Martin Schmid: „Das Solarauto fährt mit einem Treibstoffpreis, der 21 Rappen pro Liter Benzin entspricht …!“

Was passiert, wenn die Leistung einer Solaranlage via Wechselrichter (WR) begrenzt wird – Quelle: Messresultate von Michael Sattler am Ökozentrum

Die Gesundbeter von Börse und IEA zeigen eher zu hohe Preise für erneuerbare Energien an – und eher tiefe für die chinesische Kohlekraft. Quelle: Bloomberg.

Internetmeldungen vom Mai 2017 darüber, dass bei einer Ausschreibung in Indien Solarstrom für 4 US$-Cent angeboten wurde.

ASPO: Welcome to he world wide grid parity party!

(©MS) Im Mai 2017 war die Freude unter den Anhängern der Erneuerbaren gross: Wind- und Solarstrom waren erstmals günstiger als Strom aus fossilen Energien. Dass dies keine Eintagsfliege war, belegt Martin Schmid vom Ökozentrum anhand einer Beispielrechnung für die Energieversorgung einer kleinen Insel. Schmid widerlegt Falschmeldungen zu Elektromobilität und Solarstrom und rät zum Divestment aus fossilen Energieunternehmen.


Liebe Leserinnen und Leser!

Ich möchte Sie gleich wieder an ein virtuelles Fest einladen: Das solare Zeitalter hat unaufhaltbar begonnen! Als Technologieförderer fahre ich zwar seit bald 22 Jahren mit batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen aus Schweizer Produktion mit eigenem Solarstrom, aber erst vor rund einem Jahr ist folgender Traum wahr geworden – via Portemonnaie:

1. Solar- und Windstrom sind in der Produktion mittlerweile günstiger als Strom aus fossilen Energieträgern – bereits im Mai 2017 lag der Preis unter 4 Rp./kWh, Tendenz weiter sinkend.

2. Fahrzeugbatterien in Elektroautos kosten inklusive 7 Jahre/150‘000-km-Garantie sowie Marge des Zellen- und des Fahrzeugherstellers zwischen 100 und 200 CHF/kWh, d. h. bei 1‘000 Gebrauchszyklen etwa 0.1 bis 0.2 CHF/kWh. Stationäre Batterien sind langfristig noch günstiger: Der Schweizer Hersteller Leclanché hat ein System entwickelt, welches 15‘000 Zyklen Lebensdauer ermöglicht.

Machen wir zusammen eine grosszügige Rechnung auf und gehen auf eine kleine tropische Insel, die bisher mit einem Dieselgenerator mit Strom versorgt wurde und nun solar versorgt wird. Nehmen wir an, dass wir 2/3 des Stromes durch den Tag direkt von der Solaranlage nutzen können. Aber leider scheint die Sonne nicht immer genug, also werden 4 Mal mehr Solarzellen installiert, als maximal elektrische Leistung gebraucht wird. Wenn der Strom nicht gebraucht wird, regelt die Einspeise-Elektronik ihn weg. Verschwendung? Nein! Teuer? Nein! Der Ertrag der Solaranlage beträgt dabei immer noch gut die Hälfte dessen, was sie im Maximum hätte leisten können – dafür leistet sie immer so viel wie benötigt, von der Morgendämmerung bis Sonnenuntergang, bei Regen und Nebel. Dies erhöht den Solarstrompreis von 4 auf 7.3 Rappen/kWh. Für die Abend- und Nachtstunden muss der Strom in Fahrzeug- und Hausbatterien gespeichert werden à 15 Rp./kWh. Dies verteuert den Strom weiter auf durchschnittlich 10 Rp./kWh. Das Netz und die Verteilinfrastruktur sind immer noch dieselben wie zu Zeiten des Dieselgenerators, deshalb seien sie hier ausgeklammert.

