Das Mehrfamilienhaus mit Solardach in Huttwil liefert Heizwärme und Warmwasser zur ganzjährigen Versorgung der acht Wohnungen. Bild: Jenni Energietechnik AG

Das Mehrfamilienhaus in Huttwil enthält einen Warmwasserspeicher (roter Tank) mit 110 m³ Fassungsvermögen. Bild: Jenni Energietechnik AG

Die spiralförmigen Rohre dienen als Wärmetauscher, welche die Solarwärme in den saisonalen Speicher übertragen. Bild: Jenni Energietechnik AG

Bislang werden saisonale Warmwasserspeicher in der Regel innerhalb des Hauses gebaut. Bild: Schlussbericht OPTSAIS

Typische Temperaturentwicklung im Jahresverlauf auf verschiedenen Höhen des Speichers. Bild: Schlussbericht OPTSAIS

An diesem 2 m3 grossen Tank haben die OPTSAIS-Forscher ihre Simulationsergebnisse validiert. Bild: Schlussbericht OPTSAIS

Sensoren an einem Warmwasserspeicher zur Messung der Wassertemperatur verschiedener Schichten. Bild: Zwischenbericht SensOpt

Low-flow-Betrieb der Solarkollektoren.

Kombination von High-flow-Betrieb im Sommer und Low-flow-Betrieb im Winter. Bild: Zwischenbericht SensOpt

Schematische Darstellung einer Fundamentplatte, die während des Baus mit Rohrleitungen ausgestattet wird, durch welche später die Wärmeträgerflüssigkeit der Wärmepumpe zirkuliert. Bild: Zwischenbericht SensOpt

In der Fundamentplatte (rote Kurve) herrschen im Winter höhere Temperaturen als in der Aussenluft (blau). Bild: Zwischenbericht SensOpt

Mehrfamilienhäuser: Forschungsprojekte suchen nach Optimierungsmöglichkeiten für saisonale Warmwasserspeicher

(BV) Auf Anhieb möchte man kaum glauben, dass ein einfacher Wassertank genügt, um die Wärme vom Sommer in den Winter zu bringen. Doch tatsächlich reicht ein Speicher ab 12 Kubikmeter Volumen, um eine Wohnung den ganzen Winter mit Heizwärme und Warmwasser aus Sonnenkollektoren zu versorgen. Weil solche Speicherlösungen bisher relativ teuer sind, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Hochschulen in Rapperswil und Luzern in zwei Forschungsprojekten nach wirtschaftlichen Konzepten gesucht. Eine Stossrichtung besteht darin, mit gezielten Optimierungen das Volumen der Speicher und damit ihre Kosten zu verringern.


Ein drängendes Problem der künftigen Energieversorgung lässt sich in einem einzigen Wort zusammenfassen: Winterstromlücke. Hinter diesem Schlagwort steht die Frage, wie der wachsende Strombedarf von Wärmepumpen im Winter sichergestellt werden kann, wenn der Atomstrom wegfällt und Elektroautos zusätzlichen Strom benötigen werden. Die Photovoltaik (PV) wird auch bei einem weiteren Ausbau nur begrenzte Erträge während der Wintermonate liefern. Ein Ansatz zur Entschärfung der Problematik sind saisonale Wärmespeicher, welche die von Solaranlagen in den Sommermonaten gewonnene Energie aufnehmen und in den Wintermonaten zur Bereitstellung von Heizwärme und Warmwasser genutzt werden können.

Wärmeautarkie hat ihren Preis
Dass solche saisonalen Warmwasserspeicher funktionieren, hat der Berner Solarpionier Josef Jenni bereits 1989 mit dem Bau eines energetisch autarken Einfamilienhauses in der Nähe von Burgdorf (BE) demonstriert. 2007 bzw. 2015 baute die Jenni Energietechnik AG am selben Ort drei Mehrfamilienhäuser mit je acht Wohnungen: Das erste verfügte über 276 m² Kollektorfläche und einen saisonalen Wärmespeicher von 205 m³, die beiden späteren Gebäude erreichen die ganzjährige Versorgung mit Heizwärme und Warmwasser dank Optimierungen mit deutlich weniger Kollektorfläche (160 m²) und einem wesentlich kleineren Speicher (110 m³). Ein weiteres Mehrfamilienhaus mit demselben Solar-Speicher-System wurde 2020 in Huttwil bezogen.

