Weiteren sorgen auch unflexible konventionelle Kraftwerke dafür, dass der Strompreis ins Negative rutscht. An Tagen, an denen viel Wind und Sonne (mit tiefen Grenzkosten) ins Netz eingespeist werden, sollten eigentlich teurere konventionelle Kraftwerke ihre Stromproduktion drosseln. Diese können aber ihre Produktion aufgrund technischer Restriktionen und Opportunitätskosten für einzelne Stunden nicht herunterfahren. Auch haben Anbieter von konventionellen Kraftwerken eventuell andere vertragliche Verpflichtungen (beispielsweise Anbieter negativer Regelreserve oder von Kraft-Wärme-Kopplung-An-lagen), die dazu führen, dass sie trotz negativer Marktpreise ihre Erzeugung anbieten und entsprechend negative Deckungsbeiträge in Kauf nehmen.

Vor allem im März, April und Mai
In Deutschland kommen negative Preise meistens an Tagen mit tiefer Last und hoher Wind- und Solareinspeisung vor. In der Schweiz und in Frankreich sind negative Stundenpreise weniger häufig zu verzeichnen als in Deutschland. Die limitierten Grenzübertragungskapazitäten zu Deutschland begrenzen den Fluss von günstigem Strom in diese Länder. Dennoch ist auch in der Schweiz und in Frankreich eine Zunahme von negativen Stundenpreisen zu beobachten. Diese scheinen vor allem in März, April und Mai vorzukommen. Eine tiefere Last zusammen mit einer durch die Schneeschmelze bedingten Zunahme des Laufwassers sowie Importe von günstigem Strom aus Deutschland bedingen das Auftre-ten negativer Preise.

Solange der Ausbau der erneuerbaren Energien weiter zunimmt, bei den Stromspeichermöglichkeiten keine grossen Fortschritte gemacht werden, bei der Last oder Erzeugung zu wenig Flexibilität vorhanden ist und die Grenzübertragungskapazitäten in die Nachbarländer nicht ausgebaut werden, dürfte sich dieser Trend in Deutschland genauso wie in Frankreich und in der Schweiz fortsetzen.

Kein Grund zur Sorge
Negative Stundenpreise am kurzfristigen Strommarkt sind kein Grund zur Sorge. Es ist ein notwendiger Marktmechanismus um sicherzustellen, dass die Stromnachfrage dem Angebot zu jeder Zeit entspricht. Es ist ein Anreiz für konventionelle Kraftwerke, ihre Stromproduktion der schwankenden Nachfrage und der wetterabhängigen Erzeugung aus erneuerbaren Energien anzupassen. Mittlerweile können auch die aus technischen Gründen bislang eher trägen Kohlekraftwerke immer besser auf die schwankende Stromnachfrage beziehungsweise Stromerzeugung der erneuerbaren Energien reagieren und fahren ihre Produktion bei negativen Strompreisen herunter. Möglich ist dies, weil Teile der Kraftwerksbetreiber in die Flexibilität ihrer Anlagen investiert haben: Ein Kraftwerk herunter- und wieder hochzufahren, ist in diesen Anlagen nun günstiger als die Kosten bei negativen Strompreisen zu tragen (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2018). Auch EPEX Spot hat in den letzten Jahren durch die Einführung von konditionalen Geboten (Smart Block Bids) für mehr Flexibilität bei der Gebotsabgabe gesorgt. Diese koppeln die Ausführung des Gebots an weitere Bedingungen als der einfachen Bedingung (Mindestpreis) bei den Stundengeboten. Anstelle eines stündlichen Mindestpreises kann dann beispielsweise ein Mindestdurchschnittspreis für die in dem Gebot gekoppelten Stunden geltend gemacht werden. Auch können verschiedene Gebote miteinander gekoppelt werden. Dies ermöglicht vor allem Betreibern konventioneller Kraftwerke, ihren Einsatz noch stärker an den Day-Ahead-Preis anzupassen.

Nachfrageseitiger Anreiz
Negative Preise geben auch nachfrageseitig einen Anreiz, Strom genau dann verstärkt nachzufragen, wenn gerade viel ins Netz eingespeist wird. Profiteure sind dann die Verbraucher und die Pumpspei-cherkraftwerke, die für die gepumpte Energie nichts bezahlen müssen, sondern sogar einen Betrag erhalten. Ein fragwürdiger Nebeneffekt entsteht jedoch auch, wenn die Deutsche Bahn Elektroheizungen von Bahnweichen im Hochsommer einschaltet, um die Nachfrage anzukurbeln und von den negativen Preisen zu profitieren.

Negative Preise sind volkswirtschaftlich somit durchaus sinnvoll, es werden dadurch die richtigen Anreize gesetzt, um im Zuge der Umstellung auf erneuerbare Energien flexibler zu werden und jegliche Flexibilitätsoption zu nutzen.

Zur Studie >>

Text: Elcom

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