Jetzt kommt die Rechnung im Konjunktiv für den Dieselgenerator und das Erdölzeitalter:

  1. WENN der fossil befeuerte Dieselgenerator kostenlos wäre und
  2. WENN er einen sehr guten elektrischen Wirkungsgrad von durchschnittlich 40 % auch bei Teillastbetrieb hätte und
  3. WENN er anstatt mit Diesel direkt mit Rohöl laufen würde und
  4. WENN er keinen Unterhalt benötigte und kein Betriebspersonal und keine Ersatzteile oder keinen Ölwechsel und
  5. WENN für ihn keine CO2-Steuern bezahlt werden müssten und
  6. WENN das Rohöl ohne Transportkosten und Margen direkt zum Börsenpreis auf die Insel geliefert würde

DANN dürfte das Fass Rohöl nicht mehr als 65 US$ kosten. Das entspricht etwa dem heutigen Rohölpreis an der Börse. WENN aber die sechs WENNs auch noch etwas kosten, dann kann der fossile Strom auf dieser Insel nicht mehr mit dem Solarstrom mithalten.

Beim Treibstoff sieht es für die fossilen Energien schon lange noch viel schlimmer aus: Werden die 10 Rp./kWh teuren Elektronen in die Batterie des Elektroautos geladen und mit einem Wirkungsgrad von 70 % in Antrieb umgesetzt, so kostet die Kilowattstunde Antriebsenergie am Rad 14.1 Rp./kWh. Beim Benzinauto mit einem Wirkungsgrad von 17 % und einer Energie von 8.8 kWh/Liter Benzin und Kosten von 1.50 CHF/Liter, kostet die Kilowattstunde Antriebsenergie am Rad aber 100.3 Rp./kWh bzw. einen Franken! Oder umgekehrt: Das Solarauto fährt mit einem Treibstoffpreis, der 21 Rappen pro Liter Benzin entspricht …

Überzeugt? Noch nicht? Nun, wie an unserer Jahreskonferenz mehrfach erwähnt, ist immer noch sehr viel Anlagekapital und somit auch sehr viel Macht in der Welt der fossilen Energien investiert. Und deshalb wird in den Medien auch mit Falschmeldungen zu Elektromobilität und Solarstrom noch verbissen gekämpft, damit das Ende noch ein paar Jährchen hinausgezögert werden kann. So hat z. B. Bloomberg im Juni 2017 den Break-even für Solarstrom (Zeitpunkt, Zeitpunkt, zu dem Solarstrom günstiger als Kohlestrom sein wird) auf etwa 2022 prognostiziert, obwohl er in Wirklichkeit bereits anfangs 2017 erreicht war. Darauf gibt es für mich nur eine Antwort: Divest! Welche Verwerfungen diese Entwicklungen mit sich bringen werden und wie viele Strassen in 20 Jahren überhaupt noch asphaltiert bzw. bitumiert werden (Asphalt und Bitumen sind Nebenprodukte der Erdölverarbeitung), kann ich nicht sagen – ich weiss nur, dass die Autohersteller allein schon aus Kostengründen gezwungen sein werden, Elektroautos zu bauen, denn ein Elektroauto hat etwa 4‘000 Bauteile weniger als eines mit Verbrennungsmotor und ist innen wie aussen freier gestaltbar – und erst noch bequemer zu fahren.

Ich bin weiterhin überzeugt, dass die Menschheit insgesamt zu intelligent ist, um sich selber auszurotten. Zudem beginnt sie nun auch wieder zu entdecken, dass wir ja alle einen Lebenszweck oder Auftrag haben auf Erden. Frohes Schaffen – und sonnige Grüsse

Martin Schmid, Vorstandsmitglied ASPO Schweiz, Dipl Ing HTL, Projektentwickler am Ökozentrum, und Präsident CharNet.ch, Erstveröffentlichung des Beitrags als ASPO Newsletter

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1 Kommentare

Jürgen Baumann

Wenn der Tipping point erreicht ist, dann geht es nur noch bergauf, oder bergab. Je nach Blickwinkel. Sehr gut.

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