Trotz des faszinierenden Konzepts nutzt in der Schweiz bis anhin nur eine Handvoll Ein- und Mehrfamilienhäuser einen saisonalen Speicher. Ausschlaggebend sind wirtschaftliche Gründe, wie Josef Timoteo Jenni, der Sohn von Firmengründer Josef Jenni, sagt: „Will man mit einem Speichersystem den Wärmebedarf über das ganze Jahr zu 100 % abdecken, nicht beispielsweise nur zu 80 Prozent, steigen die Kosten des Energiesystems stark an. Nachteilig ist auch, dass saisonale Warmwasserspeicher in der Regel zur Wohnfläche zählen; das vermindert die nutzbare Wohnfläche und schmälert die Mieterträge.“

Zwei Stellschrauben für mehr Effizienz
Vor diesem Hintergrund hat ein Forscherteam der Hochschule Luzern (HSLU) im BFE-geförderten Projekt ‚OPTSAIS‘ nach Optimierungsmöglichkeiten für saisonale Warmwasserspeicher gesucht. Die Wissenschaftler des Kompetenzzentrums ‚Thermische Energiespeicher‘ erstellten die Simulation eines nach Minergiestandard gedämmten Mehrfamilienhauses mit acht Wohnungen, dessen Dach mit 190 m² Solarkollektoren belegt ist. Der saisonale Warmwasserspeicher hat im Referenzszenario ein Volumen von 240 m³. Er wurde so dimensioniert, dass er in der Lage ist, den Bedarf für Heizwärme und mindestens 60grädiges Brauchwarmwasser das ganze Jahr vollständig zu decken. Das Modellhaus ist bezüglich Warmwasserproduktion also autark. „Wir haben diese Annahme getroffen, um auf ein zusätzliches Heizsystem verzichten zu können“, sagt HSLU-Projektleiter Dr. Willy Villasmil und ergänzt: „Rund ein Drittel der Gebäude in der Schweiz wären aufgrund Ausrichtung und Grösse der Dachfläche sowie der klimatischen Bedingungen grundsätzlich geeignet für den Einbau einer solchen autarken Solarthermieanlage.“

Tiefe Durchflussmenge vorteilhaft
Villasmil und sein Team haben zwei Stellschrauben identifiziert, um die Kosten einer derartigen Solaranlage zu senken. Die eine besteht in der Verringerung der Durchflussmenge (Volumenstrom) in den Solarkollektoren. Bei herkömmlichen Solaranlagen ist diese hoch. Bei der Nutzung eines saisonalen Speichers sei eine tiefe Durchflussmenge vorteilhaft, hält das Forscherteam im OPTSAIS-Schlussbericht fest. Mit dieser Regelungsstrategie arbeiten die Kollektoren zwar mit einer tieferen energetischen Effizienz, sie liefern aber deutlich höhere Temperaturen. Dank der höheren Temperaturen kann das Speichervolumen um 30 % reduziert werden, was erhebliche Kostenvorteile mit sich bringt. Mit einer Erhöhung des Neigungswinkels der Solarkollektoren von 45 auf 65 ° kann deren Effizienz – vor allem in den solararmen Wintermonaten – gesteigert und dadurch das Speichervolumen um weitere 10 % reduziert werden.

Erdvergrabener Speicher prüfenswert
Die zweite Stellschraube zur Senkung der Kosten ist die thermische Dämmung des Wärmespeichers. Wird die Dämmung nicht mit Glaswolle ausgeführt, wie bisher üblich, sondern mit sogenannten Vakuumisolationspaneelen, kann die Beanspruchung von Wohnfläche durch den Warmwasserspeicher um 20 % reduziert werden. Bei einem Bestandsbau, der mit einem saisonalen Speicher ausgestattet wird, lassen sich so Kosteneinsparungen von 10 % erzielen. Willy Villasmil sieht diese Option dennoch skeptisch: „Die auf dem Markt verfügbaren Vakuumisolationspaneele wurden für Raumtemperaturen entwickelt, nicht für hohe Temperaturen, wie sie im saisonalen Speicher herrschen. Da die Installation zudem aufwändiger und das Risiko grösser ist, resultiert unter dem Strich nur ein begrenzter Vorteil gegenüber Glaswolle.“

Eine vielversprechende Option ist nach Auskunft des Forschers, den Wärmespeicher nicht im Innern des Hauses zu verbauen, sondern neben dem Haus ins Erdreich zu versenken. Dadurch können die unerwünschten Effekte auf die bewohnbare Fläche vermieden werden. Die HSLU-Forscher veranschlagen die Wärmegestehungskosten eines solchen Systems auf 60 Rp./kWh. Beim Einbau des Speichers im Innern eines Neubaus liegen die Kosten ebenfalls bei rund 60 Rp./kWh, bei einem Bestandsbau bei 1.20 Fr

Mischsystem mit Photovoltaik und Wärmepumpe
Einen anderen Ansatz verfolgt ein Forscherteam der Fachhochschule Ostschweiz (OST) gemeinsam mit HSLU-Kollegen im Projekt SensOpt, das ebenfalls vom BFE unterstützt wurde: Hier wird das System aus Solarkollektor und Warmwasserspeicher mit einer Photovoltaik-Anlage kombiniert. Die PV-Anlage liefert den Strom zum Betrieb einer Wärmepumpe. „Die beiden Systeme ergänzen sich ideal, denn die Solarkollektoren liefern Wärme bei hoher Temperatur, während die mit Solarstrom betriebene Wärmepumpe die Wintersonne optimal ausnutzt“, sagt OST-Projektleiter Florian Ruesch. Die Forscher legten ihren Berechnungen ein Jenni-Solarhaus (acht Wohnungen; 160 m² Kollektorfläche; Wärmespeicher mit 110 m³) zugrunde, ersetzten in ihren Simulationen aber einen Teil der Kollektorfläche durch PV-Module. Ziel war, das Haus mit Solarwärme und Wärme aus der Wärmepumpe, die allein mit eigenem Solarstrom betrieben wird, autark mit Heizwärme und Warmwasser zu versorgen.

