Ein Gletscherfluss beim Vatnajökull, Island. Die grössten Flüsse der Erde haben ihren Ursprung in Gletschern – sitzt die Weltbevölkerung ohne das «ewige» Eis bald auf dem Trockenen? ©Bild: Matthias Huss / ETH Zürich

Der Abramov-Gletscher in Kirgistan. ©Bild: Matthias Huss/ETH Zürich

Klimawandel: Keine Gletscher, kein Wasser?

(©MH/ETH Zukunftsblog) Die grössten Flüsse der Erde entspringen vergletscherten Gebirgsregionen. Viele Gletscher könnten aber mit dem Klimawandel verschwinden. Wird das Wasser knapp? Weltweit gibt es rund 200'000 Gletscher. Vor allem in mittleren und tiefen Breiten erfüllen Gletscher eine zentrale Rolle im Wasserkreislauf, indem sie Abflussschwankungen ausgleichen.


Flüsse sind Lebensadern, von denen weltweit mehrere Milliarden Menschen – direkt oder indirekt – abhängen. Fehlt uns in naher oder ferner Zukunft das Wasser, wenn die Gletscher immer kleiner werden oder ganz verschwinden? Bleiben die Alpen, der Himalaya, die Rocky Mountains und die Anden, ein Wasserschloss? In einer Studie für alle Gebirge der Erde und die Einzugsgebiete ihrer grossen Flüsse sind wir dieser Frage nachgegangen.

Entscheidender «Peak Water»
Wir verwendeten ein Gletschermodell, das die Entwicklung sämtlicher Gletscher weltweit und ihres künftigen Abflusses bis zum Ende des 21. Jahrhunderts beschreibt. Zuerst die gute Nachricht: Über das ganze Jahr hinweg werden heute durch Eis bedeckte Gebiete auch in Zukunft noch genügend Wasser liefern. Mit der Klimaänderung steigt der Abfluss – in einer ersten Phase – sogar an, da das als Eis gespeicherte Wasser freigesetzt wird. Werden die Gletscher aber zu klein, wird ein Wendepunkt erreicht; wir bezeichnen ihn als «Peak Water».

Wichtig ist: Um die Verteilung des Wassers in Zukunft richtig zu planen, zum Beispiel für die landwirtschaftliche Bewässerung oder die Wasserkraft, müssen wir wissen, ob wir uns vor oder nach «Peak Water» befinden. In den Alpen ist der Wendepunkt wohl jetzt erreicht. In den meisten Einzugsgebieten Südamerikas liefern die Gletscher schon heute weniger Wasser. In Asien und Nordamerika hingegen dürften die Gesamtabflüsse von Gletschern noch bis etwa Mitte des Jahrhunderts ansteigen und erst dann in einen Abwärtstrend übergehen.

Spüren Unterländer den Unterschied?
Gletscher stabilisieren im Sommer die Pegel der grossen Flüsse, da dann viel Eis schmilzt. Unsere Berechnungen zeigen, dass bis ins Jahr 2100 deutlich mehr als die Hälfte des Gletschereises ausserhalb der Polregionen verschwunden sein dürfte. Die Konsequenzen können dramatisch sein: Wo während der warmen Jahreszeit einst tosende Gletscherbäche flossen, bleibt eine trockene Steinwüste zurück. Ende Jahrhundert liefern die Gletscher fast überall auf der Erde in den Sommermonaten deutlich weniger Wasser als heute – teils beträgt die Abnahme mehr als zwei Drittel.

Doch sind diese Veränderungen im dicht besiedelten Unterlauf der grossen Flüsse überhaupt spürbar? Vor allem in Zentralasien, zum Beispiel in den Zuflüssen zum Aral See oder dem Indus, wird man aufgrund der trockenen Sommer starke Einbussen in der Wasserverfügbarkeit hinnehmen müssen. Dies obwohl Gletscher heute nur relativ geringe Anteile des Einzugsgebietes bedecken.

Prekäre Situationen möglich
Das gleiche gilt für einige Flüsse in den Anden, sowie, in geringerem Ausmass, für die Alpen. Die Situation könnte während den in Zukunft häufigeren Hitzewellen prekär werden. Die Eisschmelze ist aber nur in Gletschernähe wichtig. Für rund zwei Drittel der grossen Flüsse weltweit ist die Situation hingegen nicht alarmierend. Die Gletscher sind zu klein, als dass ihr Verschwinden den kontinentalen Abfluss massgeblich beeinträchtigen würde.

Probleme regional lösen
Unsere Studie zeigt, wo die «Hot Spots» sind, in denen wegen des Gletscherrückgangs künftig Wasserknappheit herrscht. Viele Probleme könnten auf der Ebene der betroffenen Gemeinden durch eine effizientere Nutzung und bessere Verteilung des Wassers gelöst werden. Dafür sind in Entwicklungsländern massgebliche Investitionen und ein Know-How-Transfer nötig.

Klimawandel ist ein globales Problem mit lokalen Folgen. Wenn es der Staatengemeinschaft, mit Beiträgen von jedem einzelnen, gelingt, den Temperaturanstieg auf ein annehmbares Mass zu beschränken, liessen sich die Auswirkungen abfedern. Viele Gletscher würden zwar auch bei grossen Anstrengungen zum Klimaschutz deutlich schrumpfen, doch die Konsequenzen für das Wasserangebot wären moderater.

Weitere Informationen
Matthias Huss & Regine Hock. Global-scale hydrological response to future glacier mass loss. Nature Climate Change volume 8, pages 135–140 (2018). Link >>

Blogbeitrag von Matthias Huss: Staudämme statt Gletscher >>

Text: Matthias Huss,  ETH Zukunftsblog, ETH Zürich



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