Saisonal differenzierte Durchflusssteuerung
Auf der Grundlage ihrer Simulationen resultiert ein optimiertes Energiesystem mit den folgenden Eckwerten: Das Dach wird auf 50 m² mit PV-Modulen und auf 110 m² mit Kollektoren ausgelegt. Empfohlen wird eine Wärmepumpe (10 kW), die als Wärmequelle die (entsprechend verrohrte) Fundamentplatte des Gebäudes nutzt. Der Grund: Die Fundamentplatte liefert höhere Quelltemperaturen als die Umgebungsluft. Gemäss OST-Berechnungen lässt sich der Wärmespeicher mit dieser Sole-Wasser-Wärmepumpe und einer saisonal differenzierten Durchflusssteuerung der Solarkollektoren um 30% kompakter bauen (77 statt 110 m³ Volumen). Der kleinere Speicher ermöglicht mehr Wohnfläche und damit höhere Mieterträge. Einsparungen erlaubt ferner der Einsatz einer Duschwasser-Wärmerückgewinnung, welche aber im Projekt nur grob betrachtet wurde. Weitere finanzielle Vorteile ergeben sich aus dem Umstand, dass PV-Module in der Anschaffung günstiger sind als Kollektoren und dass eigener PV-Strom genutzt und ins Netz eingespeist werden kann.

Gespeist aus der Fundamentplatte
„Das Mischsystem aus Kollektoren, saisonalem Wärmespeicher sowie Wärmepumpe, gespeist aus der Fundamentplatte, wäre unsere Empfehlung für ein künftiges Solarhaus“, sagt Ruesch. „Wir veranschlagen für dieses System Investitionskosten von ca. 200'000 Fr., danach kommt aber alle Wärme gratis von der Sonne und durch den überschüssigen Strom der PV-Anlage springt sogar noch ein kleiner Ertrag raus.“ Der OST-Wissenschaftler und seine Kollegen setzen in dieses Energiesystem grosse Hoffnungen. „100 % solar beheizte Gebäude sind eine sinnvolle Strategie gegen die Winterstromlücke, mit der wir uns schon bald konfrontiert sehen werden“, betont Ruesch. „Die Kombination von Solarthermie und Photovoltaik/Wärmepumpe hat ein grosses Potenzial, solche Systeme günstiger zu machen und den Platzbedarf zu verringern.“


Bis zu 70 Grad Temperaturdifferenz
Ein saisonaler Warmwasserspeicher ist im Prinzip nichts weiter als ein stehender Wassertank. Die Temperatur kann unten bei 25 Grad Celsius liegen, während oben 95 Grad herrschen. Es gibt also eine Temperaturschichtung, wie man sie – weniger ausgeprägt – vom Baden im See kennt. Entnimmt man aus dem Speicher Wasser für die Heizung oder Warmwasser, wird dieses aus verschiedenen Wärmezonen bezogen und dann auf die gewünschte Temperatur gemischt. Das weniger warme Wasser unten im Speicher wird stets zuerst genutzt. BV


Text: Benedikt Vogel, im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE)

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2 Kommentare

Holger Drechsler

Ich habe schon während meines Studiums 1989 (noch in der DDR) vom Projekt des Mehrfamilienhauses mit 300m³ Wärmespeicher gehört und bin nun nach 30 Jahren angesichts der heutigen Situation bezüglich der Folgen des Ukrainekrieges zornig auf unsere Regierung, die gerade diese relativ einfach zu installierenden Systeme nicht massiv gefördert hat, obwohl das ständig von den entsprechenden verbänden gefordert wurde.

Max Blatter

Ob man es glauben "möchte" oder nicht, ist egal; es ist ein einfaches physikalisches oder eigentlich mathematisches Gesetz:
Das Volumen (und somit die gespeicherte Wärmemenge) nimmt mit der dritten Potenz der linearen Abmessungen zu; die Oberfläche (und somit der Wärmeverlust) nur mit der zweiten.

Weil sich die Entladezeit aus "Energieinhalt dividiert durch Verlustleistung" berechnet, nimmt sie proportional zur linearen Abmessung des Speichers zu. Energieautarke Gebäude ("Nullenergie-Häuser"), die sich diese Gesetzmässigkeit zu Nutze machen, gibt es seit mindestens einem halben Jahrhundert.

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